Interview Barbara Thaler und Sophia Kircher
"Europa muss wieder ins Cockpit"

MEP Barbara Thaler sowie ÖVP Spitzenkandidatin für die EU-Wahl 2024 und erste Landtagsvizepräsidentin Sophia Kircher | Foto: Kendlbacher
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  • MEP Barbara Thaler sowie ÖVP Spitzenkandidatin für die EU-Wahl 2024 und erste Landtagsvizepräsidentin Sophia Kircher
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Für Barbara Thaler endet nach fünf Jahren im Europäischen Parlament die Zeit in Brüssel, für die erste Landtagsvizepräsidentin der ÖVP Tirol Sophia Kircher könnte sie beginnen. Beide trafen wir in der Zentrale der RegionalMedien Tirol zum Interview.

Fünf Jahre in Brüssel und Straßburg – auch froh, dass es vorbei ist?
Barbara Thaler:
Es ist ein lachendes und ein weinendes Auge. Aber die Arbeit in Brüssel zu vermissen, ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass ich sie gerne gemacht habe. Jetzt freue ich mich auf neue Aufgaben und stürze mich bereits intensiv in die Arbeit für die Tiroler Wirtschaft. Natürlich wird Europapolitik auch hier eine Rolle spielen, da die Gesetze aus Brüssel wichtig für die Tiroler Wirtschaft sind.

Warum streben Sie als erste Vizepräsidentin des Tiroler Landtags politische Aktivitäten in Brüssel und Straßburg an?
Sophia Kircher:
Ich bin seit sechs Jahren Europasprecherin der Volkspartei im Landtag und habe verschiedene Aufgaben übernommen wie die Koordination des Dreierlandtages als erste Landtagsvizepräsidentin. Viele Themen können nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Die Rolle der Regionen ist dabei entscheidend. Mein Ziel ist es, die Tiroler Anliegen bestmöglich einzubringen. Die Vielfalt der Europäischen Union wird durch die Vertretung der Regionen erst richtig gelebt.

Barbara Thaler: "Meine Arbeit im Verkehrsausschuss hat bereits positive Ergebnisse gezeigt." | Foto: Kendlbacher
  • Barbara Thaler: "Meine Arbeit im Verkehrsausschuss hat bereits positive Ergebnisse gezeigt."
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Welche Herausforderungen und Erfolge während Ihrer Amtszeit im Europäischen Parlament haben Sie geprägt?
Barbara Thaler:
Die Arbeit als Hauptverhandlerin für Gesetze im Europaparlament war lehrreich. Besonders erfolgreich waren unsere Bemühungen in den Bereichen Verkehr und Wolfsschutz. Anfangs war es schwierig, Unterstützung für Debatten über den Schutzstatus von großen Beutegreifern zu erhalten, aber am Ende wurde die Kommission mit deutlicher Mehrheit beauftragt, den Schutzstatus zu überprüfen. Ein weiterer Erfolg war mein Pilotprojekt "Brenner ohne Grenzen", das Hindernisse im internationalen Zugverkehr abbauen soll.

Sie stehen auf Platz vier der Bundesliste und haben gute Chancen, ins EU-Parlament einzuziehen. Welche politischen Themen möchten Sie angehen?
Sophia Kircher:
Als Tirolerin ist es mir wichtig, den erfolgreichen Weg von Barbara im Verkehrsbereich fortzusetzen, damit die Bevölkerung weiter entlastet wird. Europa braucht weniger Bürokratie und mehr Hausverstand. Gerade junge Menschen – egal ob Studierende oder Lehrlinge – sollen von Erfolgsprojekten wie Erasmus profitieren und Europa von seiner besten Seite kennenlernen.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Rolle des Europäischen Parlaments entwickelt?
Barbara Thaler
: Die Brexit-Abstimmung war ein emotionaler Start meiner Amtszeit. Corona erschwerte die Zusammenarbeit, aber das große Thema des Klimaschutzes prägte die fünf Jahre. Auch wenn etwa der Green Deal anfangs im Fokus stand, hat in den letzten Monaten doch der Hausverstand Einzug gehalten.

Sophia Kircher: "Mein Ziel ist es, die Tiroler Anliegen bestmöglich einzubringen." | Foto: Kendlbacher
  • Sophia Kircher: "Mein Ziel ist es, die Tiroler Anliegen bestmöglich einzubringen."
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Sehen Sie speziell für die Jugend im Europäischen Parlament eine besondere Rolle vor?
Sophia Kircher:
Es ist definitiv ein wichtiger Teil. Ich war die letzten sechs Jahre Jugendsprecherin im Tiroler Landtag und ich glaube, auch aufgrund meines Alters sind mir junge Menschen sehr wichtig. Jetzt kandidiere ich aber für ganz Österreich und insbesondere für Tirol, da sind dann die Tiroler Anliegen jene, die Priorität haben.

Der Transit belastet Tirol weiterhin stark. Hat Ihre Arbeit im Verkehrsausschuss zu wenig Erfolg gezeigt?
Barbara Thaler:
In der Verkehrspolitik müssen wir klarstellen, dass es keine universelle Lösung für das Transitproblem gibt, sei es auf der Straße oder auf der Schiene. Unsere Aufgabe ist es, den Verkehr zu entlasten und planbarer zu gestalten, wofür Pilotprojekte wie "Brenner ohne Grenzen" hilfreich sein können, auch wenn solche Veränderungen Zeit brauchen. Meine Arbeit im Verkehrsausschuss hat bereits positive Ergebnisse gezeigt, auch wenn ein Teil davon im Hintergrund stattfindet, wie etwa das Verhindern von problematischen Entwicklungen.

Welche politischen Themen oder Entwicklungen sind Ihrer Meinung nach für die Zukunft der EU besonders relevant?
Sophia Kircher:
Das Wirtschaftsthema und die Rolle Europas in der Welt, besonders im Kontext von den USA und China, erfordern eine aktive Positionierung. Bei der Migration braucht es endlich ein einheitliches Vorgehen innerhalb der EU, einschließlich eines wirksamen Außengrenzschutzes, um Freiheiten innerhalb der Union zu gewährleisten. Die Themen Wirtschaftsstandort und Innovation sind zentral, um Europas Stärken zu erhalten und auszubauen. Europa darf sich nicht als Flugpassagier sehen, Europa muss wieder ins Cockpit.

Erwarten Sie nach den Wahlen einen Rechtsruck in Europa? Und sehen Sie die EU am Scheideweg?
Barbara Thaler:
Die aktuellen Wahlprognosen deuten darauf hin, dass die Ränder, sowohl rechts als auch links, stärker werden, was zu einer neuen Dynamik bei der Mehrheitsfindung führen könnte. In den letzten Jahren war es oft knapp, Gesetze sind oft mit nur wenigen Stimmen Unterschied angenommen oder abgelehnt worden. Diese Situation war sowohl herausfordernd als auch unvorhersehbar. Die zukünftige Richtung hängt auch davon ab, wie die Kommission zusammengesetzt wird und welche Mitgliedsländer welche Kommissare entsenden.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Bürgerbeteiligung und das Vertrauen in die EU-Institutionen zu stärken?
Sophia Kircher:
Die Kritik an der Europäischen Union ist teilweise berechtigt, insbesondere aufgrund der überbordenden Bürokratie und ideologiegetriebener Regulierungen. Themen wie der Green Deal und das Verbrennerverbot haben zu Frustration geführt, ebenso wie eine fehlende einheitliche Linie bei der Migration. Dennoch bleibt die EU das größte Friedensprojekt, was gerade angesichts des Krieges in der Ukraine deutlich wird. In Zeiten wie diesen wird klar, wie wichtig Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind, die die EU sichert. Es braucht jedoch mehr Hausverstand und Effizienz in der EU, um das Vertrauen wiederherzustellen und sich auf die großen Themen zu konzentrieren.

Und die beiden Standorte des EU-Parlaments in Brüssel und Straßburg?
Barbara Thaler:
In der Vergangenheit hat sich das Europaparlament mehrmals mit Mehrheit für einen Sitz in Brüssel ausgesprochen, doch realpolitisch wird dies nicht umgesetzt werden. Der Hauptsitz in Straßburg hat historische Gründe, die valide sind, aber die EU hat sich verändert und die Arbeitsweise zentralisiert sich zunehmend in Brüssel, was effizienter ist. Persönlich befürworte ich eine Konzentration auf Brüssel, obwohl ich weiß, dass dies realpolitisch nicht durchsetzbar sein wird.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der digitalen Transformation und der Migrationskrise: Kann die EU das überhaupt lösen?
Sophia Kircher:
Den Klimawandel wird nicht die EU alleine lösen können, da braucht es einen weltweiten Kraftakt. Auch beim Thema Migration braucht es endlich einen breiten Schulterschluss, Asylzentren außerhalb Europas und einen robusten Schutz der Außengrenze. Und bei der digitalen Transformation sind wir bereits mittendrin. Entscheidend ist, dass wir sie so gestalten, dass sie die Menschen entlastet und nicht zusätzlichen Druck aufbaut.

Welche Ratschläge würden Sie Ihrer Nachfolgerin im Europäischen Parlament geben?
Barbara Thaler:
Um erfolgreich im Europaparlament zu verhandeln und gute Arbeit auf gesetzgeberischer Ebene zu leisten, ist es entscheidend, schnell ein gutes Netzwerk aufzubauen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigenen Fraktion und über Ländergrenzen hinweg. Sophia besitzt diese Fähigkeit, da sie bereits über politische Erfahrung und parlamentarische Kenntnisse verfügt.

Warum sollten die Tirolerinnen und Tiroler am 9. Juni wählen gehen?
Barbara Thaler:
Ich wünsche mir, dass die Nummer vier auf der ÖVP-Bundesliste gewählt wird, um eine Tiroler Abgeordnete im Europaparlament zu haben. Sophia ist eine hervorragende Kandidatin mit politischem Hausverstand und die einzige pro-europäische Kandidatin aus dem Westen mit realistischen Chancen auf einen Sitz im Europaparlament.
Sophia Kircher:
Es ist wichtig, dass der Westen Österreichs vertreten ist, um unsere Anliegen zu fördern und nicht den Osten über uns bestimmen zu lassen. Ich will eine starke Stimme für Tirol und den Alpenraum sein, insbesondere in Fragen wie dem Transit oder beim Wolfsthema und natürlich für die gesamten Tiroler Anliegen in der Europäischen Union.

Über die Kandidatur von Sophia Kircher lest ihr hier:

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