Tennengauer Dialoge: Gegen Gewalt an Frauen
Gericht als Endpunkt einer Leidensgeschichte

RATHGEB: "Ein Gerichtsverfahren ist dazu da, Vorwürfe und Anzeigen objektiv zu klären. Die Vorkommnisse, die angeklagt wurden, werden unmittelbar und unvoreingenommen bei Gericht ermittelt. Dementsprechend sind der Täter und Zeugen zu vernehmen. Das Opfer hat einen Zeugenstatus und ist daher ebenfalls zu befragen." | Foto: Martin Schöndorfer, 2022
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Gerichtsverhandlungen sind der Endpunkt eines Weges der Gewalt. Das Gericht bemüht sich um objektive Urteile.

GOLLING. In den letzten Jahren erschüttern immer wieder Meldungen von Gewalttaten an Frauen unsere Gesellschaft. Viele dieser Straftaten landen vor Gericht. Die Regionalmedien Salzburg haben bereits Gespräche mit Experten der verschiedensten Fachbereiche wie Sozialarbeitern, Ärztinnen und Polizeibeamten und deren Sicht der Geschehnisse im Rahmen der "Tennengauer Dialoge“ geführt. Im fünften Teil der Serie kommt der Präsident des Landesgerichts Salzburg, Hans Rathgeb, zu Wort.

Welche verschiedenen Formen der Gewalt (im rechtlichen Sinne) gibt es und warum ist eine Unterscheidung der Delikte wichtig?

HANS RATHGEB: Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen der körperlichen (physischen) und der psychischen Gewalt sowie der sexuellen Gewalt. Hier sieht das Strafgesetzbuch unterschiedliche Delikte vor. Die auch einen unterschiedlichen Strafrahmen, die Strafandrohung, besitzen. Diese Strafandrohung ist dann entscheidend für die Gerichtsbesetzung. Das heißt: Findet die Verhandlung vor einem Einzelrichter statt, beziehungsweise ist es ein Schöffenverfahren oder - bei ganz schweren Delikten - kommt es zu einem Geschworenenverfahren. Diese Delikte kann man von den Gruppen her einteilen: in Körperverletzungsdelikte, in Freiheitsentziehungdelikte, Nötigung, gefährliche Drohung, Stalking und in Sittlichkeitsdelikte.

Im Jahr 2021 wurden 31 Frauen ermordet. Viele der Täter und der Opfer hatten einen Migrationshintergrund und sprechen die unterschiedlichsten Sprachen. Alleine im Afghanischen gibt es unzählige Dialekte. Steht ausreichend Fachpersonal zur Verfügung?

RATHGEB: Wir führen bei allen Landesgerichten in Österreich Dolmetscherlisten. Konkret für Salzburg heißt das, dass wir alleine für das Afghanische unterschiedliche Dolmetscher für sechs Dialekte abgedeckt haben. Darüber hinaus ist jederzeit eine Beiziehung von Dolmetschern anderer Gerichtssprengel möglich. Wenn man die gesamt-österreichische Liste ansieht, so ist die Verständigung in praktisch allen Sprachen sichergestellt.

Wie gehen Sie bei Gericht vor, wenn das Opfer befragt wird? Treffen Opfer und Täter zusammen?

RATHGEB: Bei manchen Delikten, insbesondere bei Sexualstraftaten oder wenn ein Betretungs- bzw. Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, kann die Vernehmung in Form einer sogenannten "schonenden Vernehmung" ausgeführt werden. Man versteht dabei eine örtliche Trennung von Opfer und Täter im Gerichtsgebäude. Die Räume sind dabei auch nicht benachbart.  Es wird sichergestellt, dass Täter und Opfer nicht zusammentreffen, auch Staatsanwalt und Verteidiger stellen ihre Fragen aus dem anderen Raum. Beide Räume sind nur durch eine Bild- und Tonübertragung miteinander verbunden. Unberührt davon ist das Recht des Staatsanwaltes und des Verteidigers Fragen an das Opfer zu stellen. Diese Befragung wird bei einer Hauptverhandlung dann eingespielt.

HANS RATHGEB: "Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen der körperlichen (physischen) und der psychischen Gewalt sowie der sexuellen Gewalt. Hier sieht das Strafgesetzbuch unterschiedliche Delikte vor. Die auch einen unterschiedlichen Strafrahmen, die Strafandrohung, besitzen. Diese Strafandrohung ist dann entscheidend für die Gerichtsbesetzung. " | Foto: Martin Schöndorfer, 2022
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Kritiker bemängeln, dass die Justiz die Aussagen von Frauen als Opfer oft anzweifeln. Wie beurteilen Sie als oberster Salzburger Justizvertreter diese Einschätzung?

RATHGEB: Ein Gerichtsverfahren ist dazu da, Vorwürfe und Anzeigen objektiv zu klären. Die Vorkommnisse, die angeklagt wurden, werden unmittelbar und unvoreingenommen bei Gericht ermittelt. Dementsprechend sind der Täter und Zeugen zu vernehmen. Das Opfer hat einen Zeugenstatus und ist daher ebenfalls zu befragen. Zusätzlich werden weitere Beweise im Rahmen eines objektiven Gerichtsverfahrens behandelt, damit am Schluss das Gericht über Schuld und Unschuld entscheiden kann. In diesem Zusammenhang kann es zu einer sehr detaillierten, teils harten Hinterfragung des Sachverhaltes kommen. Das heißt aber nicht, dass man unglaubwürdig ist; gerade diese Aussage kann am Ende zu einer Verurteilung führen.

Gollings 30 Tage gegen Gewalt an Frauen

Podcast-Serie "Tennengauer Dialoge" 
Podcast #1: "Gollings Tage gegen Gewalt an Frauen" HIER
Podcast #2: "Behandlung von weiblicher Genitalbeschneidung in Hallein ist nötig" HIER
Podcast #3: "Gewalt endet nicht vor der Haustür" HIER
Podcast #4: "Gewalttäter nur strafen reicht nicht aus" HIER
Podcast #5: "Gericht als Endpunkt einer Leidensgeschichte" HIER
Fazit: "Abschlussinterview mit der Initiatorin Franziska Wagner" HIER

Kommentar zum Beitrag "Wenn die Gewalt sprachlos macht" HIER
Zum Podcast "Elf Morde, aber noch viel mehr Gewalt" HIER

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