"Unser Bezirk ist gespalten"
Der steirische Vizepräsident der WKO, Andreas Herz, wünscht sich einen "Runden Tisch" aller Stakeholder im Bezirk.
Die Voitsberger Tunnelsanierung ist in aller Munde. Sie sehen Sie als WKO-Vizepräsident, der im Bezirk Voitsberg wohnt, die Situation?
Andreas Herz: Diese Baustelle, die uns die nächsten zweieinhalb Jahre begleiten wird, ist eine herausfordernde Situation für die Wirtschaft und die gesamte Bevölkerung. Eine so lange Bauzeit kann starke Auswirkungen auf die Firmen wie massiven Kundenrückgang haben. Vor allem bin ich neugierig, wie die Unternehmen, die auf den ÖDK-Flächen bauen wollen, reagieren. Ich hoffe, dass das Verkehrskonzept gut ist, aber wir müssen vor allem auf unsere Leitbetriebe aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt.
Welche meinen Sie damit?
Herz: Man muss bedenken, dass 25% aller im Bezirk Voitsberg Beschäftigten bei drei Betrieben - Stözle, Krenhof und Firma Bauer - im Einsatz sind. Weitere 25% teilen sich auf 22 Betriebe auf. Das heißt, dass sich die Hälfte aller Beschäftigten in unserem Bezirk auf 25 Unternehmen aufteilt. Wenn aufgrund der Verkehrssituation der eine oder andere Betrieb sich überlegt, woanders hinzugehen, wäre das höchst dramatisch.
Sie gelten als kritischer Geist, der klare Worte findet. Wie steht es um unseren Bezirk?
Herz: Alle wirtschaftlichen Parameter sind derzeit sehr gut, auch die Stimmung passt, obwohl wir alle mit dem leidigen Thema Lehrlings- und Fachkräftemangel zu kämpfen haben. Es wird Zeit, dass unser Bezirk wieder Anschluss an die restliche Steiermark findet, vor allem in Sachen Verkehrsinfrastruktur, also B70, und Datenhighway, wo derzeit zum Glück viel passiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir bis 2030 mit einem Bevölkerungsrückgang von vier Prozent zu kämpfen haben.
Was ist daran so besorgniserregend?
Herz: Es wandern vor allem die jungen Frauen ab und siedeln sich mit ihren Familien in die Nähe ihrer Arbeitsplätze an, also in Graz, Graz-Umgebung, Leibnitz und Weiz/Gleisdorf. Uns droht als Bezirk die Überalterung, im Jahr 2030 wird jeder Fünfte über 60 sein, im Jahr 2050 jeder Dritte.
Was kann man dagegen tun?
Herz: Wir müssen die Rollau als Industriegebiet umsetzen, denn so können wir industrielle Arbeitsplätze schaffen, die nicht weit von den weststeirischen Städten weg sind. Im Bezirk Deutschlandsberg setzten sich alle Politiker über die Parteiengrenzen hinweg und finalisierten den Bahnhof Groß St. Florian in Unterbergla. Unser Bezirk ist gespalten - in einen oberen und einen unteren Teil mit der Engstelle Kremser Reihen. Die Bürgermeister der Städte Bärnbach, Köflach und Voitsberg müssen einsehen, dass die Rollau für das Überleben des oberen Teils entscheidend ist, denn der untere Teil, wie Söding-St. Johann, Mooskirchen, Krottendorf, Ligist oder Stallhofen, überlebt sowieso, weil sie dem erweiterten Speckgürtel von Graz angehören. Gibt es in der Rollau genügend Arbeitsplätze, siedeln die Bärnbacher, Köflacher und Voitsberger nicht ab, sondern bleiben in ihren Städten wohnen.
Was schlagen Sie vor?
Herz: Ich schlage einen "Runden Tisch" vor, wo sich alle Stakeholder des Bezirks zusammensetzen und ein Generalkonzept erarbeiten. Jetzt werden viele aufheulen und sagen, das haben wir bereits. Aber es gibt keines im Sinne der Unternehmer und der Bevölkerung quer über alle Parteigrenzen hinweg. Wir brauchen einen Schulterschluss vom diesseigen und jenseitigen Teil der Kremser Reihen. Die nächsten drei Jahre werden herausfordernd und richtungsweisend. Schafft es die Politik, das Industriegebiet in der Rollau hochzufahren, haben wir gute Chancen, den Anschluss zu schaffen. Sonst wird es schwieriger als je zuvor.
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