AK Tirol
Lohnsystem-Argument des Handels für höhere Preise widerlegt

In Bayern wird weniger gearbeitet, aber mehr verdient. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn in Bayern 2.836 Euro brutto im Monat bei 37,50 Stunden pro Woche. In Österreich sind es 2.132 Euro brutto bei 38,50 Stunden.  | Foto: Canva
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  • In Bayern wird weniger gearbeitet, aber mehr verdient. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn in Bayern 2.836 Euro brutto im Monat bei 37,50 Stunden pro Woche. In Österreich sind es 2.132 Euro brutto bei 38,50 Stunden.
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Ein Faktencheck der Arbeiterkammer Tirol widerlegt nun das Argument des österreichischen Handels, dass geringe Lohnsteigerungen und höhere Preise für Produkte im Handel durch die im Vergleich zu Deutschland hohen Lohnkosten gerechtfertigt seien.

TIROL. Man würde von dem Problem ablenken wollen, dass es in Österreich keine Preistransparenz und damit deutlich höhere Preise als etwa im angrenzenden Bayern gibt, beschwert sich AK Präsident Erwin Zangerl. Mit Fake News und Marketing-Maschen würde man den Kundinnen und Kunden in Österreich etwas vorgaukeln. 

Der Vergleich im Detail

Bei der Untersuchung der AK Tirol wurden die Lohnkosten eines/einer vollzeitbeschäftigten Verkäuferin oder Verkäufers im Einzelhandel im 7. Berufsjahr auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für die Normalarbeitszeit - einmal in Österreich und einmal in Bayern verglichen. 
Sowohl ein österreichischer als auch ein deutscher Steuerberater wurden mit der Erstellung der monatlichen Lohnabrechnungen beauftragt, die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Argumente des Handels, wonach das österreichische Lohnsystem verantwortlich für die höheren Lebensmittelpreise sein soll, haltlos sind.

Weniger arbeiten aber mehr verdienen

In Bayern wird weniger gearbeitet, aber mehr verdient. So beträgt der kollektivvertragliche Mindestlohn in Bayern 2.836 Euro brutto im Monat bei 37,50 Stunden pro Woche. In Österreich sind es 2.132 Euro brutto bei 38,50 Stunden. Auch in Bayern gibt es zwei Sonderzahlungen, die jedoch geringer ausfallen als in Österreich (13. und 14. Gehalt). Inklusive der Sonderzahlungen beträgt daher in Bayern der Gesamtjahresverdienst 37.222,50 Euro brutto, in Österreich 29.848 Euro brutto. In Bayern bekommen vergleichbare Verkäuferinnen und Verkäufer also tatsächlich um 25 % (!) mehr bezahlt als in Österreich. Und dies sogar bei gleicher Anzahl von Feiertagen und durchschnittlich mehr Urlaub (28,8 Urlaubstage in Bayern und 30,3 Urlaubstage im Einzelhandel in Deutschland). 

In Bayern bekommen vergleichbare Verkäuferinnen und Verkäufer also tatsächlich um 25 % (!) mehr bezahlt als in Österreich. | Foto: Canva
  • In Bayern bekommen vergleichbare Verkäuferinnen und Verkäufer also tatsächlich um 25 % (!) mehr bezahlt als in Österreich.
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In Bayern muss ein Unternehmen jährliche Lohnnebenkosten von 9.230,99 Euro bezahlen, in Österreich 8.833,58 Euro. Die Lohnnebenkosten sind in Bayern daher um 4,5 % höher.
Insgesamt betragen die jährlichen Lohnkosten für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in Bayern 46.453,49 Euro für 37,50 Wochenstunden, in Österreich 38.681,58 Euro für 38,50 Wochenstunden. Das bedeutet, dass die Lohnkosten in Bayern um mehr als 20 % höher sind als in Österreich.
Bei den ausschließlich von den Unternehmen zu zahlenden Abgaben zeigt sich zunächst, dass bei den „klassischen“ Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken-, Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung sowie Insolvenzentgelt-Sicherung) beide Länder ziemlich gleichauf liegen. In Österreich sind dafür insgesamt 20,53 % zu zahlen, in Bayern 20,80 %. Bei den sonstigen Abgaben überholt Österreich dann Bayern, sodass ein Unternehmen in Österreich insgesamt 29,67 % an Abgaben zu entrichten hat, in Bayern 25,49 %.

Bei ungelernten Arbeitskräften würde der Lohnunterschied im 7. Berufsjahr noch viel höher ausfallen. In Österreich beträgt der kollektivvertragliche monatliche Mindestlohn 1.986 Euro brutto für 38,50 Wochenstunden. In Bayern hingegen 2.836 Euro brutto, da nach dem bayrischen Tarifvertrag eine vierjährige Berufserfahrung einer dreijährigen Berufsausbildung entgeltmäßig gleichgestellt ist.

Bundeswettbewerbsbehörde bestätigt Österreich-Aufschlag

Untersuchungen der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zeigen, dass in Österreich Lebensmittel aufgrund eines Österreich-Aufschlags teurer sind. Der seit langem von der AK vermutete „Österreich-Aufschlag“ bei den Lebensmittelpreisen ist Fakt, denn die internationale Lebensmittelindustrie differenziert nach Ländern und verrechnet dem Lebensmitteleinzelhandel in Österreich für gleiche Produkte höhere Preise als etwa in Deutschland.

Die hohen Supermarktpreise in Österreich werfen allerdings noch weitere Fragen auf, denn noch immer gibt es keine Transparenz bei den Preisen bzw. bei der Frage „wer verdient wieviel“ an einem Produkt. Eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Auftrag von AK und ÖGB zeigt auf, dass die Faktoren hinter den Preissteigerungen in Österreich teilweise im Dunkeln liegen. Zwar gebe es Kosten, die sich nachvollziehen lassen – wie die Kosten der Landwirte – allerdings fehlen offizielle Zahlen zu wichtigen Parametern wie Kosten und Profiten von Verarbeitern und Supermärkten.
Erneut fordert AK Präsident Zangerl eine Preiskontrolle mittels Preisdatenbank, in welche alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten ihre Kosten bzw. Preise einmelden müssen.

Thema Filialdichte

Ein weiteres Argument des Handels für höhere Preise stellt auch die in Österreich im Vergleich zu Bayern höhere Filialdichte dar. Zwar zeigt sich, dass das Filialnetz größerer Supermarktketten in Tirol dichter ist als in Bayern, es zeigt sich aber, dass sich die Filialdichten der jeweiligen Supermarktketten innerhalb eines Landes nicht extrem voneinander unterscheiden.
Innerhalb Tirols haben Ketten wie Spar und Mpreis ein dichtes Filialnetz, Billa ein weniger dichtes. In Bayern hat Edeka ein dichtes Netz, hier sind Rewe sowie Kaufland weniger oft vertreten. Wäre die Filialdichte und die sich daraus ergebenden Betriebskosten tatsächlich eine maßgebliche Ursache für die existierenden Preisunterschiede, dann müssten diese Preisunterschiede bereits innerhalb von Tirol zwischen den miteinander konkurrierenden Supermärkten viel größer sein, beispielsweise zwischen Billa (mit einer geringen Filialdichte) und Spar oder MPreis (mit jeweils hohen Filialdichten). Dies ist jedoch nicht der Fall.

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