Landwirtschaft
"Kein Bauer bleibt auf seinen Produkten sitzen"

- Landesrat Josef Schwaiger: "Die Ernährungssouveränität ist besonders wichtig in Krisenzeiten. Sie darf nicht aus der Hand geben werden."
- Foto: Land Salzburg – Manuel Horn
- hochgeladen von Julia Hettegger
Salzburgs Landwirte haben in der Krise neue Absatzwege entdeckt. Diesen Aufschwung gilt es zu halten.
SALZBURG. Landesrat Josef Schwaiger, zuständig für Land- und Forstwirtschaft, spricht darüber, wie sich die Landwirtschaft im Lockdown organisiert.
Herr Landesrat, welche coronaspezifischen Themen ergeben sich in der Landwirtschaft? Gibt es andere Hygieneregeln oder einen Mehraufwand in der Produktion?
JOSEF SCHWAIGER: Die Hygienestandards in der Landwirtschaft sind immer schon sehr streng gewesen. Es gibt keine coronaspezifischen Änderungen. In der Direktvermarktung gelten dieselben Auflagen wie im Handel.
Viele Landwirte leben in einem Mehrgenerationenhaushalt. Ist es ein Problem, mit Risikogruppen zusammenzuleben?
JOSEF SCHWAIGER: Ich halte das für einen Vorteil, weil es so auch in einem Haushalt mehr soziale Kontakte gibt. Das macht vieles einfacher und die Vereinsamung ist weniger häufig ein Thema.
Die landwirtschaftlichen Betriebe gehören zur systemerhaltenden Infrastruktur. Gelten für sie daher andere Regeln als für "normale" Haushalte?
JOSEF SCHWAIGER: Die systemerhaltende Infrastruktur ist im kompletten Vollzug durchorganisiert. Es gibt spezielle Auflagen für das Wasser, die Lagerung, die Transportlogistik und die Produktion der Verpackung. Es gibt Überprüfungen der Lebensmittelsicherheit, des Abwassers und der Abfallversorgung. Zum Zeitpunkt einer Krise mussten wir da und dort nachbessern, aber die Gesamtkette hat gehalten.
"Das Bundesinstitut für Risikobewertung: sagt, es gibt keine bekannten Fälle, wo sich Menschen durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmittel mit dem Corona-Virus angesteckt haben. Die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit sagt, es gibt keine Übertragung des Corona-Virus vom Mensch auf das Tier und wieder zum Menschen."
Landesrat Josef Schwaiger
Wenn es zu einer Covid-Erkrankung auf einem Bauernhof kommt und die ganze Familie in Quarantäne muss, wie gelingt die Versorgung des Hofes?
JOSEF SCHWAIGER: Die Hofbewohner dürfen zur Bewirtschaftung das Haus verlassen, wenn Wohnhaus und Betrieb eine Einheit bilden. Kundenkontakt darf es aber nicht geben. Falls aufgrund der Erkrankung niemand den Hof bewirtschaften kann, werden Hilfestellungen geboten.
Man hat das Gefühl, dass die heimische Landwirtschaft bzw. die bäuerlichen Produzenten eher „Gewinner“ der Krise sind. Kann man das so behaupten?
JOSEF SCHWAIGER: Es kam in der Krise zu einem Heimatbewusstsein, das in dieser Breite neu war. Die Salzburger schätzen jetzt noch mehr, dass die Lebensmittelversorgung durch unsere Bauern gut funktioniert. Diesen Aufschwung können wir wahrscheinlich nicht zur Gänze, aber auf einem wesentlich höheren Niveau als vorher, halten. Manche Entwicklungen werden nachhaltig sein. Die Bauern haben flexibel auf die Situation reagiert und sich Gedanken über neue Absatzwege gemacht. Zum Beispiel wurden Gesundheitsbox, Genusskisterl oder Heimatbox zusammengestellt und zugestellt. So sind Produkte aus Wals bis in den Lungau gekommen. Die Landwirtschaft hat also flexibel auf die Situation reagiert und sich innovative Gedanken gemacht.
"Die Ernährungssouveränität ist besonders wichtig in Krisenzeiten. Sie darf nicht aus der Hand geben werden."
Landesrat Josef Schwaiger
Andererseits brechen auch große Abnehmer, z.B. in der Gastronomie, heuer immer wieder weg. Gibt es Probleme, alle Produkte rechtzeitig zu verkaufen?
JOSEF SCHWAIGER: Insgesamt verloren haben z.B. die Marktfahrer, weil Bauernmärkte zwischendurch geschlossen hatten. Der Einzelhandel ist rasch eingesprungen. Im ersten Lockdown hat Spar uns viele Eier abgenommen. Über das Agrarmarketing haben wir auch Abnehmer mit bäuerlichen Betrieben vernetzen können. Niemand ist auf seinen Lebensmitteln sitzengeblieben.
Gibt es im Rahmen der Corona-Krise auch finanzielle Unterstützung/Entschädigungszahlungen für die Landwirtschaft?
JOSEF SCHWAIGER: Es hat Unterstützung aus Landesmitteln gegeben, aber in geringem Ausmaß.
Hat die Corona-Krise und das dadurch entstandene Bewusstsein für regionale Kreisläufe dem Salzburger Agrarmarketing und dem Salzburger Land Herkunftszertifikat in die Hände gespielt?
JOSEF SCHWAIGER: Unser Herkunftszertifikat gibt es seit eineinhalb Jahren. Ohne die Vorarbeit mit breiter Vernetzung, Vermarktungsstrategie und -plattform sowie die Abnehmerakquise hätte die intensive Zusammenarbeit in der Krise nicht funktioniert. Es gab also bereits eine funktionierende Struktur, die wir nutzen konnten. Derzeit gibt es 1.000 zertifizierte Produkte von 160 Produzenten und 70 Gastronomen sind dabei.
In der Krise hat sich auch gezeigt, dass das Arbeiten von Zuhause aus viele Chancen bietet. Sie sind auch zuständig für den Breitband/5G-Ausbau. Wie passt das mit dem ländlichen Raum zusammen?
JOSEF SCHWAIGER: Es gibt viel Kritik zum 5G-Ausbau, aber die Krise hat gezeigt, dass er notwendig ist. Daheim findet zeitgleich Beruf, Schule und Privates statt. Dazu brauchen wir alle das Internet. Salzburg gehört zu den bestversorgten Bundesländern in Österreich. 92 Prozent der Bevölkerung haben eine Breitbandversorgung von 100 MB und mehr. Für die restlichen acht Prozent bauen wir weiter aus. Damit rückt der ländliche Raum näher an die Stadt. Es ist zum ersten Mal egal, wo ich sitze, um meine Arbeit zu verrichten. Das ist ein immenser Fortschritt.
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