Prävention
Wiener Polizei sucht Maßnahmen gegen Jugendkriminalität
Die steigende Zahl von Strafdelikten durch Jugendliche und Kinder, die auch immer gewaltsamer ausgeführt werden, veranlasst die Wiener Polizei, eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zu bilden. Bei dieser sollen alle Player gemeinsam am Tisch sitzen und langfristige Lösungen suchen. Konkrete Strategien sollen wohl im Sommer präsentiert werden.
WIEN. Umhertreibende Jugendbanden, die nach Vorbild der Mafia Schutzgeld beim Händler um die Ecke einfordern, ein 13-jähriger "Intensivtäter" mit 140 Straftaten am Konto und Minderjährige, die zu immer raueren Gewalt neigen. Es sind sicherlich die extremsten Fälle, die man bei der Wiener Polizei am Montag, 26. Februar, im Rahmen eines Medientermins als Beispiele herausgepickt hat.
Doch Fakt sei, und das wird ebenfalls betont: Die Jugend- und Kinderkriminalität ist in den vergangenen Jahren gestiegen, besonders im Bereich der Straßenkriminalität, der Drohungen und des Cybermobbings.
Gewaltdelikte "intensiver" geworden
Laut Erhebungen der Polizei soll die Zahl der Strafanzeigen gegen 10- bis unter 14-Jährige in Wien im Jahr 2022 bei 2.815 gelegen sein. Zum Vergleich: 2021 waren es 1.536, vor rund zehn Jahren gar noch 1.474 (2013). Für 2023 liegen noch keine Gesamtzahlen vor.
Diese Zahlen seien aber mit Vorsicht zu genießen, da es bis dahin auch demografisch (etwa veränderte Altersgruppenstrukturen) einen merklichen Wandel gab. Auch die Sensibilisierung, vermehrt Anzeige zu erstatten – vor allem in Schulen – sei Grund für den Anstieg in der Statistik. Was eher aufhorchen lässt, ist die Erkenntnis der Polizei, dass die Gewalt, von Personen ausgeführt, die unter 18 sind, merklich "intensiver" geworden sei.
Die polizeiliche Arbeitsgruppe "Jugend- und Kinderkriminalität" sei zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass "wir irgendwann einen Punkt erreicht haben, wo wir mit den polizeilichen Methoden in der Sackgasse sind", so Polizeijurist und Arbeitsgruppenleiter Walter Dillinger. Kurz: es würden Maßnahmen bei straffälligen Minderjährigen fehlen.
Arbeitsgruppe soll Strategien finden
Es benötige daher Alternativen, da es sich bei der Jugendkriminalität um ein komplexes Thema handelt. "In Wirklichkeit ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", so Dillinger weiter. Das beginne bereits bei der Erziehung durch die Eltern, setze sich in der Schule fort und gehe dann auch ins Jugendamt über, wenn etwas "nicht funktioniert".
Dass gerade im vergangenen Jahr spektakuläre Fälle den Blickpunkt auf das Thema Jugendkriminalität gelenkt haben, schilderte Gerhard Winkler, Leiter des Ermittlungsbereichs im Wiener Landeskriminalamt (LKA). Vor allem zum Anlass nahm man den Extremfall eines 13-jährigen Intensivtäters aus Wien, der mehr als 140 Straftaten in einem Jahr begangen haben soll.
Daher sei man zu der Entscheidung gekommen, die Arbeitsgruppe auszuweiten. Das soll jedoch nicht in die polizeiliche Richtung passieren. Da auch Strafmündigkeit und die begrenzten Möglichkeiten bei der polizeilichen Arbeit ein Thema sind, habe man sich die Frage gestellt, ob man auch "andere Wege" beschreiten kann.
Magistrate, NGOs, Gerichte eingeladen
Dazu hat man in Kooperation mit dem Bundeskriminalamt (BK) andere Behörden eingeladen, eine Arbeitsgruppe zu bilden und gemeinsame Strategien zu finden, um den Status quo zu verändern. Eingeladen sind Vertreter aus der Justiz, Staatsanwaltschaft, aber auch aus Jugend- und Familiengerichtshilfe. Außerdem dabei seien die verschiedenen, zuständigen Magistrate (MA 11, MA 13, MA 17), die Psychosozialen Dienste Wien, das Fonds Soziales Wien (FSW) und eine Reihe NGOs, darunter "Neustart", und diverse Einrichtungen mit betreutem Wohnen.
Das Zauberwort dabei: Präventionsmaßnahmen. Ziel der Arbeitsgruppe sei es, sich bis Ende Juni die bestehende Gesetzeslage anzusehen, wo Maßnahmen fehlen und ob es etwaige Optimierungsmöglichkeiten gibt. An dieser Stelle betont Dillinger, dass das Strafmündigkeitsalter unantastbar bleibt.
"Wir glauben, dass es mit 14 Jahren gut aufgehoben ist", so der Arbeitsgruppenleiter. Sehr wohl aber überlege man sich, bei minderjährigen "Intensivtätern" – besonders bei der Präventionsschiene – neue Ansätze zu entwickeln. Konkret stehe die Diskussion einer Art "soziale Unterstützung" für Jugendliche bzw. Unmündige im Raum, da gäbe es bereits die ein oder andere Überlegung. Zweimal traf sich die mittlerweile rund 50 Personen umfassende Arbeitsgruppe bereits. Der nächste Termin soll im April stattfinden. Eine vorläufige Bilanz zu einem etwaigen Handlungsbedarf soll voraussichtlich Ende Juni kommen.
Einer der wichtigsten präventiven Ansätze für die Polizei ist die Zusammenarbeit mit den Pflichtschulen, wie Präventionsbeamtin Christine Gabriel beim Gespräch ausführt. Man habe sich mit den Schuldirektoren in Wien zusammengesetzt. Parallel dazu laufen bereits seit Längerem eine Reihe Maßnahmen, etwa Workshops an Schulen zum Thema Präventionsarbeit, die an die Minderjährigen, an deren Eltern und ans Lehrpersonal gerichtet ist. Diese Personengruppen werden im Rahmen des Präventionsprogramms "Click & Check" mit "gewaltpräventiven Inhalten sehr realitätsnah" herangeführt.
Präventionsprogramm an Schulen
Bei den Präventionsbediensteten handelt es sich um Polizisten, die speziell zu diesem Zwecke ausgebildet sind: "Diese vermitteln österreichweit standardisiert und strukturiert die gesetzlich vorgegebenen Inhalte der Gewaltprävention", heißt es von der Polizei. Angefragt können diese durch die jeweilige Schulleitung unter der allgemeinen Servicenummer der Polizei (059 133).
Es gibt auch Präventionsabende für Eltern, bei denen diese erfahren, welchen potenziellen Gefahren ihre Kinder ausgesetzt sind, bei denen ihnen Begriffe wie "Sexting" oder "Grooming" erläutert werden oder wo sie etwa erfahren, wie sie ihren Sprösslingen altersgerechte Computerspiele anbieten können. Man sei aber derzeit nicht in der Lage, das Präventionsprogramm flächendeckend anzubieten. "Wir haben über 700 Pflichtschulen in Wien, ein flächendeckendes Angebot ist daher ressourcentechnisch nicht möglich", räumt Gabriel ein.
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