Markus Koschuh: "... das ist letztklassig!" - mit VIDEO

Kabarettist Markus Koschuh vor dem Telfs-Auftritt zu Besuch in der Felix-Mitterer-Ausstellung im Heimatmuseum Noaflhaus.
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  • Kabarettist Markus Koschuh vor dem Telfs-Auftritt zu Besuch in der Felix-Mitterer-Ausstellung im Heimatmuseum Noaflhaus.
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TELFS. Dass Telfs auch umstrittene Kunst zulässt, hat der Ort bereits mit der "Stigma"-Causa 1982 bewiesen, als der damalige Bgm. Helmut Kopp den Tiroler Volksschauspielen eine neue Heimat gab. Und in Telfs "darf" auch Markus Koschuh auftreten, was in einem anderen Tiroler Ort nicht möglich war: Der Kabarettist, der politisch heiße Tabus auf's Tapet bringt, erhielt vom Goinger Ortschef ein "Auftritts-Verbot". Da stellte sich auch Felix Mitterer hinter Koschuh: "Das Land braucht kritische Geister, die den Mächtigen auf die Finger schauen - Tirol braucht Koschuh!"

Zugabe statt Absage

In Telfs tritt Koschuh am Wochenende im Rahmen der Volksschauspiele auf. Wegen des großen Andrangs wurde ein Zusatztermin eingeschoben, auch dieser war bald ausverkauft!
BEZIRKSBLÄTTER baten Koschuh zum Interview - wie passend - in der Mitterer-Ausstellung im Noaflhaus.

Kurzes Video zum Interview mit Markus Koschuh im Telfer Noaflhaus:

BEZIRKSBLÄTTER: So wie Mitterer damals sorgen auch Sie für Ärger unter Touristiker und Landespolitiker, von Mitterer kriegen Sie Rückendeckung, ein Vergleich mit der Piefke-Sage wurde laut. Wie sehen Sie diesen Zusammenhang?
MARKUS KOSCHUH: Dass der Felix das gesagt hat, ist für mich eine riesen Ehre. Sowohl der Felix in der Piefke-Saga als auch ich beschäftigen uns mit dem Tourismus im Land, ja. Es ist aber keine echte Fortsetzung, sondern ein anderer Dreh. Felix hat ein Drehbuch geschrieben, ich ein Kabarett-Programm. Diese überspitzte Satire kann aufzeigen, wo die Reise hingeht, und wo sie lieber nicht hingehen sollte. Aber das Thema ist das gleiche, das Thema würde sich alle zwei Jahre ein neues Programm verdienen.
Um viel Geld werden Studien gemacht, die sagen, dass es dringend eine Änderung braucht. Aber offenbar werden sie nicht gelesen. Ein Zitat im Programm lautet: so lange der Leidensdruck in den Schigebieten nicht groß genug ist, wird weiter auf Teufel komm raus beschneit. Man muss neue Ideen entwickeln. Manche Regionen sind schon weit. Aber es ist immer noch ein Irrsinn, was sich tut. Es wird sehr viel Geld in Beschneiungssysteme und Speicherseen gesteckt. Wir lösen Schweden als das Land der tausend Seen ab, so viele Speicherseen haben wir.

Wie würde die Tourismus-Lösung von Koschuh aussehen?
Man muss sich rückbesinnen, was Tirol groß gemacht hat. Es war das Familiäre, die Verbundenheit. Das Weiter-Höher-Schneller bringt Tirol nicht weiter. Es gibt Regionen mit einem Ballermann-Tourismus, etwa in Ischgl, denen muss man sagen: Stopp! Es ist genug. Man muss in Qualität investieren und authentischer werden. Nirgends gibt es so viel Verlogenheit wie im Tourismus, das ist bitter, auch für die Leute hier. Man verleugnet seine eigene Kultur, man verkauft sie.

Die WM in Seefeld steht an, da gab's und gibt's viele Baustellen ...
In Seefeld wird viel Geld für einen Großevent in die Hand genommen. Man muss sich überlegen, ob man sich laufend mit Groß-Events am Leben erhält, was Land und Leuten nicht gut tut, wie man auch an der Kritik von Seefelder Bürgern sieht, oder ob man neue Strategien entwickelt. 

Vorher gibt's in Tirol die Rad- und Kletter-WM, wie sehen Sie diese Groß-Events?
Die Kletter-WM ist ein Segen. Man hebt die Schönheit der Natur hervor. Genau solche Strategien für den Sommertourismus brauchen wir. So was wirkt nach, wenn man es g'scheit macht. Die Rad-WM finde ich etwas kurios, wir haben einfach zu wenige Straßen. Die Leute regt es auf, dass so viele Sperren sind.

Welchen Sport betreiben Sie?
Ich bin auch gerne auf Klettersteigen, aber nicht etxtrem, ich fahre auch gerne Schi oder gehe Schitouren, weil ich da näher in der Natur bin. Ich finde, man sollte mit dem Land sorgsamer umgehen und man sollte den Auswüchsen einen Riegel vorschieben. Investieren wir doch besser in die Qualität und schauen wir, dass wir die Brücke vom Winter in den Frühling und in den Sommer schaffen. Im Winter haben wir den Plafond doch längst durchbrochen.

Sind Sie mit Ihrem Kabarett-Programm an Ihrem Ziel angelangt?
Kabarett muss auch die Leute erreichen, die erreicht werden sollen. Ich würde mir wünschen, in einer TVb-Vollversammlung ein Hauptprogrammpunkt zu sein, ich würde gerne da spielen, dann können wir gerne diskutieren, ob ich einen Topfen zusammenrede, oder wie es wirklich ausschaut. Ich kritisieren - und so muss ich auch Kritik einstecken können ... sehr gerne!
Ich mache kein Comedy, ich mache Kabarett, und das rüttelt die Leute auch ein bissl auf. Ich provoziere aber nicht der Provokation willen. Wenn sich Leute aufgrund der Wahrheiten, die im Programm aufgeführt werden, provoziert fühlen, ist das nicht mein Problem.

Sie bleiben - nicht so wie andere Kabarettisten - noch über der Gürtellinie ...
Die Politker in Tirol geben politisch genug her für einen Kabarettisten, da muss man nicht ins Private abdriften. Da ist genug Matariel da.

Viele Gemeinden laden Sie ein, gibt es mehrere "Going" in Tirol?
Es gibt schon solche Gemeinden, vor allem bei meinem Programm "Agrargemein", wo manche der Mut verlassen hat. Aber Going war schon ein Spezialfall: Wenn ein Anruf aus der Landesregierung - nach Intervention von Tourismusseite - einen Bürgermeister dazu bringt, sich nicht hinter den Kulturausschuss zu stellen, sondern das abzublasen, dann muss man sich wehren. in Going schämen sich viele Leute dafür.

Ist das, was in Going passiert ist, eine gute Werbung für einen Kritiker?
Das sagen viele ... Ich sehe es wie ein Stürmer, der im Strafraum gefoult worden ist: Er freut sich über den gepfiffenen Elfmeter, aber sein Schienbein ist immer noch ab. Also mich schmerzt es viel mehr als dass es mich freudig macht, dass so etwas in Tirol noch immer möglich ist! Man muss Kritik statt finden lassen. Die öffentliche Hand, also die Gemeinde, muss Kritik stattfinden lassen! Sie muss es nicht gut finden, aber zu sagen, wir lassen Kabarett nicht stattfinden, das finde ich letztklassig!

Trotzdem treten Sie in vielen Gemeinden auf. So konservativ kann das Land nicht sein, oder?
Der Tiroler ist eher einer, der sich gerne hinter vorgehaltener Hand um beim Stammtisch aufregt, weil er Konsequenzen fürchtet, wenn etwa der Bua noch Volksschuldirektor werden will. Es gibt quer durch ganz Tirol konservativ denkende und weltoffene Menschen. Und es gibt zum Glück genug Leute, die sich den schwierigen Job für die Kultur oft ehrenamtlich antun, denen muss man einfach Danke sagen für ihre Arbeit, weil Kultur ist das Salz in der gesellschaftlichen Suppe.

Sind Sie vor ihren Auftritten noch nervös?
Ich bin schon etwas nervös. Dieses sich Focusieren und ins Lampenfieber reinsteigern ist ganz wichtig, nur dann bist Du konzentriert und bei der Sache. Auch wenn nur zehn Leute im Publikum sind, die haben alle Eintritt bezahlt, und die haben sich eine gute Show verdient.

Was ist Ihr Antrieb, polit-kritische Programme vorzubringen?
Ich glaube, ich habe einen sehr tief sitzenden Gerechtigkeitssinn. Ungerechtigkeiten haben mich als Kind schon aufgeregt und mich schlaflose Nächte gekostet. Agrargemein ist z.B. ein einziges Anti-Privilegien und Gerechtigkeits-Kabarettprogramm. Das zieht sich wie ein roter Faden durch alle meine Programme. Wenn Leute nicht wissen, wann genug ist - sei es finanziell oder moralisch - dann muss man denen einfach "Stopp" sagen. Mein Mittel, das ich gewählt habe, ist das Kabarett. Andere schreiben Bücher oder spielen Theater, aber für mich - zu meiner Person passend - ist es der beste Weg.

Ist Ihr Sternzeichen Waage, weil Sie einen so ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben?
Nein, ich bin Krebs, (lacht). Ich zwick' schon mal zua! Krebse sind sensibel und haben Gespür, sagt man ihnen nach. Wenn man an Sternzeichen glaubt, kann das bei mir schon zutreffen.

Worauf dürfen sich die Telfer am Wochenende freuen - jene, die Karten ergattert haben?
Für die Volksschauspiele mit dem "Männerschwerpunkt" habe ich ein Best-of aller bisherigen Programme zusammengestellt: "So lacht Man(n)". Grad gestern bin ich bissl durchs Progrmm gegangen im Kopf - und da musste ich selbst lachen. Es gibt aber das Problem, dass beide Termine längst ausverkauft sind. Für einen Künstler ist das aber ein Luxusproblem.

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