Hohe Dunkelziffer
Anzahl der Drogenlenker in Wien um 50 Prozent gestiegen
Laut einer Dunkelfeldstudie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) soll die Anzahl der Autofahrenden unter Einfluss von Drogen in Wien zuletzt auf 75.000 (2021: 50.000), also um 50 Prozent, gestiegen sein. Das Kuratiorium für Verkehrssicherheit (KFV) ortet hierzulande eine "deutliche Untererfassung" von Drogendelikten im Straßenverkehr.
ÖSTERREICH/WIEN. Autofahrende, die unter Einfluss von Suchtmittel stehen, stellen eine große Gefahr für andere Verkehrsbeteiligte dar. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) seien die Möglichkeiten der Polizei zur Kontrolle hierzulande aber aufwendig und begrenzt. Die Dunkelziffer bleibt zumeist verborgen. "Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern werden in Österreich daher nur wenige Drogenlenker aus dem Verkehr gezogen und angezeigt", heißt es vonseiten des KFV in einer Aussendung.
Um die ungefähre Dunkelziffer zu ermitteln, werden Dunkelfelduntersuchungen gemacht. Ziel dabei ist es, Erkenntnisse über das Gesamtaufkommen bestimmter Straftaten einschließlich des sogenannten (relativen) Dunkelfeldes, also der bei der Polizei nicht bekannten Straftaten, zu gewinnen. Mittels dieser Methode kann nicht nur die "Spitze des Eisbergs" erhoben werden, sondern auch mit relativer Genauigkeit, was darunter liegt. Mit einer aktuellen Studie dieser Art lässt das KFV aufhorchen. Den Erhebungen der Sicherheits- und Unfallpräventionsinstitution zufolge soll die Zahl der "Drogenlenker" zuletzt stark angestiegen sein.
Hohe Dunkelziffer in Wien
Demnach haben laut KFV in den vergangenen zwölf Monaten fünf Prozent der für die Studie Befragten (n=1.004) einen Pkw gelenkt, obwohl sie unter Drogeneinfluss gestanden sind. Das seien hochgerechnet rund 250.000 Personen in Österreich. Seit einer Vergleichsstudie im Jahr 2021 sei damit die Anzahl der Drogenlenkenden um 23 Prozent gestiegen (2021: 204.000 Personen). Von der Polizei angezeigt waren laut KFV im Vorjahr aber nur 8.676 Personen (rund drei Prozent davon).
Allein in Wien soll seit der letzten Dunkelfeld-Befragung im Jahr 2021 die Anzahl der Drogenlenkenden von 50.000 auf 75.000 Personen im Jahr 2023 gestiegen sein – das wäre ein Plus von 50 Prozent. Wie die Polizei gegenüber MeinBezirk.at angab, wurden in Wien im vergangenen Jahr 2.657 Anzeigen (etwa 3,5 Prozent davon) im Zusammenhang mit Drogen am Steuer verzeichnet. "Drogen im Straßenverkehr sind ein massives Sicherheitsrisiko. Effiziente Maßnahmen gibt es, sie müssen in Österreich aktiv und mit Nachdruck umgesetzt werden", verlangt KFV-Direktor Mag. Christian Schimanofsky.
Seit der Speichelvortest 2017 eingeführt worden ist, soll sich die Anzahl der überführten Drogensünder hinter dem Steuer in Österreich fast vervierfacht haben, so das KFV. Die Vortests dienen bei Verkehrskontrollen dazu, den Verdacht des Fahrens unter Drogenkonsum zu erhärten.
Als gesicherter Beweis gelten diese laut dem KFV aber nicht. "Grundlage der Strafbarkeit im Straßenverkehr ist in Österreich nicht der bloße Konsum von Drogen, sondern die tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, die mittels ärztlichem Gutachten festgestellt wird", erklärt Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Recht und Normen im KFV. Im Zuge dessen wird den Verdächtigen auch Blut abgenommen, wobei es vor allem am Wochenende, mitten in der Nacht und am Land oft gar nicht so einfach sei, eine Ärztin oder einen Arzt hinzuzuziehen. Zudem vergehe bei der Arztsuche oft wertvolle Zeit, die Polizisten nicht hätten.
Verstärkter Einsatz von Speichelvortests gefordert
Im Gegensatz zu Drogen entscheide beim Alkohol in Österreich schon lange das Überschreiten bestimmter Grenzwerte über die Strafbarkeit im Straßenverkehr bzw. den Führerscheinentzug. Während in Deutschland, der Schweiz und in fast allen anderen Ländern in Europa längst der Nachweis einer Droge im Speichel als Grundlage der Strafbarkeit diene, sei das in Österreich noch wesentlich komplizierter. "Das KFV fordert den verstärkten Einsatz von geeigneten Speichelvortestgeräten sowie den Einsatz von Speichel, der im Labor auszuwerten ist, als beweissichere Grundlage für Sanktionen bei Drogen im Straßenverkehr. Spätestens seit Corona können die Menschen perfekt mit dem Verfahren der Speichelproben umgehen", betont Kaltenegger.
Als Beweis für das Vorhandensein von Drogen im Körper soll laut Forderung des KFV künftig eine Speichelprobe dienen, die nach der Abnahme in einem Labor ausgewertet wird. Für die Abnahme vor Ort ist kein medizinisches Personal notwendig. "Die Auswertung kann zum Beispiel bei Planquadraten analog wie in Italien in einem mobilen Drogenanalyselabor direkt vor Ort durchgeführt werden. Dadurch liegt das beweissichere Speichelergebnis bereits in 60 bis 90 Minuten vor", erklärt Raffaela Neustifter, Psychologin und Verkehrsexpertin im KFV. Ein solches mobiles Labor, dass das KFV für Demonstrationszwecke nach Österreich geholt hat, wird vom KFV nun auch für Österreich gefordert. Im mobilen Labor befinden sich Analysegeräte, Laborinstrumente und Computer.
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