Vorwissenschaftliche- und Diplomarbeit
Aufreger künstliche Intelligenz
In der AHS steht die verpflichtende vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) bei der Matura in der Kritik. Ein großer Teil der Lehrergewerkschaft fordert ein Aus. MeinBezirk.at hat bei vier Direktorinnen und Direktoren der höheren Schulen im Bezirk Voitsberg nachgefragt.
VOITSBERG. Viele AHS-Lehrerinnen und -Lehrer fordern ein Aus für die verpflichtende vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) bei der Matura. Neben der Überlastung der Pädagoginnen und Pädagogen wird auch die künstliche Intelligenz (KI) als Argument ins Treffen geführt. ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek lehnt diesen Vorstoß ab.
Die Köflacher AHS-Direktorin Gudrun Finder kann der VWA viel abgewinnen, hätte aber gleichzeitig Verbesserungsvorschläge. "Die vorwissenschaftliche Arbeit ist als praktischer Teil der Reifeprüfung sehr gut, weil hier die Schülerinnen und Schüler optimal auf das Studium vorbereitet werden. Hier lernen sie mit Zitierregeln und Quellenangaben unter Betreuung einer Lehrperson umzugehen." Laut Finder blühen viele Schülerinnen und Schüler bei den Präsentationen ihrer Arbeit regelrecht auf, weil sie oft ihr Hobby zum Thema der VWA machen.
Chat GPT statt Eltern
Den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Chat GPT kann Finder nicht ausschließen. "Früher haben die Mama, der Papa, die Schwester oder der Bruder Deutsch-Hausübungen geschreiben, jetzt ist es eben die KI. Bei den Schularbeiten kommt es dann ohnehin an den Tag, wer was kann." Und die Literatursuche am Handy sei auch voll in Ordnung. Trotz der positiven Aspekte der VWA schlägt Finder vor, dass jede Arbeit einen experimentellen Teil haben müsse wie Interviews, Umfragen oder Experimente. "Der Praxisteil sollte kompakter sein und die VWA sollte bereits im Februar abgeschlossen werden." Und KI-Arbeiten? "Diese sind oft in einem perfekten Deutsch, aber einfalls- und ideenlos. Aber wir stehen bei dieser Entwicklung erst am Anfang."
Diplomarbeiten in der Berufsbildung
Die VWA kommt in der AHS zum Tragen, in den berufsbildenden höheren Schulen wird bei der Matura eine Diplomarbeit gefordert, die natürlich ebenso aufwändig, wenn nicht noch aufwändiger ist. Monika Gruber, Direktorin der HAK Voitsberg, befasst sich schon länger mit dem Thema, wie Schülerinnen und Schüler die KI in solchen Arbeiten einsetzen. "Natürlich ist es für uns Pädagogen eine neue Herausforderung. Aber Chat GPT hat längst Einzug bei uns gehalten. Daher ist es nicht sinnvoll, den Umgang damit in der Schule abzulehnen, sondern Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren. Wir werden nicht verhindern können, dass Arbeiten mit Hilfe der KI verfasst werden. Da braucht es bei den Reifeprüfungen eben andere Fragen. Wir verschlafen in Österreich ohnehin die Entwicklung in diesem Bereich, ein Verbot in den Schulen würde das Ganze noch schlimmer machen." Die Diplomarbeiten in der HAK Voitsberg sind äußerst praxisbezogen, da stecken profunde Projekte dahinter, die von den Wirtschaftslehrerinnen und -lehrern betreut werden.
Karlheinz Sanz, Direktor der HLW Lipizzanerheimat, ist überzeugt, dass man den Einsatz von KI wie Chat GPT bei den Arbeiten merkt. "Wenn etwas perfekt formuliert ist und da Daten drinnen stehen, die man den Schülerinnen und Schülern nicht zutraut, wird man misstrauisch. Außerdem kennen wir Lehrerinnen und Lehrer den Stil unserer Schützlinge." Die Diplomarbeiten hält Sanz für äußerst sinnvoll, schon allein im Sinne des Projektmanagments. "Im Rahmen der Reifeprüfung ist eine Diplomarbeit verpflichtend. Wir erstellen zu jeder Arbeit ein praktisches Projekt." So werden Umfragen ausgearbeitet, Rezepte für Gastwirtinnen und -wirte in eine andere Sprache übersetzt und ähnliches. "Natürlich ist das viel Arbeit für uns Pädagoginnen und Pädagogen, aber sie wird ja auch abgegolten."
Unverzichtbare Arbeiten
Für Alexandra Marchler, Leiterin der HTL Voitsberg, sind Diplomarbeiten unverzichtbar. "Das ist das erste Mal, dass Schülerinnen und Schüler eine Sache wirklich abschließen müssen. Da wird die Theorie in der Praxis angewandt, hier zählt das Fachwissen, das umgesetzt werden muss." KI wie Chat GPT macht ihr keine Sorgen. "Chatbots können nicht programmieren und konstruieren. Natürlich hilft die KI, Inhalte schöner zu formulieren, aber das ist in der HTL nicht entscheidend." Zuletzt wurde beispielsweise eine Konstruktion für Forsttechnik Konrad fertiggestellt. Mindestens 180 Stunden müssen für eine Diplomarbeit der HTL aufgewendet werden. "Die meisten brauchen viel mehr Stunden, weil sie an diesen Arbeiten höchst interessiert sind", so Marchler.
In der Fachschule Maria Lankowitz werden Fachbereichsarbeiten geschrieben, bei der Matura wird mit externen Partnern wie der Benko Business School oder der Bulme kooperiert. Auch hier ist das Thema KI bereits präsent. "Es gab erste Fortbildungen für das Kollegium, trotzdem sind wir da noch im Anfangsstadium", so Direktorin Margit Langmann. "Bei uns geht die Praxis mehr im Mittelpunkt, auch bei der Fachbereichsarbeit ist die Praxisbezogenheit groß. Da ist die künstliche Intelligenz nicht so ausschlaggebend."
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