Interview Kathrin Gaál
Ist der Weltfrauentag ein Tag zum Feiern, Frau Stadträtin?
Wo und warum bei Wiens Frauen- und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) die Alarmglocken schrillen.
WIEN. Anlässlich des internationalen Weltfrauentages hat die BezirksZeitung Frauenstadträtin Kathrin Gaál zum großen Interview gebeten.
Am 8. März ist Weltfrauentag – ein Tag zum Feiern oder zum Aufschreien?
KATHRIN GAÁL: Sowohl als auch. Ich finde, wir haben schon sehr viel für Frauen erreicht, aber es gibt auch noch sehr viel zu tun.
Corona war und ist vor allem eine Krise der Frauen. Wie kann die Politik dem entgegenwirken?
Wir sind in der Politik sehr gefordert, aufzupassen, dass aus der Coronakrise keine dauerhafte Krise der Frauen wird. Daher haben wir eine große Frauenbefragung gestartet. Diese hat schon im Jänner begonnen, im März folgt der partizipative Teil. Wir wollen wissen: Wie haben Frauen die Coronakrise erlebt? Was erwarten sie sich von uns und was brauchen sie? Wobei und wie können wir sie unterstützen?
Bereits 2020 hat etwa die Studie "Frauen und Covid-19" gezeigt, dass die Mehrfachbelastung von Frauen stark gestiegen ist. Was passiert mit dieser Erkenntnis?
Wie ich gerade gesagt habe: Wir befragen jetzt ab 8. März wirklich alle Wienerinnen. Natürlich muss dann auch etwas passieren, und zwar in den unterschiedlichsten Bereichen. Wir machen jetzt schon vieles. Nur ein Beispiel: "Respekt: Gemeinsam stärker" ist ein Projekt an Schulen, um dort ein Leitbild zu erschaffen, in dem es um Respekt und um Gleichstellung und Gleichberechtigung geht, um Mädchen und Burschen zu stärken. Weiters haben wir in dieser Stadt mit dem waff eine Organisation, die im Bereich der Aus- und Weiterbildung ganz massiv unterstützt. Auch da gibt es eine ganz enge Kooperation, um Frauen zu fördern. Also: Da gibt es schon einiges. Aber wir werden sicher auch die eine oder andere neue Maßnahme setzen müssen.
Die Anzeigen wegen Vergewaltigung sind 2021 auf 342 Fälle gestiegen und bei den elf Tötungsdelikten waren zehn der Opfer weiblich. Schrillen da bei Ihnen als Frauenstadträtin die Alarmglocken?
Absolut. Das ist alles mehr als alarmierend und das kann man auch nicht einfach wegwischen. Da ist kein Platz für politischen Hickhack. Hier müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen: Bund, Länder und alle Fraktionen. Es braucht wirklich eine Lösung für die Frauen und noch mehr Angebote, noch mehr Unterstützung und noch mehr Betreuung.
Die Zahl der ausgesprochenen Betretungsverbote ist um 23,5 Prozent gestiegen. Für Polizeipräsident Pürstl ist dieser Zuwachs ein Zeichen dafür, dass sich in Sachen Gewaltprävention viel tut. Kann man das so wirklich schönreden?
Nein, das darf man überhaupt nicht schönreden. Ich glaube auch nicht, dass der Herr Präsident das schönreden wollte. Fakt ist, dass die Zahlen mehr als alarmierend sind und wir deswegen auch gehandelt haben. Wir haben im Sommer 2021 das Gewaltschutzpaket der Stadt Wien präsentiert, mit dem wir allein heuer elf Millionen Euro in den Gewaltschutz investieren – auch in die Männerarbeit, die Großartiges leistet. Wir haben einen 24-Stunden-Frauennotruf und wir bauen ein fünftes Frauenhaus. Weiters gibt es in Wien seit Jahrzehnten einen Gewaltschutz-Jour-fixe, bei dem in regelmäßigen Abständen alle wesentlichen Vereine dieser Stadt, die Stadt selbst und auch die Polizei zusammenkommen.
Forscherinnen kritisieren in einem offenen Brief, dass es auf Bundesebene keine Frauenpolitik mehr gebe. Ist das so?
Auch ich bin wirklich unglücklich mit dieser Situation, kann aber sagen, dass wir zumindest auf Landesebene – als Frauenlandesrätinnen – wirklich versuchen, hier gut zusammenzuarbeiten. Allerdings würde ich mich sehr über ein bisschen mehr von der Frauenministerin freuen.
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