Lehre in Salzburg
"Suche jungen, erfahrenen Mann ohne Handicap"
Lehrstellensuchende können im Oktober aus dem Vollen schöpfen. Auf einen Suchenden kommen 6,5 freie Stellen – und das bei Vollbeschäftigung. Diese Schere ist mit Jugendlichen nicht mehr zu schließen, weiß man beim AMS. Gemeinsam mit dem Land, der Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung sucht man nach Lösungen.
SALZBURG. Die Lehrstellenzahlen in Salzburg zeigen eine dramatische Differenz zwischen offenen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden: Mit Anfang Oktober 2021 gibt es im Bundesland 1.557 offene Lehrstellen und 237 Jugendliche, die einen Lehrplatz suchen – also 6,5 Mal mehr Lehrstellen als Interessenten dafür.
- 529 offene Lehrstellen entfallen auf den Tourismus (Beherbergung und Gastronomie)
- Die restlichen 66 Prozent liegen vor allem in den Branchen Handel und Instandhaltung von KFZ, Herstellung von Waren und am Bau.
- Lehrlinge können abseits des Tourismus aus 1.028 Stellen wählen.
Die drei am meisten nachgefragten Lehrberufe in Salzburg sind –
bei Frauen:
- Bürokauffrau
- Friseurin (Stylistin)
- Einzelhandelskauffrau
bei Männern:
- Einzelhandelskaufmann
- Kraftfahrzeugstechniker
- Bürokaufmann
Über-18-Jährige in die Lehre
„Da in Salzburg schon seit Monaten Vollbeschäftigung herrscht, wird es immer schwieriger, mit bewährten Modellen Lehrlinge zu finden. Die aufgehende Schere ist mit Jugendlichen nicht zu schließen", sagt die Landesgeschäftsführerein des Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS) Jacqueline Beyer. Darum forciere das AMS Salzburg schon seit einiger Zeit die Erwachsenenlehre und fördere durch eigene Programme die Lehrausbildung für über 18-Jährige.
Wissenswert: Über die Erwachsenenlehre konnten zwischen Jänner 2016 und September 2021 genau 1.635 Fachkräfte ausgebildet werden. Die Ausbildung von 640 Personen wurde über die AMS-Maßnahme „arbeitsplatznahe Qualifizierung“ gefördert.
"Betriebe müssen Ansprüche anpassen"
Auch die Teillehre für Menschen mit Handicap und die arbeitsplatznahe Qualifizierung seien Wege, mit den offenen Lehrstellen umzugehen, so Beyer. "Es ist wichtig, dass die Betriebe aus dem gesamten Potenzial der Arbeitskräfte schöpfen. Denn wer bestimmt Gruppen – z.B. ältere Menschen oder Jüngere, Frauen oder Männer, oder gesundheitlich benachteiligte Menschen – von vornherein bei der Personalsuche ausschließt, reduziert die Anzahl der möglichen BewerberInnen markant", sagt Beyer.
Gesucht: jung, erfahren, männlich und nur kurz arbeitslos
Konkret würden Betriebe häufig Männer bevorzugen, die jung sind, aber trotzdem viel Berufserfahrung haben, keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweisen und nicht länger als ein Jahr arbeitslos sind. "Damit bleiben nur 7 Prozent des Arbeitslosenpotentiales übrig", sagt Beyer, die den Ansprüchen mit Aufklärungsarbeit in den Betriebe begegnen will.
Allianz für Wachstum und Beschäftigung
Nach wie vor will Landeshauptmann Wilfried Haslauer Salzburg zum lehrlingsfreundlichsten Bundesland Österreichs machen. "Es wurde eine Koordinationsstelle eingerichtet, die dem engen Informationsaustausch zwischen den Allianzpartnern* dient, die Vernetzung von Lehrlingen und Lehrstellenanbietern verbessern und aktuelle, zielgruppengerechte Informationen verbreiten soll. Mir geht es vor allem darum, die vielfältigen Wege der Berufsmöglichkeiten aufzuzeigen und das Image der Lehre noch weiter zu verbessern.“
*„Allianz für Wachstum und Beschäftigung“, bestehend aus Land, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung und Arbeitsmarktservice.
Lehre mit Matura in Salzburg gut angenommen
Weiterhin setzt Salzburg auf die Lehre mit Matura, mit dem Ziel, die Lehre attraktiver zu machen, indem parallel zur Berufsausbildung die allgemeine Hochschulreife absolviert werden kann.
Wissenswert: In Salzburg startet fast jeder fünfte Lehrling (18%) die Lehre mit Matura. Das ist doppelt so viel im Österreich-Schnitt (9%). Die durchschnittliche Erfolgsquote beträgt 92 Prozent.
Projekt „Du kannst was“
Angesichts des Fachkräftemangels verweist Hilla Lindhuber, Leiterin der Arbeiterkammer-Bildungsabteilung, auf das Projekt „Du kannst was“, das in Kooperation mit Land, WK, AMS, BFI, TAZ und WIFI angeboten wird. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, des Landes und der AK Salzburg.
„Bei 'Du kannst was' können sich ArbeitnehmerInnen mit guten beruflichen Fähigkeiten ihr erworbenes Know-how anerkennen lassen. Die fehlenden Kenntnisse werden punktgenau durch Weiterbildung erworben. Nach erfolgreicher Prüfung wird das Lehrabschlusszeugnis verliehen", erklärt Lindhuber.
Lehrlinge sind mit ihrer Ausbildung zufrieden
Für die Wirtschaftskammer Salzburg (WKS) mit Präsidenten Peter Buchmüller ist die Lehre noch immer eine wichtige Ausbildungsform: 45 Prozent aller 15-Jähringen in Salzburg wählen die Lehre, der Rest verteilt sich auf einzelne Schultypen. "Laut einer aktuellen Umfrage des market-Instituts zählt der der Lehrabschluss in der Gesamtbevölkerung am meisten. Wenn man danach fragt, welche Bildungsabschlüsse im Hinblick auf Fachkräfte und den Wirtschaftsstandort besonders wichtig sind, sagen 84 Prozent der Bevölkerung: ein Lehrabschluss ist für den Standort besonders relevant; dem folgt mit 81 Prozent die Meisterprüfung und mit 74 Prozent der Abschluss einer Fachhochschule", sagt Buchmüller. "Auch die Lehrlinge selbst stellen der Lehre ein sehr gutes Zeugnis aus: 80 Prozent der Lehrlinge sind laut einer Umfrage der WKÖ vom September 2021 zufrieden und sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung."
Gezielt selbst ausbilden
Auf "Eigenbau", also eine innerbetriebliche Lehrlingsausbildung, setzen die Industriebetriebe in Salzburg. "So können unsere Mitgliedsbetriebe gezielt notwendige Fertigkeiten und Schlüsselqualifikationen – vor allem in den MINT-Bereichen – selbst schulen", sagt der Präsident der Salzburger Industriellenvereinigung, Peter Unterkofler.
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