JOHANNISBEERE. Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 106

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Gestern war das Fest des Heiligen Johannes. Perfekt getimed sind im Garten  die Johannisbeeren oder schwarzen Ribiseln herangereift, die wir gern zu Saft und Ribiselmarmelade verarbeiten. Durch ihren hohen Gehalt an Vitamin C und ihre hochwertigen Sekundären Pflanzenstoffe gehören sie zu den gesündesten Beeren überhaupt. Außerdem sollen sie bei Gicht und Entzündungen der Harnwege helfen, gut für die Leber und ein super Vorbeugemittel gegen Erkältungen sein. Bei Verbrennungen sollen die aufgelegten zerquetschten Früchte ebenfalls heilend wirken.

Im Schnaps angesetzt bevorzuge ich persönlich Vodka, da er einen feineren Geschmack verleiht. Als ich im Kräuterbuch nachschlug um eigentlich nach anderen Sonnwendkräutern zu suchen, bin ich eher zufällig über die Johannisbeere gestolpert. Was Siegrid Hirsch über sie und ihre Magie geschrieben hat, ließ sofort ein Märchen in meiner Fantasie heranreifen... Einen schönen Sommer-Höhepunkt wünsche ich!

Vor vielen Jahren da lebte eine Frau die sich nichts sehnlicher wünschte als ein Kind. Sie betete, fastete, ging Wallfahrten und suchte die verschiedensten Kräuterfrauen auf. Nichts schien jedoch zu helfen. Als das 40. Lebensjahr heranrückte und sie noch immer nicht schwanger war, wollte sie die Hoffnung aufgeben. Doch da schienen ihre Gebete in letzter Sekunde erhört worden zu sein. Und bald darauf konnten sie und ihr Mann ein kleines Mädchen in Händen halten, das sie über alle Maßen liebten. Doch war es sehr klein und schwach und die Frau hatte kaum Milch. 

Alles versuchten die beiden um ihren Sonnenschein aufzupeppeln. Doch das kleine Mädchen blieb schwächlich und als der Winter kam, da raffte es eine Erkältung dahin. Es war, als würde ein Fluch auf der armen Familie liegen. Sie betteten das Kindlein in einen hölzernen Sarg und begleiteten es auf seinem letzten Weg. Die Frau aber, sprach von Stund an kein Wort mehr. Kaum einen Bissen brachte sie hinunter und wurde dünner und dünner. 

Als das Frühjahr dem Sommer wich und die Zeit der Sommersonnenwende heranrückte, war die Frau so schwach geworden, das sie nicht einmal mehr die Kraft besaß, sich von ihrem Lager zu erheben. 

Da schien auch den armen Mann der Wahnsinn zu packen. Er konnte das alles einfach nicht mehr ertragen. Sollte er nun auch noch seine geliebte Frau verlieren? Am Tag vor Johannis , der eigentlich sein Namenstag war, lief er blind vor Tränen in den Wald hinein, strauchelte, verfing sich in einer Dornenstaude und blieb bewusstlos am Waldboden liegen. Als er dich Augen aufschlug, saß vor ihm ein Mädchen mit Flügeln, schwarzen Haaren und einem Kleid, dass die Farbe reifer Johannisbeeren trug. Sanft strich sie ihm mit einem feuchten Tuch über Stirn und Augen. "Johannes," so sprach sie ihn an. "Du bist ein guter Mann. Doch über eurem Haus da liegt ein Fluch! Euer Töchterchen war gekommen, um ihn zu durchbrechen. Aber es war zu schwach!" Da begann Johannes wild zu schluchzen. "Weine nicht Johannes!" fuhr der Pflanzengeist fort. "Nichts ist verloren, solange DU den Glauben nicht verlierst! Den Glauben, dass zuletzt das Gute siegen wird!" "Aber wie soll das gehen?" fragte Johannes mit vergrämten Gesicht.  "Mein Kind ist tot und wenn kein Wunder geschieht, so stirbt auch meine geliebte Frau!" " So höre, Johannes! Hör mir gut zu! Vor wenigen Tagen war Sommersonnenwende, der Tag der Wünsche, Tag der Magie. Deine inständigen Gebete wurden erhört. Heute, an deinem Namenstag sollst du Gelegenheit bekommen, alles zum Guten zu wenden!" Der vom Schicksal gebeutelte Mann starrte den Pflanzengeist ungläubig an. "Und woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sprichst? Wer bist du?" Da streckte ihm das Mädchen mit einem Lächeln die Hand entgegen. Als Johannes einschlug, stellte sie sich mit einem kleinen Knicks vor: "Ich bin Ribes Nigra, der Pflanzengeist der Johannesbeere. Sie ist deine Schutzpflanze, da auch dein Namenspatron Johannes der Täufer ist. 

Aber nun höre! Pflücke bis zum Abend alle Beeren ab. Aber pass auf, egal wie sehr Hunger und Durst dich plagen, du darfst keine einzige davon essen, denn die Beeren sind für die verstorbenen Kinder. Ein Engel wird sie holen, um sie unter ihnen aufzuteilen. Deine Johannisbeeren können deinem Kind dort drüben genug Kraft verleihen, um noch einmal als Neugeborenes auf die Erde zurückzukehren. Isst du jedoch eine einzige Beere, so wird für dein Kind keine übrig sein und es ist alles verloren!" Mit diesen Worten verschwand Ribes Nigra. Nur ein zartes Weidenkörbchen erinnerte an ihre Anwesenheit. 

Johannes machte sich sofort ans Werk. Doch bald plagten ihn Hunger und Durst so sehr, dass ihm ganz schwindelig wurde. Sollte er nicht doch eine Beere probieren? Nein! Er durfte nichts riskieren. Der Wille Frau und Kind zu retten, ließ ihn bis zum Abend durchhalten. Als er die letzte Beere noch in Händen hielt, brach er bewusstlos zusammen. 

War alles nur ein Traum? Fragte er sich, als er am frühen Morgen des Johannistages die Augen aufschlug. Von den Beeren war keine Spur mehr zu sehen. Da erblickte er neben sich eine kleine weiße Feder -  so mussten die Federn der Engel aussehen...

Johannes bückte sich, hob sie auf und machte sich auf den Heimweg. Obwohl er es kaum wagen wollte, keimte in ihm eine leise Hoffnung. 

Draußen auf der Hausbank saß seine Frau, neben ihr eine weitere im Gewand einer Nonne. Auf dem wackeligen  hölzernen Tischlein vor ihnen, stand eine Schüssel mit glänzenden schwarzen Ribiseln. Seine Frau nippte vorsichtig an einer Tasse Tee, die ihr die Ordensfrau reichte. 

Ich bin Hildegard, stellte sich die Ordensfrau mit einem gütigen Lächeln vor. Auf dem Weg zurück ins Kloster, habe ich mich gestern im Wald verirrt. Dabei kam ich zu eurer Hütte. Deine Frau wird wieder gesund. Gib ihr von den schwarzen Beeren hier, solange du welche findest. Aus einigen bereite Sirup. Auch ihn soll sie, zusammen mit diesem Tee hier, noch einige Zeit trinken. Dann wird sich alles zum Guten wenden. 

Johannes war erstaunt, wie rasch die Genesung seiner Frau voranging und sobald es ging, baute er ihr ein neues Haus, in das sie alsbald übersiedelten.  Als ein Jahr vergangen war, brachte Johannes Frau trotz ihres fortgeschrittenen Alters erneut ein Kind zur Welt. Es war diesmal zwar ein Bub, aber er schaute  seine überglücklichen Eltern aus den gleichen weisen grauen Augen an, wie es einst das Schwesterlein getan hatte. Da Griff Johannes mit Tränen in den Augen nach der Engelsfeder in seiner Tasche. Alles wird gut, dachte er, solange du deinen Glauben behältst...

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