Diskussion im Oberpinzgau: Wie soll die künftige digitale Bildung aussehen?
MITTERSILL. Am 18. Mai hat die Lernende Region im Caritas-Zentrum in Mittersill zu einer Diskussion rund um den Themenbereich „Digitalisierung in der Schule“ eingeladen. Experten sprachen über das kontroversielle Thema „digitale Grundbildung“, welches nach Vorstellung des Bildungsministeriums ab der 4. Volksschule kommen soll. Die Meinungen gehen hier weit auseinander.
Die Rahmenbedingung erläutert
Der Plan des Bildungsministeriums sieht vor, dass an den Volksschulen das Fach „Digitale Kompetenz“ eingeführt und in den Mittelschulen als „verbindliche Übung“ fortgesetzt wird. Tablets bzw. ipads sollen Stift und Heft zum Teil ersetzen und fächerübergreifend integriert werden. PSI Andreas Egger (Pflichtschulinspektor Pongau und Digitalisierungs-Fachmann des Landes), Gesundheitspsychologin Barbara Aigner und Mag. Martin Seibt vom Institut für Medienbildung erläuterten die Rahmenbedingungen, unter welchen diese digitale Schul-Offensive Sinn macht.
Noch ein langer Weg...
„Derzeit gibt es zwar eine Absichtserklärung, hier aktiv zu werden, aber es sind noch sehr viele Fragen offen und der digitale Unterricht in dieser Form wird zunächst nur in einigen Pilotschulen starten“, erklärt Andreas Egger. „Die Schwierigkeiten beginnen bei der Frage, wer die Tablets bezahlen soll und wer bei Beschädigung haften. Aus meiner Sicht kann dies nicht primär dem Schulerhalter aufgebürdet werden, es muss ähnlich wie bei den Schulbüchern laufen. Auch sind teilweise die technischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Netzabdeckung und -anbindung nicht gegeben. Die wichtigste Herausforderung ist allerdings die Schulung der Lehrer, denn hier gibt es im Moment definitiv Defizite. Interessant zu beobachten ist, dass gerade die jüngere Lehrerschaft, die sogenannten „digital Natives“ teilweise keine Notwendigkeit für eine verantwortungsvolle Mediennutzung und Schulung sehen. Wir sind in Salzburg aber dabei, das E-learning in der Fort- und Weiterbildung zu verankern und Bildungs-Betreuer für die einzelnen Standorten zur Verfügung zu stellen. Keinesfalls darf der digitale Unterricht auf Kosten bestehender Fächer gehen, sondern soll parallel zum bestehenden Unterricht integriert und eingesetzt werden!“
"Eltern sind entscheidend"
Barabra Aigner sieht vor allem die Eltern in der Pflicht: „Den verantwortungsvollen Umgang mit Medien müssen die Kinder von den Eltern lernen. Welche Vorbildwirkung entsteht, wenn der Vater immer mit der Zeitung beim Tisch sitzt, oder die Mutter zwar selber ständig das Smartphone benutzt, dem Kind dies aber nicht gestatten will? Verbote sind keine Lösung, sondern sich selber digital fit zu machen und mit dem Kind über Angebote und Gefahren zu sprechen, ist erforderlich!“
„Für unsere Kinder sind Spiele wie etwa ,Lords of Warcraft' ein reales Betätigungsfeld, wo sie soziale Kompetenz lernen, mit vielen Mitspielern über lange Zeit hinweg gemeinsam Strategien entwickeln und wichtige Aufgaben vollbringen“, ergänzt Medienpädagoge Martin Seibt. „Wenn eine Mutter hier dann mitten drin den Stecker zieht, ist eine aggressive Reaktion absolut nachvollziehbar. Die virtuelle und die reale Welt lässt sich heute nicht mehr trennen und tatsächlich können wir mit der Medienerziehung gar nicht früh genug beginnen. In unserer künftigen Arbeitswelt werden die Medien überall präsent sein und unsere Kinder brauchen diese Kompetenzen, um bestehen zu können“, ist er überzeugt.
Kritische Sicht von Lehrerseite
Kritisch sehen das nicht nur manche Eltern, sondern auch Lehrer. „In unserer heutigen Zeit ist alles so schnelllebig geworden, alles muss in kürzester Zeit erlernt werden und wir haben mit Kindern zu tun, die schon gestresst in die Volksschule kommen“, erklärt die Mittersiller VS-Direktorin Barbara Glaser. „Wichtig wäre hier vielmehr Entschleunigung und ein Schutz der Kinder!“.
Ähnlich äußert sich auch Wolfgang Zingerle, Direktor der NMS Mittersill: „Wir haben es hier mit unmündigen Schülern zu tun. Ein Handyverbot stellt zum Beispiel sicher, dass keine unerlaubten Aufnahmen von Lehrern oder Mitschülern gemacht und ins Netz gestellt werden.“ Er berichtet auch von einem Projekt, bei dem die Schüler Hintergründe zu den Gemeinderatswahlen recherchieren sollten. „Die Schüler, die persönliche Interviews geführt haben, erzielten deutlich bessere Ergebnisse als jene, die sich nur im Netz informiert haben!“.
"Die Hälfte der Kommunikation läuft über Mimik, Gestik, Tonfall..."
„Digitale Kommunikation kann niemals die persönliche ersetzten und virtuelle Freunde sind keine echten Freunde“, ist NMS-Elternvereinsobfrau Susanne Radke überzeugt. „Die Hälfte unserer Kommunikation läuft über Mimik, Gestik, Tonfall etc. ab. Ein digitales Gegenüber kann sich jede Identität verleihen, die es will und allen Konflikten kann man sich mit nur einem Mausklick entziehen.“
Auch die Jugendlichen selber sehen Pros und Kontras
Sehr interessant war auch ein Beitrag vom Moderator des Jugendradios Pinzgau, Rafael Obermaier. Er zeichnete Interviews auf, in welchen klar zum Ausdruck kam, dass auch die Jugendlichen zur Frage des digitalen Unterrichts viele Pros und Kontras sehen.
Andreas Egger plädiert für eine sinnvolle Zusammenführung der analogen und digitalen Welt und einer kompetenten Anweisung, die Medien als sinnvolle Werkzeuge zu nutzen. Viel Wahl werde es dabei ohnehin nicht geben; die Digitalisierung lasse sich nicht stoppen, auch wenn im Moment noch niemand wisse, wo die Reise hinführen wird….
Bild Team1, v. li.: Moderatorin (Leader-Gschf.) Georgia Winkler Pletzer, PSI Andreas Egger, Mag. Martin Seibt, Mag. Barbara Aigner, Birigt Weißenbichler-Kallunder (Lernende Region), vorne Rafael Obermaier mit Interviewpartnerin.
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