"Kirche braucht Kritik"
Pfarrer von St. Johann bedauert viele Austritte

Andreas Maria Jakober ist seit 2016 als Pfarrer in St. Johann im Pongau tätig. Er nimmt eine steigende Distanzierung zwischen der Kirche und der Bevölkerung wahr.  | Foto: Felix Hallinger
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  • Andreas Maria Jakober ist seit 2016 als Pfarrer in St. Johann im Pongau tätig. Er nimmt eine steigende Distanzierung zwischen der Kirche und der Bevölkerung wahr.
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Die Zahl der Kirchenaustritte ist auch heuer wieder gestiegen. Der Einfluss der Pandemie sei daran laut Katholikenanwalt genauso Schuld wie die Gratwanderung zwischen konservativen und modernisierenden Forderungen. Der Pfarrer von St. Johann, Andreas Maria Jakober, betont indessen: "Die Kirche braucht Kritik von innen."

SALZBURG, ST. JOHANN. 4.913 Salzburgerinnen und Salzburger sind im Jahr 2022 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Das sind noch einmal um fast 500 Austritte mehr als noch im Vorjahr. Auf Bezirksebene hatte die Stadt Salzburg mit 1.716 die meisten Austritte im ganzen Bundesland. Im Lungau kehrten lediglich 217 Personen der Kirche den Rücken. Im Pongau gab es mit 830 die zweitmeisten Austritte im ganzen Bundesland. Danach folgt der Flachgau mit 817, der Pinzgau mit 702 und der Tennengau mit 631 Austritten.

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Austritte bei Konservativen und Modernisierern

Der Katholikenanwalt der Erzdiözese Salzburg, Christian Schamberger, hat tagtäglich mit Menschen zu tun, die aus der Kirche austreten. Die Entscheidungen hätten oft mit kirchenpolitischen Themen zu tun. "Auf die Jungfrauenweihe im Dom hatten wir heuer beispielsweise viele Reaktionen", schildert Schamberger. Auch der Umgang der Kirche mit der Coronapandemie habe viele Menschen gestört: "Den einen waren unsere Maßnahmen nicht streng genug, andere hätten sich wiederum einen lockereren Umgang mit der Pandemie gewünscht", schildert der Katholikenanwalt. Diese Abneigung gegenüber der Kirche von zwei verschiedenen Seiten bemerke Schamberger in seiner Arbeit aber auch in anderen gesellschaftlichen Debatten: "Konservative Katholiken, denen moderne Äußerungen einzelner Priester etwa zur Homosexualität zu weit gehen, gibt es genauso wie jene, denen die Modernisierung der Kirche nicht schnell genug gehen kann."

Katholikenanwalt Christian Schamberger betont, dass der Kirchenbeitrag angesichts der Teuerung im Bedarfsfall auch neu bewertet werden kann. | Foto: Christian Sreili
  • Katholikenanwalt Christian Schamberger betont, dass der Kirchenbeitrag angesichts der Teuerung im Bedarfsfall auch neu bewertet werden kann.
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Kirchenbeitrag als zusätzlicher Faktor

Der Kirchenbeitrag sei dann oft jener Faktor, der das Fass überlaufen lässt. Meist sei dann eine Kombination aus Kritik an der Kirche und dem jährlichen Beitrag der endgültige Grund für den Austritt "Wenn jemand mit Positionen der Kirche nicht zufrieden ist, stellt er sich eher die Frage, warum er dafür auch noch bezahlen muss", erklärt Schamberger. Auch die Teuerung spiele bei Bedenken bezüglich des Kirchenbeitrags eine Rolle. In derartigen Fällen appelliert der Katholikenanwalt aber, zunächst einmal Kontakt mit der Kirchenbeitragsstelle aufzunehmen. "Viele Beiträge sind nur grob geschätzt, oft sind nach Durchsicht aller Fakten noch Ermäßigungen möglich", stellt Schamberger klar.

Der Umgang der Kirche mit der Coronapandemie hat für Unmut bei manchen Katholiken gesorgt. Einige forderten einen lockereren Umgang, andere mehr Strenge. | Foto: Pixabay
  • Der Umgang der Kirche mit der Coronapandemie hat für Unmut bei manchen Katholiken gesorgt. Einige forderten einen lockereren Umgang, andere mehr Strenge.
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"Kirche braucht Kritik von innen"

Der Pfarrer von St. Johann im Pongau,Andreas Maria Jakober, bedauert die hohe Anzahl an Kirchenaustritten. "Es ist bitter, wenn kirchenkritische Menschen gleich austreten. Das System der Kirche braucht Kritik von innen", stellt Jakober seine Sicht der Dinge dar. Insgesamt nimmt der erfahrene Priester eine verstärkte Distanzierung zwischen der Kirche und der Bevölkerung war: "Das ist in einer Stadt wie St. Johann noch stärker wahrnehmbar als etwa in St. Gilgen, wo ich früher tätig war." Die zunehmende Anonymität in größeren Gemeinden mache außergewöhnliche Aktionen notwendig, um im Bewusstsein der Menschen zu bleiben.

In der Bezirkshauptstadt St. Johann sei die zunehmende Anonymität eine Herausforderung für die Arbeit im Priesteramt. | Foto: Felix Hallinger
  • In der Bezirkshauptstadt St. Johann sei die zunehmende Anonymität eine Herausforderung für die Arbeit im Priesteramt.
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Mehr ehrenamtliches Engagement

Jakober sieht aber auch positive Aspekte in dieser Entwicklung: "Wenn die Gruppendynamik wegfällt, ist die Entscheidung zum Glauben und zur Kirche wieder eine viel bewusstere", ist der gebürtige Pinzgauer überzeugt. Das spiegle sich auch in der ehrenamtlichen Arbeit in der Kirche wieder: "Früher haben der Pfarrer und der Kooperator alles selbst gemacht, heute engagieren sich viel mehr Leute freiwillig etwa bei Krankenbesuchen." Auch in der Arbeit von Christian Schamberger macht sich die bewusstere Auseinandersetzung mit dem Glauben bemerkbar. Die Zahl der Wiedereintritte ist mit 381 im ganzen Bundesland angestiegen. "Das sind oft Menschen, die in der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Endlichkeit bemerkt haben, dass ihnen ohne die Kirche etwas abgeht", schildert der Katholikenanwalt.

Andreas Maria Jakober spart im Gespräch mit MeinBezirk.at nicht mit Kritik an den Strukturen der katholischen Kirche. Er erwartet sich vom Vatikan einen stärkeren Fokus auf Menschlichkeit. | Foto: Felix Hallinger
  • Andreas Maria Jakober spart im Gespräch mit MeinBezirk.at nicht mit Kritik an den Strukturen der katholischen Kirche. Er erwartet sich vom Vatikan einen stärkeren Fokus auf Menschlichkeit.
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"Müssen Stellung der Frau aufwerten"

Für den Pfarrer von St. Johann gibt es zwei entscheidende Punkte, wodurch die Kirche die Zahl der Austritte wieder reduzieren könnte: "Die Kirche muss die Stellung der Frau aufwerten und sich klar zu den Menschenrechten bekennen." Obwohl für Jakober viele Entwicklungen zu langsam gehen würden, attestiert er der Kirche auch Fortschritte: "Über das Zölibat und ähnliche Themen wird heutzutage ganz selbstverständlich diskutiert." Die vergleichsweise modernen Ansätze von Papst Franziskus würden weltweit Diskussionen über bestehende Wertvorstellungen auslösen. Jakober gibt aber auch zu bedenken, dass der Modernisierungsgedanke auch von der jeweiligen Kultur abhängig sei:

"Die katholische Kirche bewegt sich weltweit in verschiedensten Kulturkreisen, wo die Entwicklungsstände der Diskussionen natürlich ganz andere sind. Verschiedene kirchliche Rituale werden ganz selbstverständlich an diese Unterschiede angepasst. Ich verstehe nicht ganz, warum man die Entwicklungen in der Kirche — etwa in Bezug auf das Zölibat oder gleichgeschlechtliche Eheschließungen — nicht diesen Kulturkreisen anpassen kann," erklärt Andreas Maria Jakober.

"Wenn Leute mir erzählen, dass es ihnen gut tue, wie ich ihnen von Gott erzähle", meinte Jakober auf die Frage, was das schönste in seiner Arbeit sei. | Foto: Felix Hallinger
  • "Wenn Leute mir erzählen, dass es ihnen gut tue, wie ich ihnen von Gott erzähle", meinte Jakober auf die Frage, was das schönste in seiner Arbeit sei.
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Das stört den Pfarrer am meisten

Jakober unterscheidet klar zwischen der Kirche als Glaubensgemeinschaft und den damit zusammenhängenden Strukturen. "Ich verstehe die Kirche einerseits als das Volk Gottes. Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht die Erzählung eines heilsamen und wohltuenden Jesus", stellt er klar. Die römisch-katholische Kirche sei andererseits eine menschliche Struktur, an der es viel zu kritisieren gebe. "Am meisten stört mich, dass diese Struktur den liebevollen Gott oft verschwinden lässt. Einfluss und Traditionen sind dann oft wichtiger als Menschlichkeit", schildert Jakober seine Sicht der Dinge.

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