Volkskultur in der technischen Welt
MBr2020: Puch und Konsorten
Das 2020er Moped Beschleunigungsrennen (MBr2020) im PS Racing Center Greinbach, veranstaltet vom Puch Club Magazin, bot eine lebhafte Geselligkeit mit genügend Raum, um Sicherheitsabstände zu wahren.
Die Behörde hatte den Organisatoren keine Steine in den Weg gelegt. Das gesamte Set war so gehalten, daß Menschen in Eigenverantwortung zusammenkommen und ihr Hobby pflegen konnten.
Dieses MBr2020 ist ein Beispiel für das, was Ethnologe Hermann Bausinger eine „Volkskultur in der technischen Welt“ nannte. Vor allem einmal: kein Produkt der Unterhaltungsindustrie, kein Freizeitangebot von Konzernen. Es kam aus der Schrauber-Szene und wurde für die Schrauber-Szene gemacht.
Außerdem war die Veranstaltung Ausdruck des Bemühens, sich von aktuellen Problemen durch die Corona-Pandemie nicht zur Passivität zwingen zu lassen. Es wußte ja bei den ganzen Vorbereitungen niemand, ob die Veranstaltung dann auch wirklich stattfinden darf, da sich die Rahmenbedingungen praktisch täglich änderten.
Weshalb Volkskultur? Was Menschen in ihrer Freizeit tun, wofür sie ihre individuellen Leidenschaften einbringen, hat hier zwei besondere Aspekte
1) Sie wollen in Gemeinschaft zeigen, was sie können.
2) Sie mögen es nicht, wenn ihnen wer von außen oder oben zuruft, wie das laufen soll.
Ich denke, das sind wesentliche Bestandteile einer Volkskultur. Diese Selbstbestimmung, weil einem eh in der Hackn Vorgesetzte sagen, was man tun soll und auch sonst in etlichen Lebensbereichen Reglements gelten, die man nicht mitbestimmt hat.
Aber so ein Szene-Ereignis kommt aus gemeinsamen Interessen. Leidenschaft. Freizeit. Selbstbestimmung. Keine Zurufe von szene-fremden „Autoritäten“. Darum geht es in solchen Zusammenhängen. Dazu kommt etwas, das von vielen Menschen übersehen wird.
Wir sind längst mitten in der Vierten Industriellen Revolution angekommen. Vieles, was menschliche Handfertigkeit und handwerkliche Kompetenzen ausmacht, wird von der Wirtschaft nicht mehr gebraucht, daher nicht mehr bezahlt. Es verschwindet zunehmend.
Die Schrauber-Szene ist darin eine kulturelle Nische, in der solche Fertigkeiten erhalten bleiben. Ein Milieu, in dem auch junge Leute sich Know how aneignen, das in Betrieben vielfach nicht mehr angeboten wird. Es sind oft subkulturelle Nischen, in denen sich Umbrüche als Prozessen vollziehen, nicht als Abstürze.
Was ich damit meine? Ein Beispiel: „Der letzte gelernte Fahrradmechaniker. Mit Werner Kunster (77) hat der letzte seiner Art seine Werkstatt in Graz zugesperrt. Sein Beruf allerdings erlebt inzwischen eine Renaissance.“ (Kleine Zeitung, 19. Oktober 2020)
Und in der Moped-Szene? Sie werden heute nicht mehr allzu viele Zwanzigjährige finden, die ansatzlos zwischen alter Drehbank und aktueller CNC-Fräse pendeln können, um Komponenten für ein Fahrzeug anzufertigen.
Dabei geht es nicht bloß um das Herstellen von Dingen, sondern auch um Materialkenntnisse, Genauigkeit, Respekt vor der Materie und um ein feines Gefühl für das Funktionieren von Mechanismen. (Siehe zum Thema auch: "Was ist Volkskultur´?")
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