Petitionsübergabe " Schutz des Wolfes in Tirol"
Herdenschutz statt Wolfabschuss

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VERNUNFT STATT GEWALT: UNSERE FORDERUNG AN DEN LANDTAG
Petitions-Übergabe. "Die Hetze gegen den Wolf muss ein Ende haben!"
Unter diesem Motto überreichte VGT-Kampagnenleiterin Nicole Staudenherz am 21. Juni  dem Tiroler Landtagsabgeordneten Michael Mingler (Grüne) 1150 Unterschriften.
Herdenschutz statt Lynchjustiz: Die Unterzeichnenden fordern angemessene Herdenschutz-Maßnahmen und sind gegen den Abschuss von Wölfen.

Die Rückkehr der Wölfe:

Kaum ein Thema erhitzt die Tiroler Gemüter so sehr wie dieses.
Landwirte laufen Sturm, weil sie ihre Almtiere in Gefahr sehen. Weite Teile der Bevölkerung glauben allzu bereitwillig den medial aufgebauschten Mythos vom „bösen Wolf“.
Höchste Zeit für einen Faktencheck.
Denn Artenschutz ist europaweit Gesetz und nicht Geschmackssache. Zudem zeigen die positiven Erfahrungen aus unseren Nachbarländern ganz deutlich, dass eine friedliche Koexistenz von Mensch und Wolf möglich ist.

Hier kommen wir gleich zur Lieblingsbehauptung der Wolfsgegner: „Der Wolf gehört nicht hierher
(und muss gewaltsam entfernt werden)“.
Bewertung: falsch.

Der Wolf war hierzulande bis zu seiner Ausrottung vor ca. 150 Jahren ein fixer Bestandteil des
Ökosystems. Führende Fachleute und Tierschutzorganisationen betonen, dass Wölfe einen
wertvollen Beitrag für den Erhalt der Naturlandschaft spielen. Denn sie sind die Gesundheitspolizei
des Waldes. So betont der WWF Österreich auf seiner Website:
„Die Anwesenheit des Wolfes wirkt sich positiv auf die Gesundheit des Wildbestandes in unseren
heimischen Wäldern aus. Das liegt daran, dass der Wolf die Wildtiere in unseren Wäldern, vor allem
Rotwild, Rehe, Wildschweine oder Gamswild in guter Kondition hält. Denn ein altes, sehr junges
oder krankes Tier ist weniger aufmerksam und leichter zu reißen als gesunde, flinke und wehrhafte
Tiere. Außerdem können Wölfe kranke Tiere schon bemerken, noch bevor die Erkrankung für den
Menschen sichtbar wird. Demnach fungieren Wölfe […] als „Gesundheitspolizei“ des Waldes, weil sie kranke Wildtiere viel effizienter aus dem Bestand entnehmen als jeder noch so eifrige Jäger. Mit
dieser Fähigkeit helfen sie auch, die Ausbreitung von Krankheiten unter den Wildtieren zu
reduzieren.“ 2
Dieser Position schließen sich andere namhafte Organisationen wie der Naturschutzbund sowie auch international renommierte Wissenschaftler an, zum Beispiel die Diplombiologin und weltweit
bekannte Wolfsforscherin Gudrun Pflüger. 3

1 https://martinballuch.com/anzeige-gegen-jaeger-wegen-wolfsabschuss [zuletzt eingesehen am: 03.06.2021]
2 https://www.wwf.at/de/fragen-und-antworten-wolf [zuletzt eingesehen am: 03.06.2021]
3 Pflüger, Gudrun: Wolfspirit. Patmos Verlag. 2012.

Wölfe haben es also gar nicht in erster Linie auf landwirtschaftlich gehaltene Tiere abgesehen.
Statistiken zeigen, dass sie vorwiegend Rehe und Rothirsche jagen und dass nur 1,7% ihrer Beute aus Nutztieren besteht. Schafe oder Ziegen reißen sie nämlich nur, wenn man sie ihnen ohne
Herdenschutz als leichte Beute quasi auf dem Silbertablett serviert.

Und hier kommen wir zu einem weiteren oft gehörten Einwand: „Herdenschutz funktioniert nicht.“
Bewertung: größtenteils falsch.

Erfolgsbeispiele aus unseren Nachbarländern zeigen, dass sich Herdenschutzmaßnahmen sehr gut
umsetzen lassen. Gerade die Schweiz mit ihrer alpinen Topographie könnte hier als Vorbild für
Österreichs Bergregionen dienen. In der Schweiz werden nämlich schon seit etlichen Jahren
Herdenschutzhunde und andere Maßnahmen eingesetzt. Die Anzahl der Wolfsrisse konnte
nachhaltig reduziert werden und die Maßnahmen werden stetig evaluiert und verbessert. 4
Wissenschaftliche Erkenntnisse aus Tirol unterstützen diese Einschätzung. 2019 führten die AGRIDEA und das Büro Alpe im Auftrag der Tiroler Landesregierung eine Machbarkeitsstudie im Hinblick auf heimischen Almen durch. Das Ergebnis: Effektiver Herdenschutz ist auch hierzulande umsetzbar, zumindest für einen Teil der untersuchten Betriebe. Zur Auswahl stehen Maßnahmen wie Behirtung, gezielte Weideführung, Zäune, Pferche und Schutzhunde. Diese seien angemessen zu kombinieren und an den individuellen Bedarf anzupassen. 5
Die Studienautoren betonen, dass die Bereitschaft zur Veränderung ein ebenso wichtiger Faktor sei wie das Vorhandensein öffentlicher Fördermittel:
„Für die Beurteilung der Machbarkeit von Herdenschutz müssen neben der technischen Machbarkeitauch sozioökonomische Aspekte mitberücksichtigt werden. Vor allem die Bereitschaft und Motivation der Betroffenen, Veränderungsprozesse anzugehen und mitzugestalten sind wichtig.
Die EU zahlt jährlich insgesamt etwa 6 Millionen Euro an 1700 Tiroler Almen. 6
Herdenschutzmaßnahmen werden aber kaum umgesetzt. Was passiert mit dem Geld?
Vorausgesetzt, das Geld würde korrekt eingesetzt, ließen sich spezifische Herdenschutzmaßnahmen auch in Tirol umsetzen. Fest steht: Ohne Behirtung geht es nicht.

Natürlich lässt sich das Risiko von Wolfsrissen nicht auf Null reduzieren. Wer das erwartet, sollte der Fairness halber aber auch die anderen, teils erheblichen Risiken für Almtiere thematisieren.
So kommt es im gebirgigen Terrain regelmäßig zu Abstürzen. Auch Unwetter sind eine große Gefahr für die Herden. 78.000 Schafen werden jährlich auf Tirols Almen aufgetrieben. Pro Jahr sterben etwa 5000 Schafe und Ziegen durch Gewitter, Absturz oder Krankheit. 133 Tiere wurden im Jahr 2020 von Wölfen getötet – im Vergleich zu den anderen Todesursachen eine verschwindend kleine Anzahl. 7
4 http://www.herdenschutzschweiz.ch/ [zuletzt eingesehen am: 03.06.2021]
5 Daniel Mettler, Agridea & Simon Moser. 2020. Machbarkeitsstudie Herdenschutz Tirol. Volltext zum
Download unter https://www.tirol.gv.at/landwirtschaft-forstwirtschaft/agrar/rechtliche-bestimmungen-in-der-
landwirtschaft/beutegreifer/herdenschutz/ [zuletzt eingesehen am: 09.06.2021]
6 „EU zahlt Prämie, aber die Behirtung dazu fehlt.“ Tiroler Tageszeitung vom 18.02.2021
7 „Tirol setzt beim Herdenschutz auch auf Hirten und Hunde.“
https://www.rainews.it/tgr/tagesschau/articoli/2020/10/tag-Wolfsmanagement-Europaregion-Tirol-1c42254f-
7103-4805-8c2c-825606b57db6.html [zuletzt eingesehen am: 10.06.2021]

Das heißt: Durch eine Behirtung könnten gerade auch die Todesfälle durch Naturgewalten und
Krankheiten reduziert werden.
Wer redlich argumentiert, sollte zudem auch einmal das größte Lebensrisiko für so genannte
Nutztiere zur Sprache bringen: Den gefährlichsten Beutegreifer der Welt, den Homo sapiens. Denn Schafe, Ziegen und Co werden von uns Menschen gewöhnlich nicht als Kuscheltiere gehalten, sondern zur Gewinnung von Fleisch und anderen tierischen Rohstoffen wie Milch, Wolle etc. Das Risiko für ein Schaf, nach einigen schönen Almsommern im Schlachthof gewaltsam getötet zu werden, ist sehr groß. Denn die Tiere werden ganz bestimmt nicht mit Samthandschuhen
angefasst und schon gar nicht zu Tode gestreichelt. Die hierzulande beliebten Viehversteigerungen
bedeuten für die sensiblen Tiere enormen Stress, und auch einer Hofschlachtung würde ein Schaf
niemals freiwillig zustimmen. In Schlachthäusern geht es noch brutaler zu. Wer das einschlägige
Bildmaterial gesehen hat, weiß, wovon wir sprechen.
Im schlimmsten Fall werden die Tiere nicht hier in Tirol „veredelt“, sondern per LKW oder Schiff über tausende Kilometer ins Ausland transportiert. Österreich exportiert jährlich rund 16.000 Schafe und Ziegen. Ein Großteil davon sind Zuchttiere. Die traurige „Erwerbsbiographie“ mit tödlichem Ausgang wiederholt und vervielfältigt sich für Schafe und Ziegen also ohne Ende. Rund 2400 Tiere werden in Drittstaaten verkauft. 8
Dort werden sie oft mit sehr grausamen Methoden geschlachtet.

Angesichts dieser Situation ist die Aufregung rund um die wenigen Wolfsrisse nur mehr schwer
nachvollziehbar. Geht es der Anti-Wolf-Fraktion möglicherweise doch nicht um die Liebe zu den
Schafen, sondern ums Geschäft? Oder geht es um etwas ganz anderes? An dieser Stelle ist nämlich
auch erwähnenswert, dass Landwirte für bestätigte Wolfsrisse Entschädigungszahlungen aus der
Haftpflichtversicherung des Tiroler Jägerverbandes erhalten. 9
Weil die Pauschal-Argumente gegen Herdenschutzmaßnahmen insgesamt eher schwach fundiert
sind, wird oft auf die hohen Kosten verwiesen: „Herdenschutz ist zu teuer.“
Bewertung: teilweise falsch.

Was die Kosten anbelangt: Diese sind zwar beträchtlich, aber die Landwirte können umfangreiche
Förderungen beantragen (siehe oben).
Auch folgende Behauptung wird oft geäußert: „Wölfe sind eine Gefahr für die Menschen“.
Bewertung: größtenteils falsch

Die schnelle Erklärung: Wir Menschen schmecken den Wölfen nicht, weil sie unseren Geruch nicht
ausstehen können. Und wir passen auch nicht ins Beuteschema, allein schon durch unseren
aufrechten Gang. Der Wolf meidet im Normalfall jegliche Begegnung mit dem Menschen. 10
Eine große weltweite Studie mit Daten aus mehreren Jahrzehnten hat gezeigt, dass Übergriffe von
Wölfen auf Menschen äußerst selten sind. Die wenigen Vorfälle, die überhaupt belegt sind, haben
stattgefunden, weil die betreffenden Tiere an Tollwut erkrankt waren oder weil die Wölfe von
Menschen angefüttert oder provoziert wurden. 11

8 https://www.oebsz.at [zuletzt eingesehen am: 10.06.2021]
9 https://www.tirol.gv.at/landwirtschaft-forstwirtschaft/agrar/rechtliche-bestimmungen-in-der-
landwirtschaft/beutegreifer/europaeischer-wolf/berichte-entwicklung-wolf-in-tirol [zuletzt eingesehen am:
10.06.2021]
10 Bloch, Günter/Radinger, Elli H.: Der Wolf kehrt zurück. Kosmos Verlag. 2017.

Was hält uns also davon ab, eine friedliche Lösung zu finden? Diese Frage mögen sich die
Wolfsgegner in einer ruhigen Minute selbst beantworten.

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