Fronius Solar-Chef Martin Hackl im Interview
"Energiewende muss Vorteile für Europa bringen"

Martin Hackl, Leiter der Solar-Division bei Fronius | Foto: BRS/Siegl
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Martin Hackl leitet die "Solar Energy-Division" beim Fronius-Konzern. Das Industrieunternehmen mit Sitz in Pettenbach und Zentrale in Wels beschäftigt weltweit 8.000 Mitarbeiter und setzt mehr als eine Milliarde Euro um. Im Interview spricht Hackl über das Wechselrichter-Geschäft, die Konkurrenz aus China und wie man ein Maximum an Sonne zum Kunden bringen kann.

BezirksRundSchau: Fronius und die ganze PV-Branche haben ein ziemliches Auf und Ab hinter sich. Wie läuft das Geschäft derzeit?
Hackl:
Es gibt in der Tat eine Nachfragedelle, speziell auf dem europäischen Markt. Zuvor hatte es nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise einen massiven Schub für die Erneuerbaren gegeben – und dieser wurde durch zahlreiche Förderungen nochmals verstärkt. Aber mittlerweile sind die Energiepreise wieder gesunken und es gibt viele Belastungen für die Haushalte, sodass man jeden Euro zweimal umdreht und geplante Investitionen überdenkt. Dasselbe gilt auch bei Unternehmen, die größere Dachanlagen geplant haben – viele Firmen haben derzeit andere Herausforderungen, als jetzt über PV-Anlagen nachzudenken. All das hat zu einer Nachfragedelle zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt geführt. Denn in den letzten beiden Jahren mussten die europäischen Hersteller, und auch wir, stark um elektronische Bauteile aus dem asiatischen Raum kämpfen. Deshalb konnten wir nicht so wachsen, wie wir es eigentlich wollten. Gleichzeitig wurde der Markt massiv von Billigstware aus Asien überschwemmt. Und diese Ware steckt – aufgrund der Nachfragedelle – nun in den Vertriebskanälen, Stichwort: hohe Lagerbestände. Das hat sich auch auf Fronius ausgewirkt, wir haben Personal auf- und unsere Fertigung massiv ausgebaut. In den letzten zwei Jahren wurden 400 Millionen Euro investiert. Alles zusammen ist die aktuelle Situation eine große Herausforderung.

Also merken Sie in Österreich noch kein Anziehen des Geschäfts durch den Entfall der Umsatzsteuer auf PV-Produkte?
Nein, so schnell geht das nicht. Aber grundsätzlich ist die Förderung super – eine sehr unkomplizierte Herangehensweise. Nur die Einführung war sehr holprig, denn es war lange Zeit nicht klar, wie die Details zu interpretieren sind. Dadurch ist auch die Akquise bei vielen Unternehmen zum Erliegen gekommen. Der Markt hat sich im letzten Quartal 2023 schon stark eingebremst und wir glauben auch nicht, dass wir heuer die Vorjahreszahlen in Österreich wieder erreichen.

Wie stellt sich die Situation derzeit für Fronius im Wettbewerb mit Asien, also mit China, dar? Wurden von Anbietern aus Fernost absichtlich Bauteile für europäische Firmen zurückgehalten?
Die Bauteilversorgung hat sich mittlerweile wieder normalisiert. Aber sie war in den Vorjahren definitiv ungleich, denn als wir noch um diese Teile gekämpft haben, sind asiatische Fertigprodukte schon auf unseren Markt gekommen. Und wenn diese Produkte aus Asien in Massen zu uns kommen und gleichzeitig Produzenten in Europa nicht versorgt werden – dann ist das sicher gesteuert.
Generell ist der Wettbewerb ein sehr komplexer und Fronius geht die extra Meile, um Vorteile für den Kunden zu erarbeiten – beispielsweise bei Elektromobilität oder der Wärmerzeugung. Wir haben in diesem Bereich sehr gute Produkte und Lösungen, von der Hardware bis zur Software. Aber es gibt mittlerweile einen globalen Wettkampf um diese Technologien. Im Kern geht es um die Energiesouveränität der einzelnen Länder und Regionen und um eine neue Vormachtstellung. Es steht also nicht mehr nur der Öl- oder Gashahn geopolitisch im Fokus, sondern es geht jetzt in Richtung Elektronik und Produkte, die die Energiewende möglich machen. Und da sind die USA sehr aktiv, die wollen den asiatischen Bestrebungen nicht länger zusehen. China wiederum verfolgt seit vielen Jahren eine gezielte Politik bei den Erneuerbaren und die Auswirkungen sieht man bei den Modulen, die teilweise unter Herstellkosten nach Europa kommen.

Foto: BRS/Siegl

Inwiefern ist das Ganze ein Sicherheitsthema?
Ja, es ist ein ganz drastisches Sicherheitsthema. Die Energiewende ist ein dezentrales Unterfangen und wird in Europa von Millionen einzelner Kraftwerke, also Photovoltaikanlagen, und zigtausenden Windkraftanlagen sichergestellt. Und diese elektronischen Produkte sind natürlich auch über das Internet ansteuerbar. Schlussendlich muss man sich schon fragen, ob es klug ist, wenn Europa in diesem kritischen Bereich der Energieversorgung abhängig von China wird. 

Also geht es um die Daten?
Ja, und um die Fernsteuerung dieser Produkte, denn die müssen in Leistung, Verhalten, Frequenz, usw. geregelt werden. Wenn man ein gewisses Ausmaß an Souveränität in Europa haben möchte, dann braucht man europäische Akteure, die diese Geräte produzieren, ansteuern und betreiben können. Es ist also ein geopolitisches Thema und andererseits spielt die Datensicherheit eine große Rolle. Wir sollten als Europäer jedenfalls darauf schauen, dass die Energiewende auch Vorteile und Wohlstand für die Menschen in Europa bringt – und dazu braucht es eine Industrie, Innovationen in der Region und Unternehmen, die Menschen vor Ort beschäftigen.

Was kann die Politik machen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern?
Die Förderungen sollten stärker an eine regionale Wertschöpfung in Europa geknüpft werden. Deshalb begrüßen wir den Vorstoß der Bundesregierung, einen Made-in-Europe-Bonus einzuführen, also eine zusätzliche Investitionsförderung für PV-Anlagen mit europäischen Komponenten, wie Wechselrichtern von Fronius.
Zentral ist jedenfalls, dass Staaten die Gelder, die sie für die Energiewende ausgeben, mit der Wertschöpfung vor Ort sowie sozialen, ökologischen und Umwelt-Standards verbinden.
Darüber hinaus wäre es in Österreich enorm wichtig, das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) schnellstmöglich zu beschließen – mit diesem Gesetz werden die weiteren Rahmenbedingungen für den Zubau der Photovoltaik festgelegt. Und ebenso muss der Netzausbau beschleunigt werden, um mehr Erneuerbare ins Stromnetz zu bringen.

Foto: BRS/Siegl

Wie viele Wechselrichter produziert Fronius aufgrund der „Nachfragedelle“ derzeit weniger?
Im Schnitt werden in der Solarfertigung 2.300 Wechselrichter pro Tag hergestellt, dieser Wert ist zu Jahresbeginn auf 1.600 Wechselrichter pro Tag gesunken.

Fronius hat 2023 massiv Personal aufgenommen. Jetzt mussten 100 Leasingkräfte abgebaut werden und für die Stammmannschaft wurde der Urlaub verlängert. Wie geht’s da weiter?
Ja, das ist leider eine alles andere als angenehme Situation für uns und unsere Mitarbeiter, aber wir sind optimistisch, dass die Photovoltaik-Nachfrage wieder anzieht und sich die Situation in Richtung Sommer verbessert. Wir haben derzeit 1.300 Personen in der Fertigung in einem Teilzeitmodell, also mit reduzierten Stunden. Wir möchten mit dieser Maßnahme die aktuelle Situation durchtauchen.

Fronius selbst ist komplett aus Gas ausgestiegen – wie läuft das System mit Wärmepumpe und Eisspeicher?
Die letzten Umstellungen sind im Laufe des Vorjahres auf den Weg gebracht worden. Wir haben das System an mehreren Standorten im Einsatz – eine Kombination aus PV am Dach, Wärmepumpe und Eisspeicher mit Tiefensonde. Damit wird der Betrieb beheizt und klimatisiert. Unsere Fertigung in Sattledt ist auch mittlerweile völlig dekarbonisiert, es wurde die Pulverbeschichtung von Gas auf Strom umgestellt. Wir können unsere Produkte also maximal CO2-schonend herstellen.

PV-Paneele, Wechselrichter, Speicher entwickeln sich technologisch rasant weiter. Was hat Fronius technologisch noch im Köcher?
Wir gehen mit unserem neuesten Wechselrichter Verto noch mehr in den Prosumer-Bereich, also in Richtung großer Dachanlagen bei Gewerbe- und Industriebetrieben. Aber grundsätzlich ist unsere Kernkompetenz das Steuern von Energieflüssen und wir möchten mit einfachen Lösungen noch mehr Sonne zu den Verbrauchern bringen – im Bereich Elektromobilität oder in der Wärme- und Kälteerzeugung. Wir haben zudem auch ein Elektromobilitätsangebot namens Emil, das an Firmen gerichtet ist und die Beladung mehrerer E-Autos steuern und kontrollieren kann.

Foto: BRS/Siegl

Was würden Sie einem Häuslbauer raten im Hinblick auf PV – wie holt man das Maximum raus?
Wenn man eine PV-Anlage hat, dann ist es immer gescheit, den Energieverbrauch zu elektrifizieren – also die Sonnenenergie mit den Verbrauchern im Haus zu verknüpfen. Einerseits geht das natürlich beim Heizen via Wärmepumpe, andererseits wird auch das Kühlen im Sommer immer wichtiger. Der nächste Schritt wäre das Brauchwasser – da kann man die überschüssige PV-Energie via Fronius Ohmpilot in Warmwasser verwandeln und damit einen Pufferspeicher aufladen. Und dann haben wir noch die Elektromobilität, da gibt es unseren Wattpilot, der Sonnenenergie und Elektromobilität verknüpft. Und schlussendlich kann man sich noch die Anschaffung eines PV-Speichers überlegen, damit die am Tag erzeugte Energie auch in der Nacht nutzbar wird. Unsere Vision lautet 24 Stunden Sonne.

Also würden Sie sagen, je mehr Eigenverbrauch, desto besser? Und das Einspeisen ist gar nicht so wichtig?
Ja, es ist für die Konsumenten am besten, zu schauen, was man sich sparen kann. Denn die Kilowattstunde, die man aus dem Netz bezieht, ist die teuerste Kilowattstunde. Mit einer Photovoltaikanlage hat man die Möglichkeit, die Energiekosten einzufrieren und nachdem sich die Anlage abbezahlt hat, ist die erzeugte Energie kostenlos.

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