GUNDELREBE. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene – Teil 47

Wie die Gundel ihr Glück gefunden hat …

Vor langer Zeit lebte am Rande vom Hausruckwald der Kronstein-Bauer. Er war verwitwet und hatte sieben Töchter. Die Älteste, sie war auf den Namen Gundel getauft, half ihm schon recht tüchtig bei der Arbeit – vor allem beim Kinder hüten. Trotzdem haderte der Witwer oft mit seinem Schicksal und war unzufrieden. Da half nichts anderes, als seinen Kummer beim Krögner Wirt in ein paar Schnapserln zu ertränken. Aber in letzter Zeit konnte ihn auch der Rausch nicht mehr so recht besänftigen. Er wurde nur noch unzufriedener. Wenn er vom Wirtshaus heimkam, zog er die Gundel an den Haaren und zauste die kleineren Mädchen, bis allesamt Reißaus nahmen und oben auf dem Heustock warteten, bis der Vater den Rausch ausgeschlafen hatte.

Wer aber war Schuld an dem Unglück? Natürlich die Frauen. Für seine erste Frau, die schöne Ursula, wollte er die Sterne vom Himmel holen. Wie stolz war er gewesen als er, der kleine Kronstein-Bauer, das schönste Mädchen im Dorf als seine Braut heimgebracht hatte. Doch das Glück sollte nur knapp ein Jahr dauern. Ursula war bei Gundels Geburt gestorben. Und das konnte er, auch wenn er es nicht zugab, seiner Ältesten nicht verzeihen. Es dauerte sieben Jahre, bis er sich wieder in den Bund der Ehe wagte. Eine brave anständige Frau war sie, die Barbara – und fleißig obendrein. Aber auch sie konnte ihm den lang ersehnten Erben nicht schenken. Es waren wieder nur sechs Dirndln. Und jetzt war er wieder allein. Die Arbeit wuchs ihm über den Kopf und von den kleinen Mädchen konnte er sich keine Hilfe erwarten, sie waren ihm eher eine Last.

Als er am Sonntagabend wieder beim Wirt unten saß, draußen prasselte der Regen wie aus Kannen auf die Schindeln herunter, betrat ein Fremder die Wirtsstube. Er war auf dem Weg ins Salzburgische vom Unwetter überrascht worden und hatte viel zu erzählen. „Habt ihr schon gehört, was dem Herrn von Uttendorf passiert ist? Auf seinem Gut ist ihm der halbe Viehbestand verreckt und um den Rest soll‘s auch nicht gut bestellt sein. Als hätt’ er damit nicht schon genug Sorgen, soll‘s auch seinem Sohn, dem jungen Herrn Gebhart, seit Monaten nicht besonders gut gehen. Blass und schmal sieht er aus, und will sich am Leben gar nicht mehr freuen. Grund ist angeblich der all zu frühe Tod vom jungen Fräulein von Hartenstein, das er hätt’ heiraten wollen. Die Schwindsucht hat sie dahingerafft. Nun glaubt der Herr Uttendorf, seine Familie wäre gar verhext worden. Und weil ihm eine alte Seherin gesagt hat, dass ihm nur ein junges Mädchen helfen könne, will er derjenigen seinen Sohn zum Manne geben, die den Fluch lösen könne.“

Diese Geschichte wollte dem reichlich beduselten Kronstein-Bauern nicht mehr aus dem Sinn gehen. Zu Hause angekommen, polterte er in die „Menschakammer“, riss Gundel grob aus dem Bett und zerrte sie hinter sich her in die Stube. „Pack deine Sachen, wir gehen nach Uttendorf hinüber!“, befahl ihr der Vater schroff. „Die zu Tode erschrockene Gundel tat wie ihr geheißen, weil sie ja wusste, dass ihn ein „Nein“ in diesem Zustand nur erzürnen würde. Insgeheim betete sie jedoch inbrünstig, dass der Vater bald wieder zur Vernunft kommen möge.

Draußen war es bitter kalt. Ein fahler Herbstmond tauchte den Weg in gespenstisches Licht. Der Kronsteiner schritt wortlos dahin. Die arme Gundel neben ihm zitterte vor Angst und Kälte. Beim Schloss angekommen, hielt er noch einmal kurz vor dem großen Tor inne, dann klopfte er, ohne sich noch einmal umzudrehen. „Hier habt ihr meine Tochter“, bedeutete er dem stattlichen Diener, der ihm auftat. „Sie hat besondere Fähigkeiten. Ich bin mir sicher, sie kann dem Herrn helfen.“ Bevor die Gundel wusste, wie ihr geschah, war der Vater auch schon wieder fort und der Diener brachte sie in eine kärglich ausgestattete Kammer. „Hier findet ihr ein Bett für die Nacht. Am nächsten Morgen bringe ich euch zum Herren.“ Als das arme Mädel nun mutterseelenalleine in der fremden Kammer saß, musste es bitterlich weinen. Wusste es doch weder warum sie hier war, noch was ihr widerfahren würde.

Auch der junge Herr Gebhart konnte nicht schlafen. Wieder und wieder musste er an das schreckliche Unglück denken, das ihm widerfahren war. Als er das herzzerreißende Schluchzen hörte, schlich er sich hinunter um nachzusehen. Ganz leise öffnete er die Tür zu Gundels Kammer. Da blieb er wie angewurzelt stehen. „Wer war dieses bildhübsche Geschöpf, und warum weinte es so bitterlich?“ Da schreckte auch die Gundel hoch und sah den jungen Herren mit großen, angstvollen Augen an. „Wer seid ihr und was wollt ihr von mir? Wisst IHR, warum ich hier bin?“

Da begann Gebhart zu erzählen. Gundel war eine gute Zuhörerin und nach und nach redete sich Gebhart den ganzen Kummer, der sich über die letzten Monate angestaut hatte, von der Seele. Es war ihm, als hätte jemand einen Mühlstein von seiner Seele genommen. Auch die Gundel, die auf ihre 16 Jahre schon recht klug war, konnte sich nun einen Reim darauf machen, was sich der Vater da im Rausch zusammengesponnen hatte. Aber was sollte sie jetzt tun? Zaubern konnte sie beim besten Willen nicht – wie sollte sie bloß eine ganze Rinderherde kurieren und den jungen Herren noch dazu? Hatte er nicht gesagt, dass jede Hochstaplerin, die ihr Glück durch eine Lüge begründen wolle, des Landes verwiesen und verbannt werden würde!“ Ihre Tränen begannen von neuem zu fließen. Als Gebhart sie in den Arm nahm, um sie zu trösten – er konnte es nicht mitansehen, wenn dieses saubere Dirndl so traurig war – musste auch er weinen. Niemand bemerkte, dass ihrer beider Tränen auf eine kleine grüne Ranke Erdefeu tropfte, die aus einer Mauerritze wuchs. „Ich werde mit dem Vater reden“, versprach der junge Edelmann, bevor er sie verließ.

„Pst, Pst, komm’, schöne Jungfer, ich will dir helfen,“ flüsterte es aus einem Winkel der Kammer. Das Mädchen aber konnte niemanden erblicken. „Hier unten, ich bin es, die kleine grüne Ranke hier“. Nun entdeckte auch die Gundel das Pflänzlein mit den zarten lila Blüten, das da offensichtlich zum Leben erwacht war. „Hab keine Angst mein Kind. Ich will dir helfen. Eure Tränen haben mich lebendig werden lassen. So habe ich auch eure Geschichten mitangehört! Geh morgen um die zwölfte Stunde hinaus vor die Schlossmauer, dort wachsen meine Brüder und Schwestern. Pflücke ein paar Reben ab und winde daraus ein Kränzlein. Dann pflückst du dir noch ein paar weitere Zweige, die du zusammengeschnitten mit Hafer und Salz vermischt und an die kranken Kühe verfütterst. Du wirst sehen, sie sind im Handumdrehen wieder gesund. Beim ersten Melken aber musst du die Milch durch das Kränzchen hindurchmelken. Nur so kann die Verwünschung aufgelöst werden. „Aber vergiss dabei nicht auf die Worte: „Kuh, hier geb’ ich dir Gundelreben, dass du mir die Milch wollst geben!“

Die Gundel bedankte sich bei dem Pflänzlein, versprach ihm, es gleich morgen früh ausreichend zu gießen und legte sich, unendlich erleichtert, schlafen. Als die ersten Sonnenstrahlen durch das vergittere Fenster lachten, kam auch schon der Diener und brachte sie zum Herren von Uttendorf. „Man hat mir gesagt, du könntest uns helfen und die Verhexung auflösen. Das ist gut. Schaffst du es, so will ich dich Gebhart, meinem einzigen Sohn, zur Frau geben. Aber ich warne dich! War alles nur leere Prahlerei, wirst du verbannt und darfst nie mehr in deine Heimat zurückkehren. Für Schwindler und Betrüger habe ich nichts übrig!“ „Wie lange habe ich Zeit?“, fragte Gundel mit einem dicken Kloß im Hals. „Bis zum nächsten Vollmond! Bis dahin wirst du weiter bei uns im Schloss wohnen bleiben.“

Die fleißige Gundel machte sich gleich ans Werk. Sie suchte die Erdefeu-Pflänzchen. Wand ein Kränzchen, schnitt Blätter und vermengte sie mit Hafer und Salz. Dann verfütterte sie diese Mischung an die Kühe. Und siehe da, nach einer Woche ging es dem ganzen Tierbestand schon wesentlich besser. Als drei Wochen um waren, molk sie die Kühe zum ersten Mal. Während sie mit dem Milchstrahl durch das Kränzchen zielte, sagte sie: „Kuh, hier geb’ ich dir Gundelreben, dass du mir die Milch wolltst geben.“ Wohlgefällig beobachtete auch der Schlossherr die Fortschritte, die Gundel mit seiner Rinderherde machte. Nur der Gebhart machte ihm weiterhin Sorgen. Die Blässe war noch immer nicht aus seinem Gesicht gewichen, dabei wirkte er unruhiger denn je.

Gebhart wiederum hatte sich unsterblich in Gundel verliebt. Vor lauter Angst, dass sie des Vaters Forderungen nicht erfüllen könne, konnte er allerdings nicht mehr schlafen. Und auch sein Appetit war ihm abhanden gekommen. Doch auch für ihn wusste die kleine Ranke Rat: „Gegen die Schlaflosigkeit bereite ihm abends einen Tee aus Klatschmohn, Quendel und Melisse. Das wird ihm gut tun. Sprich mit der Köchin und bereitet ihm Speisen aus Sanddorn und Hagebutten. Auch etwas Vogelmiere solltest du jetzt noch finden. Als der Tag des Vollmonds gekommen war, war der junge Herr Gebhart kaum mehr wieder zu erkennen, so vital und kräftig sah er aus. Auch der Herr von Uttendorf sah, wie glücklich und gesund sein Sohn plötzlich wieder zu sein schien, und so hielt er Wort. Gebhart nahm die Kronsteiner Gundel zur Frau und machte das arme Bauernmädchen zur Schlossherrin. Die Hochzeit wurde am Weihnachtsabend gefeiert – schließlich musste eine so magische Begegnung auch mit einem magischen Hochzeitstag besiegelt werden.

Die treue Rebe aber bekam einen Ehrenplatz im Wohnzimmer der Jungvermählten, wo sie weiterhin als ihre umsichtige Beraterin tätig war. Zu Ehren ihrer neuen Herrin erbat sich die kleine Ranke von jetzt ab „Gundelrebe“ genannt zu werden. Und als solche ist sie noch heute bekannt. Wie damals ist sie gesund, magisch, und bei genauem Hinhören können sehr feinfühlige Menschen ihre Ratschläge hören.

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Foto: Cityfoto
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