Fall Franz Fuchs
Vor 30 Jahren begannen die Briefbombenattentate in Wien
Vor 30 Jahren verletzte eine Briefbombe den damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) schwer. Es war einer der Auftakte zu einer schrecklichen Serie an Bombenanschlägen quer durch Österreich mit vier Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Nicht nur prominente Gesichter standen auf der Anschlags-Liste von Franz Fuchs.
WIEN. Am Sonntagabend, 5. Dezember 1993, erschüttert eine Explosion den sonst so friedlichen Vorweihnachtsabend in der Wiener Innenstadt. Der damalige Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) war gerade mit einer Maschine aus Zürich gelandet, bereits im Dienstwagen auf dem Weg zu seiner Wohnung schaut er die dienstliche Post durch.
Die Privatpost durchforstet Wiens Stadtchef erst zu Hause. Er reißt einen der an ihn adressierten Kuverts auf. Und genau dort, in der Wohnung in der Naglergasse 2, gibt es um Punkt 20.06 Uhr plötzlich einen lauten Knall.
"Nie gekannte Radikalisierung"
Zilk wurde durch eine Briefbombe schwer verletzt. Seine linke Hand ist regelrecht zerfetzt worden. Er wird in die Notaufnahme des AKH gebracht. Der Bürgermeister verliert viel Blut, ist sogar kurzzeitig in Lebensgefahr. Er war eines der Opfer der ersten Briefbombenserie von Franz Fuchs. Der damalige Bundespräsident Thomas Klestil (ÖVP) eilt ins AKH zu dem schwer verletzten Zilk. Er spricht von einer "Radikalisierung in unserer Republik, die wir bisher nicht gekannt haben". Von 3. bis zum 6. Dezember erreichten die ersten Kuvertbomben des Attentäters Fuchs ihre Adressaten. Vier davon explodierten.
Unter den Opfern waren der steirische Pfarrer August Janisch, Silvana Meixna als Mitarbeiterin der "ORF"-Minderheitsredaktion sowie eben der Wiener Stadtchef. Alle haben eines gemeinsam: Sie setzten sich für die Hilfe und Rechte von Geflüchteten bzw. Migrantinnen und Migranten ein. Ebenso wurde eine Masseverwalterin verletzt, als eine Bombe detonierte, welche an den islamischen Ausländer-Hilfsverein gerichtet war.
Jahre der Angst
Zilk konnte das Spital lebend verlassen. Er soll vom Attentat jedoch bis zu seinem Tod gezeichnet sein: Zwei Finger fehlten fortan seiner linken Hand. Er ist wohl das prägende Gesicht dieser verhängnisvollen Jahre von 1993 bis 1996. Schnell wurde vermutet, dass die Attentate einen rechtsradikalen Hintergrund haben.
Auf die explosive Post folgten Bekennerschreiben. Die "Bajuwarische Befreiungsarmee – BBA" stecke dahinter. Geprägt waren die Briefe von deutschnationalen Verschwörungstheorien und rassistischer Hetze. Dass die BBA in Wahrheit ein Einzeltäter - also nur Fuchs - ist, ahnt anfangs niemand. Erst im Laufe der Zeit entwickelte man eine Einzeltätertheorie.
Insgesamt sechs Briefbombenserien wurden von dem steirischen Attentäter verschickt. Darunter prominente Gesicher wie die Moderatorin Arabella Kiesbauer. In vielen Fällen konnten die Briefe jedoch aus dem Verkehr gezogen werden.
Auch an internationale Adressen wurden Bomben versendet, etwa das Wiener Büro des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen oder Dietrich Szameit (SPD), den damaligen stellvertretenden Bürgermeister von Lübeck. Es schien, als könnte es jeden treffen, der sich irgendwie für Menschen einsetzte oder mit diesen in Verbindung gebracht werden konnte. Sogar Angela Resetarits, die Mutter von Lukas, Willi und Peter Resetarits, hätte eine Bombe erhalten sollen.
Es traf die Schwächsten
Fuchs ging aber nicht nur mit Briefbomben vor. Er hatte auch die schwächsten in der Gesellschaft im Visier. In Klagenfurt deponierte er 1994 eine Rohrbombe in einer zweisprachigen deutsch-slowenischen Volksschule. Der Polizist und ausgebildete Sprengmeister Theo Kelz verlor beide Hände, als er versuchte, die Bombe zum Entschärfen auf einen Flughafen zu bringen. Sie detonierte beim Abtransport.
Die wohl einprägendste Tat war jedoch der Vierfachmord von Oberwart im Jahr 1995. Fuchs stellte in der Nähe einer Roma-Siedlung ein Schild auf, welches mit einem Sprengsatz versehen wurde. Darauf stand: "Roma zurück nach Indien". Die Vier Roma Peter Sarközi, Josef Simon sowie Karl und Erwin Horvath versuchten das Schild zu entfernen, als sie es gefunden hatten. Die Bombe detonierte, alle vier kamen ums Leben.
Zufall half bei Aufklärung
Erst im Oktober 1997 gelang es Fuchs festzunehmen. Und hier spielte der Zufall wohl mit. Der Attentäter kam in eine Verkehrskontrolle der Gendarmerie. Es war zufällig der Tag des Beginns der Rasterfahndung in Österreich. Fuchs schien sich auf das Gestelltwerden vorbereitet zu haben, denn er hatte eine Rohrbombe bei sich. Er zündete diese im Glauben, entlarvt worden zu sein. Der Suizidversuch scheiterte, Fuchs verlor dabei jedoch beide Hände. Die beiden Gendarmen wurden zum Teil schwer verletzt.
Es folgten umfangreiche Hausdurchsuchungen, bei denen man verschiedene Materialien zum Bombenbau fand. Im Februar 1999 machte man Fuchs am Landesgericht für Strafsachen in Graz den Prozess. Der Attentäter versuchte immer wieder den Prozess zu blockieren, so skandierte er Parolen wie "Es lebe die BBA!" und ausländerfeindliche Hasstiraden.
Fuchs' Verteidiger versuchte, Zweifel an der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Einzeltätertheorie zu schüren, Fuchs sei lediglich ein Beitragstäter in der vermeintlichen Vereinigung BBA gewesen. Dem hielt Staatsanwalt Johannes Winklhofer bereits in seinem Eröffnungsplädoyer entgegen: "Franz Fuchs ist die BBA, die BBA ist Franz Fuchs."
Fuchs wurde vom Schwursenat wegen des vierfachen Mordes sowie zahlreicher Mordversuche und Körperverletzung zu einer Haft auf Lebensdauer verurteilt. Zudem wurde er in ein forensisch-psychiatrisches Zentrum eingeliefert. Seiner Haftstrafe setzte Fuchs selbst ein jähes Ende. Am 26. Februar 2000 erhängte sich der verurteilte Bombenbauer mit dem Kabel seines Rasierapparates.
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