Märchen und Geschichten aus dem Bezirk Steyr für Kinder, Kindsköpfe und Kind Gebliebene – Teil 5

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Traditionen und Bräuche rund ums Kletzenbrot

Diese Woche will ich über eine alte Tradition berichten, eine Leckerei, deren Duft ich seit meiner frühen Kindheit ganz eng mit Advent und Weihnachten verknüpfe.

Das Kletzenbrot gehört bei uns in Oberösterreich zum Advent, wie der Punschstand zum Adventmarkt, das Christkind zur Krippe, die Percht zum Perchtenlauf. Rezepte gibt es viele. Häufig werden diese von Generation zu Generation in der Familie weitergereicht. Auch bei uns war das so. Meine Mutter hat die süße Tradition von der Großmutter übernommen, die das Rezept wiederum von ihrer Mutter hatte.

Mit den Vorbereitungen zum Backen des duftenden Brauchtumsbrotes wird schon im Oktober begonnen, nämlich dann, wenn die Hauptkomponente, die heimischen Kletzenbirnen, reif werden. Zum Dörren verwendet meine Mutter allerdings die "Wienerwitzbirne". Sie wächst bei uns im Hausgarten und eignet sich ebenfalls recht gut fürs Kletzenbrot. Auf dem Dörrapparat werden die ganzen Birnen bei niedriger Stufe über Nacht getrocknet und dann bis Anfang Dezember in der Speis gelagert. Um den ersten Adventsonntag herum – traditionell wird das Kletzenbrot ab dem Andreastag, dem 30. November, gebacken – ist es dann soweit. Die Kletzen werden aufgekocht, dann muss man sie gut ziehen lassen. Der Sud wird aufbewahrt, denn er kommt später – nach Belieben – in die Früchtemasse. Sind die Kletzen ausgekühlt, so werden sie geputzt, also von Stängel und Blütenstand befreit. Nun werden die im Ganzen gedörrten Birnen faschiert und im großen Weidling mit Rosinen, Feigen Aranzini, gehackten oder geriebenen Nüssen, Rum, etwas Kletzensud, Zucker und Lebkuchengewürz abgemischt und verknetet. Damit sich das Aroma entfalten kann, wird die Mischung abermals über Nacht stehen gelassen.

Der Teigmantel wird am nächsten Tag aus Briocheteig hergestellt (früher nahm man dazu auch häufig den Teig des weißen Störibrotes). 1/3 des Teiges kommt unter die Kletzenmasse. Sobald Teig und Kletzenmasse fertig abgeknetet und zu Laiben geformt sind, werden sie in den ausgewalkten Briocheteig eingeschlagen und im vorgeheizten Backrohr etwa 1 bis 1 1/2 Stunden gebacken. Indikator ist hier die Bräune des Teigmantels.

Das Kletzenbrot meiner Mutter wird nach alter Tradition nicht verkauft. Als Weihnachtsgeschenk ergehen die saftigen Laibe vor allem an ihre Schwester, aber auch Freunde und Verwandte bekommen alle Jahre eines unter den Christbaum gelegt.

Haltbarmachung und Lagerung früher

"Früher dienten Kletzenbrot und Störibrot vor allem als Weihnachtsgeschenk für die Dienstboten", erzählte mir meine Großtante, Berta Walter. Gerne erinnerte sich die 85-Jährige zurück, wie ihre Mutter jedes Jahr viele Stunden lang Kletzenbrot- und Störilaibe gebacken hatte. Die Kletzenbirnbäume auch bei ihr daheim standen hinterm Haus. Bevor die Birnen zum Dörren ins Backrohr des Holzofens kamen, wurden sie unter einer Schicht Heu im Heuboden gelagert. So wurden sie weich, ohne zu verschimmeln. "Meine Eltern machten das so mit dem Obst, das als Wintervorrat eingelagert wurde", erinnert sich auch meine Mutter.

Ist das Rezept aus der Region?
Als ich kürzlich wieder einmal bei Großtante Berta zu Besuch war und wir zufällig aufs Kletzenbrot zu sprechen kamen, kam mir plötzlich eine Frage in den Sinn: "Ist unser Rezept ein für die Region typisches, oder hatte es die Urgroßmutter aus ihrer Heimat Deutschland mitgebracht?"

"Nein, nein, das alte Familienrezept gehört schon in unsere Region", zerstreute Tante Berta meine Bedenken und erzählte, wie ihre Mutter das Rezept in den 1920er-Jahren von den umliegenden Bäuerinnen "erfragt" hatte, um den traditionsbedingten Anforderungen eines bäuerliches Hauswesens gerecht zu werden. Von Aschach weg bis hinein ins Oberösterreichische Ennstal, wird das Kletzenbrot meist mit Brotteig ummantelt.

7 verschiedene Brotsorten musst du essen, dann wird’s im kommenden Jahr was mit dem Heiraten

Auch in puncto Brauchtum ist das Kletzenbrot sehr ergiebig. Je nach Region sollen heiratsfähige Mädchen und Burschen 7 oder 9 verschiedene Kletzenbrote (von verschiedenen Herstellern) essen, um im darauffolgenden Jahr den Bund fürs Leben schließen zu können.

Beim Störibrotanschneiden am Stefanitag, dem 26. Dezember, wird ebenfalls häufig aufs Kletzenbrot zurückgegriffen. Bräuche beim Anschneiden gibt es fast so viele wie Burschengruppen, die umherziehen. Grundsatz ist jedenfalls, dass der Laib auf der Anschnittstelle stehen und der Scherz in einer Zündholzschachtel Platz haben muss.

Geschichtliches über die Kletzenbirnen.

Gedörrt, also haltbar gemacht, hat man Birnen schon zur Römerzeit. Dörrbirnen und anderes gedörrtes Obst gehörten im Winter als Vitamin- und Zuckerspender regelmäßig auf den Speiseplan der ländlichen Bevölkerung.

Kletzenbrot schenken heißt Zeit schenken

Wer Kletzenbrot oder Gedörrtes selber zubereiten und verschenken will, braucht vor allem eines – viel Zeit – und die ist bekanntlich eines der wertvollsten Güter in unserem gehetzten Alltag geworden!

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