30 Jahre Fall Eiserner Vorhang
"Man sah 40 Jahre Stillstand"

Fall des Eisernen Vorhangs: Der Historiker und pensionierte AHS-Professor Erwin Pöppl erinnert sich zurück. | Foto: Koller
  • Fall des Eisernen Vorhangs: Der Historiker und pensionierte AHS-Professor Erwin Pöppl erinnert sich zurück.
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Vor 30 Jahren fiel der Eiserne Vorhang. Zeitzeugen aus dem Bezirk Waidhofen/Thaya schildern ihre Erlebnisse.

BEZIRK. Heuer jährt sich der Fall des Eisernen Vorhangs und der Abbau der Grenzbefestigung zwischen Österreich und Tschechien zum 30. Mal. Die Bezirksblätter haben Zeitzeugen befragt, wie sie das historische Ereignis im Jahr 1989 erlebten. Stadthistoriker von Waidhofen an der Thaya Erwin Pöppl erinnert sich: "Unsere Nachbarn, die Tschechen, wurden von den Kommunisten der Sowjetunion vierzig Jahre durch den Eisernen Vorhang, Stacheldraht, Wachtürme und Grenzposten von Westeuropa weggesperrt wie in einem Gefängnis." Am 4. Dezember 1989 wurden die Grenzen zwischen Österreich und der damaligen Tschechoslowakei offiziell aufgebrochen und man durfte nun ohne Visum ein- und ausreisen.

Ansturm auf Elektrogeräte

Die ersten Tage nach der Grenzöffnung haben sich noch kaum Menscvhen über die Grenze gewagt. "Das erste Mal kamen viele Tschechen am 9. Dezember ins Waldviertel. Sie waren euphorisch und vor allem von den vorweihnachtlichen Auslagen überwältigt", blickt Pöppl zurück. Österreich war für sie ein "Paradies", denn hier bekamen sie alles, was sie zuhause nicht hatten: Kühlschränke, Staubsauger und Frittiermaschinen waren heiß begehrt und die Elektrofachmärkte überrannt. "Die Planwirtschaft der Kommunisten hat geschaut auf Panzer, Raketen, Spionageabwehr. Die Wünsche der Menschen waren völlig egal. Die Tschechen waren komplett ausgehungert und haben bei uns eingekauft wie verrückt. Die Österreicher haben im Gegenzug bei ihnen billig gegessen, Zigaretten gekauft und getankt oder sind in die Casinos und Bordelle gegangen. Das waren die ersten gegenseitigen Geschäfte", erzählt der Historiker, der selbst tschechische Vorfahren hat.

Dörfer wie in den 50er Jahren

Ende 1989 begannen auch Bürgermeister und Vereine über die Grenze zu fahren, um Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel von Kautzen nach Alsta, von Waldkirchen nach Zlabings oder von Gmünd nach Ceske Velenice. Bei den ersten Besuchen im Nachbarland wurde deutlich: "Man sah 40 Jahre Stillstand. Straßen waren nicht ausgebaut und die Verkehrsverhältnisse waren katastrophal. Alles war dreckig und grau. Dadurch, dass sie kein Kriegsgebiet waren und somit nichts bombardiert wurde, konnten die Städte im Originalzustand erhalten bleiben. Jedoch waren sie ungepflegt, da kein Geld da war. Inzwischen gehören die tschechischen Städte zu den schönsten europäischen Kulturjuwelen."

Erwin Pöppl, zu der Zeit Vertreter des Sportvereins Waidhofen in Teltsch, erlebte die tschechischen Nachbarn als sehr freundlich und euphorisch. Verständigt wurde sich aufgrund der Sprachbarriere hauptsächlich durch "Zeichen- und Deutungssprache". Die Tschechen konnten zumindest schon ein bisschen Deutsch. Als Kellner, Bauhilfsarbeiter und Erntehelfer verdienten sie ihr erstes Geld im Waldviertel.

Ein schwieriges Verhältnis

Trotz erster Annäherungen war das Verhältnis schwierig. "Ungebildete" Österreicher fühlten sich überlegen und verhielten sich demütigend und abwertend gegenüber Tschechen. "In den ersten Jahren nach der Grenzöffnung habe ich mich für einige meiner Landsleute geniert. Österreicher haben sich Zigaretten mit brennenden 20-Kronen-Banknoten angeraucht. Die beiden Völker sind sich sehr ähnlich, haben aber vor allem in Bezug auf ihre historische Vorgeschichte bis heute ein schwieriges Verhältnis", so Pöppl.

Rückblick: Der Eiserne Vorhang in Östereich

Fast 40 Jahre teilte der Eiserne Vorhang Europa. In Österreich verlief er entlang der Grenze zwischen der ČSSR (Tschechoslowakische Sozialistische Republik) und Ober- und Niederösterreich sowie zwischen Ungarn und dem Burgenland. An den Grenzverläufen hatten die kommunistischen Nachbarländer befestigte Anlagen errichtet, bestehend aus Stacheldraht, Minen, elektrischen Zäunen und Wachtürmen. Soldaten bewachten und kontrollierten die Grenze. Österreicher brauchten ein Visum, um nach Ungarn oder Tschechien zu fahren. Hunderte Flüchtlinge kamen beim Versuch, über den Grenzfluss Thaya zu schwimmen, ums Leben, viele wurden erschossen. Im Mai 1989 begann Ungarn, die Befestigungen an der Grenze zu Österreich abzubauen. Im Zuge der politischen Umwälzungen begann auch die Tschechoslowakei ab dem 4. Dezember 1989 mit dem Abbau des Eisernen Vorhangs.

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