Welttag der Frau: "Man muss auf vielen Ebenen ansetzen"

Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan aus Telfs (Grüne) kämpft im Parlament für die Frauenrechte. | Foto: Martin Juen
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  • Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan aus Telfs (Grüne) kämpft im Parlament für die Frauenrechte.
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TELFS/WIEN. Die Politikwissenschaftlerin und Juristin Berîvan Aslan aus Telfs ist seit 2013 Abgeordnete zum Nationalrat. Die Politikerin setzte sich schon sehr früh für Menschenrechte und die Rechte der Frauen ein, heute als Frauensprecherin der Grünen im Parlament in Wien.

Wie geht es den Frauen in Österreich?
BERIVAN ASLAN: Die Frauenpolitik in Österreich bewegt sich im Schneckentempo. Über die Hälfte der Bevölkerung ist nicht sichtbar, alleine wenn man sich die budgetäre Verteilung in der Regierung anschaut: Das Frauen-Budget beträgt nur 0,01 % des Gesamtbudgets.

War das schon mal besser?
Das war schon immer so. Laut der EUROSTAT-Studie, welche die Einkommensschere in der EU aufzeigt, liegt Österreich auf dem vorletzten Platz, ich befürchte mittlerweile ist es der letzte Platz. Das ist für einen Sozialstaat beschämend. Man muss hier auf so vielen Ebenen ansetzen.

Eine Hauptebene dürfte das Einkommen der Frauen sein ...
Über 70 % der geringfügig Beschäftigten sind Frauen, etwa im Tourismus gerade in Tirol. Das bringe ich immer wieder als Beispiel in den Ausschüssen, um zu zeigen, mit welchen Problemen wir zu kämpfen haben. Zum Beispiel Zimmermädchen: Der Lohn ist gering, nach der Saison gehen sie stempeln, das Arbeitslosengeld reicht kaum, dann ist es nicht fix, ob sie wieder einen Job kriegen. Und wenn das Arbeitslosengeld fertig ist, gibt es die Notstandshilfe und die ist an das Haushaltseinkommen gekoppelt. Wenn der Mann zu viel verdient, bekommt die Frau nichts. Dazu kommen die steigenden Lebenserhaltungskosten.

Frauen sind in vielfacher Hinsicht abhängig ...
Das ist genau das Problem, dass Frauen aufgrund ihrer Biographien und Rahmenbedingungen nicht in der Lage sind, sich finanziell abzusichern. Es fehlt zum Beispiel eine frauenspezifische Finanzberatung. Gerade bei Scheidungen steht die Frau vor dem Nichts, weil der Mann während der Ehe das Vermögen aufgebaut hat und die Frau nichts ansparen konnte.

Wie schaut es mit der Kinderbetreuung aus? Hier ist man doch sehr weit ...
Man ist hier auf einem guten Weg, vor allem in Tirol. Aber auf Bundesebene ist es noch eine große Baustelle. Es braucht neue Modelle, etwa im Tourismusland Tirol: Einen Nacht- oder Wochenend-Kindergarten z.B. für alleinerziehende Frauen, die am Wochenende arbeiten oder Spätdienst haben. Für sie muss es eine Möglichkeit geben, ihr Kind betreuen zu lassen, ohne eine teure Lösung in Anspruch zu nehmen, etwa eine Tagesmutter. Da würde vom geringen Gehalt nichts mehr übrig bleiben. Frauen haben dann keine Chance, aus dem Teufelskreis auszubrechen.

Wie kann die Politik Abhilfe schaffen?
Wir Grüne fordern per Antrag im Parlament ein Maßnahmenpaket gegen die Frauenarmut. Wir fordern eine Änderung der Notstandshilfe in ein individuelles Recht, unabhängig vom Haushaltseinkommen. So wie es jetzt ist, ist es für beide Teile schlecht. Auch umgekehrt kann es passieren, dass etwa der Mann nichts bekommt, wenn die Frau zu viel verdient. Zudem fordern wir eine Erhöhung der Nettoersatzrate bei der Arbeitslosenversicherung von derzeit 55 auf 70 %.

Haben die Grünen es schwer, solche Themen durchzusetzen?
Ich bin eine sehr kooperative Abgeordnete, wenn es um gesamtgesellschaftliche Themen geht, haben Eitelkeit und Parteifarben nichts zu suchen. Frauenpolitik ist eine Frage der Gerechtigkeit, eine Frage der Machtverhältnisse und der ökonomischen Verhältnisse – und das ist auch ein Männer-Thema. Ich habe mich sehr geärgert, als unter der vorigen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) für die Instandhaltung einer Smartphone-App 800.000,- € ausgegeben wurden. Dabei gibt es Frauenberatungsstellen oder Männerberatungsstellen, die im Jahr nicht einmal 5.000 bis 10.000 Euro Förderung kriegen!

Was ist politisch der nächste Schritt?
Wir schauen uns die Strukturen in Island an, hier ist man mit der Frauenpolitik viel weiter als bei uns. Im Norden sind sie in dieser Thematik Jahrzehnte voraus. Meine politischen Schwerpunkte sind auch Frauen im ländlichen Bereich und die existenzielle Absicherung der Frauen. Großes Thema ist auch der Hass im Netz, Mobbing in sozialen Medien und Sexismus. Hier gibt es noch sehr viel zu tun.

Was konkret haben Sie zuletzt im Parlament durchgebracht?
Bei der Filmförderung habe ich eine gerechtere Verteilung erreicht, das ist so ein atypischer Frauenjob. Regisseurinnen und Produzentinnen sind nun gleichgestellt mit ihren männlichen Kollegen.

Wollen Sie bei den nächsten Nationalratswahlen wieder antreten?
Ich werde auf alle Fälle wieder kandidieren, weil ich mir jetzt das parlamentarische Werkzeug angeeignet habe und sehr viel in meine Weiterbildung investiert habe. Die Grünen stellen die Liste für die Nationalratswahl im Juni zusammen. Ich glaube nächstes Frühjahr gibt's Neuwahlen. Politik ist für mich kein Job, sondern eine Leidenschaft, sonst wäre ich nicht so motiviert. Ich komme aus dem ländlichen Bereich und verfüge über verschiedene soziokulturelle Erfahrungen, damit bringe ich eine neue Perspektive in die österreichische Politik.

Wir danken für das Gespräch
(Interview: Georg Larcher)

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