Samariterbund-Chef: "Einige Gemeinden haben noch nie Flüchtlinge gesehen"
Reinhard Hundsmüller über die Leistungen und Verfehlungen in der Asylkrise. Die Hilfe könne "noch ein paar Wochen aufrecht erhalten werden, vielleicht etwas länger". Viele Helfer geraten langsam an ihre Grenzen.
Der Flüchtlingsstrom hat sich etwas verlagert, abzureißen scheint er nicht. Wie lange können die Helfer die Versorgung noch aufrechterhalten?
R. HUNDSMÜLLER: Die Lage bei den Helfern ist angespannt. Wir müssen jetzt neues hauptamtliches Personal aufbieten, damit die Helfer auch mal zur Ruhe kommen und neue Kraft tanken können.
Wie lange kann die Hilfe noch aufrechterhalten werden, bis es eng wird?
Das hängt davon ab, wie sich die Lage entwickelt. Vielleicht noch ein paar Wochen, vielleicht etwas länger.
Mit wie vielen Helfern ist der Samariterbund im Moment im Einsatz?
Im Schnitt sind es 1.200 Personen. Wir betreiben bis zu 17 Notquartiere an wechselnden Orten. Wir sind Teil der zuständigen Stäbe im Innenministerium und versuchen, rasch auf Veränderungen zu reagieren. Das ist die größte logistische Herausforderung für unsere Helfer vor Ort.
Werden die Quartiere knapp?
Nein, es gibt noch Potenzial. Aber wenn es jetzt zunehmend kälter wird, wird es schwieriger. Hallen und Zelte müssen dann intensiv beheizt werden.
Wie lautet Ihr Wunsch an die Politik?
Da gibt es viele Wünsche. Zuerst an die Weltpolitik, an die USA und Russland. Die Weltpolitik ist gefordert, in Syrien und der Region auf die Kombattanten einzuwirken. Als Nächstes ist die EU gefordert. Im Übrigen dürfen wir uns nicht wundern, dass die Menschen zu uns kommen, wenn dem World Food Programme die Mittel so stark gekürzt wurden wie zuletzt. In den Flüchtlingslagern vor Ort müssen Menschen mittlerweile Angst haben, zu verhungern.
Was kann die heimische Politik gegen solch globale Entwicklungen tun?
Ich denke, dass Österreich sich sehr bemüht. Bundeskanzler Werner Faymann ist auch in ständigem Kontakt mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Dass Deutschland den Flüchtlingen die Einreise ermöglicht, hat uns sehr geholfen.
Was passiert, wenn Deutschland keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnimmt?
Österreich hat noch Kapazitäten. Es gibt Ballungsräume, in denen viele Asylwerber versorgt werden. Es gibt aber auch weiße Flecken auf der Landkarte. Einige Gemeinden und Gegenden haben noch nie einen Flüchtling gesehen. Das sind übrigens oftmals die, die sich am meisten aufregen.
Was kann man dagegen tun?
Man muss direkt mit den Menschen vor Ort sprechen und Gemeinden bei der Aufnahme von Asylwerbern begleiten. Das nimmt die Ängste.
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