Innenministerium prüft
Gibt es in Wien eine geheime chinesische Polizei?
Laut einem NGO-Bericht gibt es weltweit ein Netzwerk von chinesischen Polizeistationen, die mehr oder weniger im Verborgenen tätig sind. Eine Übersee-Polizeistation soll es auch in Wien geben. Das Innenministerium prüft die Hinweise.
WIEN. Die schwedische Menschenrechtsorganisation "Safeguard Defenders" hat Mitte September einen Bericht veröffentlicht, laut dem es ein weltweites Netzwerk von chinesischen Polizeistationen gibt, das mehr oder weniger im Verborgenen aufgebaut wurde. Eines der sogenannten "Übersee-Stationen" (ÜBS) soll sich in Wien befinden.
Laut der NGO gibt es Anzeichen dafür, dass diese Polizeistationen gezielt chinesische Regimekritikerinnen und -kritiker ins Visier nehmen. Insbesondere betroffen sind Chinesen aus Auswandererregionen wie Fujian. Die Mitarbeiter dieser "Übersee-Stationen" sollen laut dem Bericht zwischen April 2021 und Juli 2022 230.000 chinesische Staatsbürger "überredet" haben, "freiwillig" nach China zurückzukehren.
Innenministerium prüft Vorwürfe
Dem Innenministerium (BMI) ist der NGO-Bericht bekannt. "Die zuständigen österreichischen Behörden prüfen die gegenständlichen Hinweise. Die internationale Zusammenarbeit steht dabei auch im Fokus der Behörden", sagte BMI-Sprecher Harald Sörös auf BezirksZeitung-Anfrage. Das BMI duldet "unter keinem Umständen" verbotene Tätigkeiten fremder Nachrichtendienste oder Polizeibehörden. Konkrete Informationen über die Hinweise wollte man nicht preisgeben. "Mangels Zuständigkeit" konnte die Wiener Polizei keine Angaben machen.
"Die Attraktivität Österreichs als Operationsgebiet für fremde Nachrichtendienste ist nach wie vor hoch. Dass dabei auch Diasporagemeinden in den Fokus geraten und so Einfluss in Österreich geübt wird oder mitunter sogar Konflikte nach Österreich getragen werden, können und werden wir nicht akzeptieren", sagte BMI-Sprecher Harald Sörös.
Im Bericht wird unter den "Qingtian Übersee-Polizeistationen" Wien genannt. Ähnliche Polizeistationen soll es auch in Budapest, Bratislava und Frankfurt geben. Die "innovativen Zentren für Polizeidienstleistungen in Übersee" wurden in 21 Städten in 15 Ländern eingerichtet. Eingestellt wurden 135 in Qingtian geborene Überseechinesen, "koordiniert von einem inländischen Verbindungszentrum". Qingtian ist ein Kreis in der Stadt Lishui in der südchinesischen Provinz Zhejlang mit mehr als 500.000 Einwohnern.
In einem chinesischsprachigen Artikel wurde im Februar 2021 die Wiener ÜBS genannt. Am 7. Februar 2021 veranstaltete das Büro für öffentliche Sicherheit der Stadt Lishui eine "Belobigungssitzung für Auslandsstationen und Einzelpersonen". Unter den zehn ausgezeichneten Stationen befindet sich auch Wien (siehe Screenshot unten).
Ermittlungen in anderen Ländern
Die deutsche "Tagesschau" berichtet, dass, anders als der Name vermuten lässt, es sich bei den ÜPS nicht um feste Einrichtungen handelt, sondern von einzelnen Personen, die polizeiliche Aufgaben wahrnehmen – im Auftrag der chinesischen Behörden. Laut "NDR" und "WDR" gehen deutsche Sicherheitsbehörden davon aus, dass die Arbeit der chinesischen Polizeivertreter ("Gemeindeführer") über WeChat-Gruppen und -Videokonferenzen organisiert wird. Auch soll es eine enge Anbindung an das chinesische Ministerium für öffentliche Sicherheit bestehen.
Im vergangenen Monat berichteten niederländische Medien, dass entsprechende Stationen in Amsterdam und Rotterdam genutzt wurden, um die Kritiker zu verfolgen und zu schikanieren. Die chinesische Regierung wurde inzwischen offiziell aufgefordert, diese Polizei-Büros zu schließen und derartige Aktivitäten zu unterlassen. Entsprechende Untersuchungen zu solchen Übersee-Stationen wurden auch in Frankreich, Portugal und Schweden eingeleitet.
Laut dem "Spiegel" (Paywall) handelt es sich für die Behörden in Peking dagegen um ein Missverständnis. Die Büros dienten lediglich als Servicecenter für chinesische Bürgerinnen und Bürger im Ausland. Ein Sprecher des chinesischen Außenamts sagte, diese Büros seien während der Corona-Pandemie eingerichtet worden, um bürokratische Angelegenheiten zu vereinfachen, etwa um chinesische Führerscheine zu verlängern.
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