Mittlerweile sind sie angekommen

Frühjahrsputz: Jörg Knauer und seine Schützlinge säuberten Judenburg.
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  • hochgeladen von Stefan Verderber

„Ich will keinen meiner Landsleute töten!“ So lautet der simple Grund, warum Ahmad aus seiner Heimat Syrien geflüchtet ist. Mit 18 Jahren wird man dort vom Militär verpflichtet und muss in den Bürgerkrieg ziehen - ob man will oder nicht ...
Ahmad und seine Kameraden wollten das nicht. Sie sitzen an einem filigranen Tisch vor dem Haus Murtal, dem ehemaligen Schloss Liechtenstein in Judenburg, und erzählen bereitwillig ihre Geschichte. Teils in gebrochenem Deutsch, teils in passablem Englisch. Die vier Burschen - allesamt Studenten oder Unternehmer - wirken aufgeweckt, haben stets ein Lächeln auf den Lippen. Und das trotz ihrer traumatischen Vergangenheit.

„Alles gestohlen“

„Plötzlich stand die Polizei vor der Tür und wollte mich abholen“, berichtet Ahmad. „If you don´t want, I´ll kill you. Wenn du nicht mitkommst, werden wir dich töten“. In Syrien gibt es keine Wahlmöglichkeit für das Militär. Ahmad und seine Freunde haben sich anders entschieden. Sie traten eine lange, beschwerliche Flucht an. Über die Türkei, Griechenland, Albanien und Serbien kamen sie schließlich nach Österreich. Zu Fuß und ohne Hab und Gut. „In Griechenland wurde uns alles gestohlen - Geld, Handy...“, erzählt Ahmad. Ihre Familien mussten die jungen Burschen in Syrien zurücklassen. Entweder weil Angehörige zu alt sind oder weil kein Geld für die Flucht da war. Bis zu 10.000 Euro mussten die Männer hinblättern, um nach Österreich zu kommen.
Während ihrer Erzählungen jagen zwei Burschen und ein junges Mädchen am verwahrlosten Fußballplatz vor dem Schloss einem Ball hinterher. Am Spielplatz ist ein Kind auf Entdeckungsreise.

Von Mann zu Mann

Das Haus Murtal ist mit Leben erfüllt. Bis zu 78 Asylwerber sind hier untergebracht. Sie leben in schmucklosen Zimmern und werden von professionellen Sozialarbeitern betreut, geschult und begleitet. Einer von mehreren ehrenamtlichen Helfern ist Jörg Knauer. Der ehemalige Leiter der HLW Fohnsdorf und Geschäftsführer des Psychosozialen Netzwerks in Judenburg hat eine Gruppe „Von Mann zu Mann“ gegründet. „70 bis 80 Prozent der Bewohner hier sind Männer, aber die meisten Betreuer sind weiblich“, erklärt er seine Intention. Er beschäftigt sich mehrere Stunden pro Woche mit seinen Schützlingen und lehrt ihnen Deutsch, Umgangsformen und Kultur. „Ein Problem sind die hohen Niveauunterschiede“, sagt Knauer. Deshalb will er einen Alphabetisierungskurs starten.

"Nicht akzeptiert"

Ahmad und Co. vertrauen ihm, blicken bei Unsicherheiten immer wieder in seine Richtung. „Was ist passiert, als ihr in Wien angekommen seid“, fragt Knauer in die Runde. „Wir wurden nicht akzeptiert, sollten nach Schweden weitergeschickt werden“, antwortet Ayman, ebenfalls ein junger Student.

Angekommen

Mittlerweile sind sie in Judenburg angekommen. Jörg Knauer kümmert sich darum, Kontakte zu knüpfen und Beschäftigung zu schaffen. Sport, Musik und ein Gemeinschaftsgarten stehen am Plan. Zum Auftakt nahm die Gruppe am Sonntag am Frühjahrsputz teil. Unter dem Motto „Danke, Österreich!“ zogen die Männer durch die Burggasse und durch Murdorf und sammelten Müll ein. „Wir haben viele positive Reaktionen bekommen, die Leute haben aus den Autos gewunken“, freut sich Knauer.

Schlechte Nachrichten

Diese Reaktionen können die Flüchtlinge auch gut gebrauchen. Immer wieder treffen schlechte Nachrichten aus Syrien ein. „Mein Cousin ist gestern im Gefängnis gestorben“, erzählt Ahmad. „Er hatte ein kleines Kind, aber er hat es nie sehen können.“

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