Wiener Spitäler
Infiziertes Personal im klinischen Bereich "undenkbar"
Dass symptomlos Infizierte ab 1. August auch in Spitälern und Pflegeeinrichtungen arbeiten gehen dürfen, sorgt bei den Wiener Spitälern für Kopfschütteln und viele offene Fragen. Die Kritik ist groß.
WIEN. Mit 1. August wird die Quarantäne für Corona-Infizierte durch Verkehrsbeschränkungen ersetzt. CoV-Positive müssen nicht mehr zu Hause bleiben, sondern können sich weitgehend frei bewegen sofern sie durchgehend eine FFP2-Maske tragen oder im Freien ein Sicherheitsabstand von zwei Metern gegeben ist.
Kritik aus Politik und Wirtschaft
Aus Wien gibt es dazu überwiegend Kritik. Für Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ist das Quarantäne-Ende ein „Schritt in die falsche Richtung“. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) nannte die Abschaffung der Quarantäne „unerhört und unglaublich“. "Spätestens im September fliegen uns die Zahlen um die Ohren“, warnte Hacker zuletzt im Gespräch mit der APA. Selbst die Wirtschaftkammer Wien zeigt sich nur mäßig erfreut und fürchtet massive finanzielle Mehrbelastungen für die Unternehmen aufgrund der Krankenstände.
Quarantäne-Ende "verfrüht"
Wie aber sieht es bei den Wiener Spitälern aus? Mit Stand 26. Juli sind 780 von rund 30.000 Mitarbeitern derzeit wegen eines positiven Corona-Tests dienstfrei gestellt, heißt es vom Wiener Gesundheitsverbund (WiGev) auf Anfrage der BezirksZeitung. Die personelle Situation sei deshalb und in Verbindung mit der Urlaubszeit „angespannt“.
Die täglich hohen Neuinfektionszahlen würden zeigen, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Auch die Belagszahlen in den Wiener Spitälern würden stetig ansteigen, heißt es vom Gesundheitsverbund. Man müsse eigentlich daran arbeiten, die Zahlen wieder nach unten zu bringen. „Eine Aufweichung der derzeitigen Quarantäne-Regeln halten wir für verfrüht. Im klinischen Bereich ist es jedenfalls undenkbar, infektiöse Pflegepersonen oder Ärztinnen und Ärzte zu den ohnehin vulnerablen Kranken zu lassen.“
Wer kontrolliert Zutritt zum Spital?
Auch von der Ärztekammer gibt es Kritik, vor allem wegen zu vieler offener Fragen. Unklar sei etwa noch, wer die Zutrittsregelungen zu den Spitälern kontrollieren und überwachen soll. Denn auch mit den Verkehrsbeschränkungen - sprich mit dem Tragen einer FFP2-Maske - dürfen Corona-Infizierte nicht als Besucher ins Spital. Eine dementsprechende Kontrolle könne aber nicht den Spitalsärzten obliegen.
„Wir als Hochleistungserbringer sind nicht dazu da, wie Sheriffs Kontrolltätigkeiten zu erledigen und damit diese Lockerungen zu ermöglichen“, betont Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Ungeklärt sei außerdem noch die Frage, „wer unter welchen Umständen arbeiten darf und wer dabei unter welchen Voraussetzungen Patientenkontakt haben darf“, so Mayer weiter.
Besorgt zeigte sich auch Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV). Sie kritisiert, dass positiv-Getestete auch im Spital und in Pflegeeinrichtungen arbeiten dürfen. Mehr als zwei Jahre lang seien Pflegekräfte „auf Zehenspitzen um die Patienten und Bewohner herumgetänzelt. Nun soll von uns selbst die Gefahr ausgehen, diesen Menschen zu schaden?!“, äußerte sich Potzmann auf Twitter.
Pflegeanwaltschaft appelliert an Ärzte
Bei der Wiener Pflege- und Patientenanwaltschaft nimmt man die angekündigten Lockerungen der Quarantänevorschriften „mit Sorge zur Kenntnis“. Patientenanwalt Gerhard Jelinek appelliert vor allem an das medizinische Personal, das im Kontakt mit erkrankten oder pflegebedürftigen Personen Kontakt hat, „ihre Verantwortung – die weit mehr als ‚Eigenverantwortung‘ ist – für diese schutzbedürftigen Menschen unter den neuen Rahmenbedingungen besonders ernst zu nehmen“.
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