Claudia Plakolm im Interview
"Vielen Jungen gehen Klimakleber auf die Nerven"

Claudia Plakolm ist seit 2021 Staatssekretärin im Kabinett von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). | Foto: BRS
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  • Claudia Plakolm ist seit 2021 Staatssekretärin im Kabinett von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
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Claudia Plakolm (ÖVP) stammt aus Walding (Bezirk Urfahr-Umgebung) und ist seit Dezember 2021 Staatssekretärin für Jugend und Zivildienst. Im Interview mit der BezirksRundSchau spricht Sie über die Inflation, Klimakleber, den Jugendschutz und eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ nach der Nationalratswahl. 

Interview: Thomas Kramesberger, Thomas Winkler 

BezirksRundSchau: Die Inflationsrate liegt bei acht Prozent und die Regierung feiert sich auf Social Media ab dafür. Der normale Österreicher versteht allerdings nicht ganz, warum acht Prozent ein Grund zum Jubeln sind.
Plakolm:
Die Inflation hält uns seit eineinhalb Jahren auf Trab. Jeder spürt die Teuerung – egal ob man zur Miete oder im Eigentum lebt. Und es trifft auch den Mittelstand sehr hart. Wir versuchen stets die passenden Maßnahmen zu finden, aber dieser Prozess ist noch nicht beendet. Wir müssen speziell darauf achten, wie wir Menschen unterstützen, die es am dringendsten brauchen. Aber ich sehe es positiv, dass 94 Prozent der Hilfen treffsicher bei niedrigen Einkommen angekommen sind.

Aber acht Prozent Inflation kann doch nicht der Anspruch der Bundesregierung sein.
Wir versuchen in den unterschiedlichsten Bereichen – bei armutsgefährdeten Menschen, bei Familien, bei Unternehmen – abzufedern. Aber man darf nicht nur die Teuerung sehen, sondern es gibt auch einen riesigen Arbeits- und Fachkräftemangel. Gleichzeitig müssen wir darüber sprechen, wie wir Menschen dazu bewegen können, überhaupt arbeiten zu gehen. Als Jugendstaatssekretärin muss ich oft rechtfertigen, dass die Jungen nicht die Generation „Work-Life-Balance“ sind.

Sogar die FPÖ hat zuletzt einen Mietendeckel gefordert. Die ÖVP lehnt das weiterhin ab – warum eigentlich?
Es wurde viele Wochen über die Mietpreisbremse verhandelt. Die Österreicher leben und wohnen sehr unterschiedlich – aber die Teuerung trifft natürlich viele, nicht nur jene, die zur Miete wohnen. Mit einer Mietpreisbremse auf Richtwertmieten hätten wir nur ein Zehntel der Mieter in Österreich unterstützen können. Und davon leben 75 Prozent in Wien. Die soziale Treffsicherheit stelle ich da auch in Frage …

… also macht man es nicht, weil es viele Wiener betrifft?
Teilweise geht es da um Altbauwohnungen in der besten Lage, innerhalb des Gürtels. Die soziale Treffsicherheit wage ich vielfach zu bezweifeln. Es gibt in allen neun Bundesländern Mieter, deshalb muss es treffsichere Modelle geben. Ich hätte mir bei den Verhandlungen definitiv auch eine Ansage in Richtung Jugend und junge Familien gewünscht – damit auch Eigentum wieder leistbar wird. Wir haben österreichweit eine Eigentumsquote von 50 Prozent, der EU-Schnitt sind 70 Prozent.

Die ÖVP wollte die Grunderwerbssteuer streichen, das ist bei den Preisen fürs Hausbauen oder für Eigentumswohnungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Das wäre sicher kein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn sich junge Menschen eine Eigentumswohnung anschaffen wollen und dann 3,5 Prozent Grunderwerbssteuer gestrichen bekommen – und dann noch 1,1 Prozent Eintragungsgebühr beim Grundbuch, und noch mal 1,2 Prozent bei der Eintragung als Pfandrecht. Dann sind wir bei rund fünf Prozent Nebengebühren. Das ist viel Geld!
Viele junge Menschen und junge Pärchen bekommen ja mittlerweile gar keinen Kredit für eine Wohnung oder einen Baugrund – und das, obwohl sie 40 Stunden arbeiten gehen. Da läuft offensichtlich was falsch im System. Und das hat dann natürlich auch immer Auswirkung auf die Arbeitsmotivation von jungen Menschen. Man muss aufpassen, dass sich nicht viele denken: „Für wen oder was gehe ich überhaupt noch 40 Stunden arbeiten, wenn ich mir eh nichts mehr aufbauen oder schaffen kann? Dann lasse ich es lieber bleiben und arbeite nur 20 oder 30 Stunden.“ Wenn wir jetzt nicht die richtigen Maßnahmen setzen, wird es eine Generation geben, die weder Eigentum als Vorsorge hat, noch eine ordentliche staatliche Pension, weil sie nicht 40 Stunden arbeiten gehen und dementsprechend weniger einzahlen.

Sie haben sich direkt gegen die Klimakleber positioniert. Was stört Sie an jungen Menschen, die für ein gutes Anliegen demonstrieren?
Es gibt viele engagierte, junge Menschen, die in den letzten Jahren das Thema Klimaschutz in den Fokus gerückt haben. Aber die Klimakleber zerstören genau dieses Engagement, das viele andere junge Menschen konstruktiv aufgebaut haben. Ich kann einfach mit der Methode und dieser Form des Aktionismus überhaupt nichts anfangen. Das Einzige, das hilft, ist ein härteres Durchgreifen mit strengeren Strafen. Es wird schon einen Grund haben, warum sich Klimakleber nicht in China festkleben, wo jede Woche zwei Kohlekraftwerke gebaut werden – oder auch in Deutschland, wo es strengere Strafen als bei uns gibt. In Österreich wurde in den letzten Jahren von der Bundesregierung viel für den Klimaschutz auf den Weg gebracht, davon haben vorher viele nur geträumt – ob Klimaticket, der Ausbau der Erneuerbaren, jetzt kommt dann das Erneuerbare Wärme-Gesetz…

…kommt ein Klimaschutzgesetz auch noch?
Wir haben uns das im Regierungsprogramm als Ziel gesetzt und es wird weiter darüber verhandelt. Es wurden bereits sehr viele Klimaschutzgesetze beschlossen. Diese zielen darauf ab, dass wir bis 2030 einhundert Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen und bis 2040 klimaneutral werden. Aber wir brauchen bei vielen Beschlüssen auch eine größere Mehrheit im Parlament.

Aber für das Klimaschutzgesetz braucht es keine Zweidrittel-Mehrheit.
Nachdem die SPÖ aufgrund ihrer internen Führungsdebatte das Energieeffizienzgesetz blockiert hat, mussten wir es ummodellieren. Deshalb möchte ich an alle politischen Entscheidungsträger appellieren, wieder konstruktiv Verantwortung zu übernehmen. Und, zu den Klimaklebern – die Junge ÖVP hat eine Initiative gestartet: „Anpacken statt Anpicken“, weil viele jungen Menschen sich konstruktiv beteiligen wollen, aber denen geht auch die Klimakleberei auf die Nerven. Das kostet unglaublich viel Steuergeld, nicht nur die Polizei ist involviert, sondern auch die Feuerwehr, wenn irgendwo wieder einmal Öl verschüttet wird. Es verärgert einfach die Menschen, jeder wendet sich kopfschüttelnd ab. Deshalb verfehlt es auch das Ziel.

Genau diesen Elan gab es vonseiten der ÖVP bei den Corona-Demos nicht, da wurde vielmehr Verständnis geäußert. Sind die Klimakleber schlecht weil „grün“ und die Maßnahmengegner waren gut, weil die könnten ja die ÖVP wählen?
Der riesengroße Unterschied ist, dass das angemeldete Demonstrationen waren – also wusste die Exekutive genau Datum und Ort. Bei den Klimaklebern sind die Aktionen nicht bekannt und die Polizei weiß nicht, wo und wann genau diese Aktionen stattfinden.

Also eine Corona-Demo vor einem Kindergarten in Linz ist moralisch höhenwertig, als sich auf die Straße zu setzen und ein paar Autos aufzuhalten?
Inhaltlich beurteile ich das gar nicht, aber es gibt in unserem Land eben Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Aber der riesengroße Unterschied liegt darin: Das eine ist etwas Angemeldetes, die Exekutive weiß, ob und wie sie eingreifen muss und ob der Verkehr anders geregelt werden muss. Und bei den Klimaklebern ist weder Ort noch Zeit bekannt, und das riesengroße Problem ist, wenn Ärzte und Einsatzfahrzeuge nicht vorbei können. Es wurde von den Klimaklebern immer betont, dass die Rettung vorzeitig informiert würde – das hat aber auch nicht stattgefunden.

Zum konkreten Thema: Österreich muss bis 2030 die Emissionen um 48 Prozent senken. Wie soll das gehen?
Aus diesem Grund haben wir Schritte gesetzt, um den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen. Ich komme aus dem Mühlviertel und weiß, dass wir nicht in jedem Dorf eine perfekte öffentliche Verkehrsanbindung schaffen werden. Aber der Umstieg muss gerade in Richtung der Ballungsräume einfacher möglich werden. Darüber hinaus liegt im Bereich der erneuerbaren Energien noch ein großes Potenzial. Österreich kann es schaffen, 100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen abzudecken.
In Oberösterreich wurde erst kürzlich ein Ausbau bei der Windkraft präsentiert und bei den PV-Anlagen gibt es auch einen ordentlichen Boom – den wir natürlich vonseiten des Bundes unterstützen.

Um die Emissionen zu senken, wurde zuletzt sogar ein autofreier Tag ins Spiel gebracht. Würde es sowas mit der ÖVP geben?
Wir müssen in größeren Kategorien denken, wie wir die Energiewende schaffen und CO2 einsparen können. Österreich ist ein kleines Land und nur für 0,2 Prozent des weltweiten CO2-Austoßes verantwortlich. Andere Länder wie China sind für 30 Prozent verantwortlich. Das heißt aber nicht, dass wir uns zurücklehnen dürfen. In Österreich gibt es ein riesiges Potenzial in der Forschung und Entwicklung – Technik aus Österreich wird heute schon in alle Welt exportiert und spart dort zigtausende Tonnen CO2 ein.

Sie haben zuvor die Ablehnung des Energieeffizenzgesetzes, das fixe Regeln für Bundesländer vorgesehen hätte, durch die Bundes-SPÖ kritisiert. Die Landes-SPÖ hat kürzlich das gleiche Gesetz im OÖ. Landtag eingebracht. Dort wurde es von ÖVP und FPÖ abgelehnt. Ist die ÖVP also im Bund anderer Meinung als wie im Land?
Wir sind glasklar einer Meinung, dass man beim Klimaschutz etwas unternehmen muss – und das wird auch auf allen Ebenen gemacht. Gerade beim Energieeffizienzgesetz bin ich von der SPÖ enttäuscht, dass sie auf Bundesebene nicht bereit war eine klare Linie zu zeigen. Die Bundesregierung hat deswegen aber nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern geschaut wie man das Energieeffizienzgesetz so abändern kann, dass es das Parlament passieren kann.

Wenn Sie von der SPÖ enttäuscht sind, dann müssten Sie doch auch von Landeshauptmann Thomas Stelzer enttäuscht sein. Die ÖVP in Oberösterreich hat auch dagegen gestimmt.
Ich kenne jetzt die genauen Details des SPÖ-Antrags in Oberösterreich nicht. Aber gerade in Oberösterreich werden sehr viele Projekte für erneuerbare Energien auf den Weg gebracht – egal ob bei Wind oder PV. Es gibt immer Luft nach oben, aber wir werden die Herausforderung nur durch eine Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden lösen.

Oberösterreich ist ein Unikum beim Jugendschutz. Wie erklären Sie Jugendlichen in den Grenzregionen zu SBG und NÖ, dass man in OÖ eine Stunde kürzer fortgehen darf, als im nächsten Ort über der Landesgrenze?
Ich bin froh, dass wir es nach jahrzehntelangen Debatten geschafft haben, den Jugendschutz in Österreich weitgehend zu harmonisieren. In Oberösterreich gibt es das Spezifikum der Landesgrenze zu Bayern – gerade im Innviertel und im Mühlviertel spürt man das deutlich. Aber der Jugendschutz ist eben Ländermaterie und dort werden die Entscheidungen auch getroffen. Aber bei den Themen Snus, Nikotinbeutel, Tabakmittel oder digitalen Jugendschutz – da wird es ein österreichweit einheitliches Vorgehen geben.

Die ÖVP liegt im Bund derzeit auf Platz drei in vielen Umfragen und tut sich schwer, die jungen Menschen anzusprechen, was Ihnen ein Anliegen sein müsste. Wie kann das bis zum Herbst 2024 noch gelingen?
Der Wahltag ist noch mehr als ein Jahr entfernt, bis dahin muss in der Bundesregierung dafür gearbeitet werden, dass junge Menschen sich etwas schaffen und aufbauen können. Gerade dieses Leistungsversprechen braucht es – nach den letzten, schweren Jahren – mehr denn je. Daher finde ich es enorm wichtig, dass wir Steuererleichterungen forcieren und vorantreiben: Ob Grunderwerbssteuer oder die Abschaffung der kalten Progression, die auch jungen Menschen und jungen Familien zugute kommt.

Soll die ÖVP nach der Wahl in eine Koalition mit der FPÖ gehen?
Die Wahl wird im Herbst nächsten Jahres stattfinden und dann wird man sehen, welche Mehrheiten sich ausgehen. Ich halte nichts davon, im Vorhinein Parteien auszuschließen.

Und wenn der Kanzler Herbert Kickl heißen würde?
Bevor sich solche Fragen stellen, haben die Wähler das Wort. Sie entscheiden, wem sie am meisten vertrauen, wenn es um die Zukunft unseres Landes geht. Jeder kann selbst beantworten, ob er einen Bundeskanzler Kickl oder einen Bundeskanzler Nehammer sehen will.

Soll die ÖVP im Fall des Falles Herbert Kickl zum Kanzler machen?
Solche Fragen stellen sich erst nach einem Wahltag, wenn die Mehrheitsverhältnisse im Parlament klar sind. Ich halte jedenfalls nichts davon, schon vorab zu sagen: „Mit dem kann ich oder mit dem kann ich nicht.“ Unser Motto ist: Weiterarbeiten, denn den Wahlkampf hat die Opposition ohnehin schon eröffnet. Und im nächsten Jahr sind die Wähler bei der Nationalratswahl dann am Wort.

Einen Leserbrief zum Interview finden Sie hier:

Kritik an Klima-Aussagen von Claudia Plakolm (ÖVP)
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