Sind's genug der Touristen in Engelhartszell?
Teils tausend Touristen am Tag "stürmen" die Gemeinde an der Donau. Das gefällt nicht jedem Bürger – neuer Agenda 21 Prozess soll's richten.
ENGELHARTSZELL (ska). Der Boom in der Kreuzfahrtschifffahrt hat die Gemeinde regelrecht überrollt: Waren es zu zuvor 30 Anlegungen im Jahr sind es heuer bis zu 500 – drei bis vier am Tag mit bis zu 200 Passagieren pro Schiff. Hinzu kommen die Passagiere der Linienschiffe und die Radfahrer.
Befürchtung: Noch mehr Anlegestellen in Engelhartszell?
"Für die Einen ist dieser Tourismus eine Chance", sagt Bürgermeister Roland Pichler und nennt die Gastronomie- und Gewerbebetriebe in Engelhartszell. Für andere sei es eine Belastung. Etwa durch den Lärm, der entsteht. "Wie müssen aufpassen, dass der Tourismus im Rahmen bleibt", macht der Ortschef deutlich. Insbesondere weil Bürger ihm zufolge befürchten, es könnten den vier bestehenden noch weitere Anlegestellen in Engelhartszell folgen. "Dem ist nicht so. Mit den vier Anlegestellen ist die Grenze erreicht."
Workshop: Bürger werden durch Zufallsprinzip ausgewählt
Lösungsvorschläge soll ein neuer Agenda 21 Prozess bringen. Diesen hat die Gemeinde Anfang Februar mit dem Ausschicken von Fragebögen gestartet. Es ist der zweite Prozess innerhalb von zehn Jahren für die Gemeinde an der Donau. Im ersten, der 2008 abgeschlossen wurde, ging es verstärkt um soziale Themen. Eine Katholische Männerbewegung und die "Gesunde Gemeinde" gingen daraus hervor, wie sich der Bürgermeister erinnert. Jetzt liegt ein Fokus auf dem Tourismus. "Aber auch in anderen Themenbereichen sind die Bürger aufgerufen, mitzuentscheiden", hofft Pichler auf große Beteiligung. Fünf Prozent der Fragebögen kamen ausgefüllt zurück. Der nächste Schritt ist ein Workshop Mitte Mai, dessen Teilnehmer durch Zufallsprinzip ausgewählt werden.
Regionales an Bord: Stiftsbier und 30.000 Rosen
Damit die Wirtschaft noch mehr von der Kreuzschifffahrt profitiert, schwebt dem Bürgermeister eine Kooperation vor. "Wir sind mit der Reederei im Gespräch, dass diese regionale Produkte ankaufen. Dazu möchten wir auch die Leader-Region Sauwald Pramtal und das Mühlviertel mit ins Boot holen", beschreibt er. Bereits jetzt werde an Bord etwa Stiftsbier getrunken. Und: Auch eine Gärtnerei könnte laut Pichler zum Zug kommen, denn an die weiblichen Gäste werden im Jahr rund 30.000 Rosen verschenkt.
Außerdem soll es eine Fokusgruppe mit Gastronomietreibenden geben. "Wir hatten im Herbst den Fall, dass alle Wirtshäuser – und es sind alleine acht im Ortszentrum – zeitgleich geschlossen hatten", berichtet Pichler. "Das ist nicht nur für die Touristen, sondern auch für die Einheimischen ein Problem."
Wohngemeinde: Geburtenrate unter 1 Prozent
"Ohne Tourismus wären wir nicht da, wo wir jetzt sind", ist sich der Bürgermeister sicher. Trotzdem solle er nicht die Gemeinde bestimmen. "Wir möchten wieder eine Wohngemeinde werden", macht Pichler deutlich. Die Gemeinde muss sich zur Zeit mit einer Geburtenrate von 0,7 Prozent zufrieden geben. "Es ist ein Kommen und Gehen bei uns." Das schreibt Pichler fehlender "Heimatverbundenheit" in Engelhartszell zu. "Wir waren nie eine landwirtschaftliche geprägte Gemeinde. Bei uns findet man nicht viele Familien, die Generationen hier leben", weiß er.
Genau deshalb wünscht er sich, dass die Bürger sagen, was ihnen fehlt und was sie sich wünschen. "Wir müssen gemeinsam die Herausforderungen meistern", sagt er und hofft auf viel Beteiligung. Übrigens: Beim Workshop sind weder der Bürgermeister noch andere Mitglieder der Agenda 21-Steuerungsgruppe anwesend, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, unbefangen zu sprechen.
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