Koalition SPÖ-NEOS
Die umlackierten Grünen oder die Wiederkehr der Steigbügelhalter
Nun steht also der Pakt zwischen SPÖ und NEOS. 212 Seiten hat das Koalitionspapier, das in weiten Teilen nur ein Marketingfolder der Koalition zwischen einer abgenützten Sozialdemokratie und den zwischen links-grün und neoliberal irrlichternden NEOS sein kann. Andererseits, noch ist die Freude in der Wiener SPÖ groß, gibt es mit dem verdienten Off der Grünen doch keine Quer- und Gegentreiber mehr, keine Oberlehrer- und PopUp-Politik, keine Autohasser.
Inhaltlich wird sich wenig verändern, um nicht zu sagen: außer der Darstellung und der äußeren Form bleibt alles beim Alten! Die begeisterte Zustimmung zu den Plänen der SPÖ und der weitgehende Verzicht auf eigene Positionen machte die NEOS zum idealen Partner, günstig im Einkauf, billig in der Erhaltung.
Dennoch, ein Blick auf das rote, pink verbrämte Papier, lohnt sich. Zum einen überholen die Pinken die Grünen in Sachen Umweltschutz, Tierschutz, Bildung und der imbezil-schwammigen Haltung zum Thema Migration locker weit links. Zum anderen hat die linke Bildungspolitik der SPÖ jetzt einen deutlich liberaleren Anstrich bekommen (wenn auch die Mission gleich bleibt), wird sozusagen ein neoliberal-sozialistisches Bildungsexperiment. Der Weg zu linker Einheitsbildung, Ganztagskindergärten, Ganztagsschulen, also Versuche am lebenden Schüler, bleibt.
In Summe ein Experiment, dass es bereits unter Willy Brandt in Deutschland schon einmal gab; das nicht funktionierte, ja sogar mit Brandts Rücktritt endete.
Die Neos haben erstaunlich schnell ihre wirtschaftsliberalen Ambitionen zugunsten einer Mitregierung begraben, die Parteiförderungen als Feindbild aufrechter Liberaler sollen eingeschränkt werden; was für die SPÖ, die diese eingeführt hat, wohl nur ein Koalitionsgag sein kann. Dass die SPÖ „mehr Demokratie wagen will“ mutet ebenfalls seltsam an. Gab es bisher zu wenig Demokratie und wäre nicht genau das das Ende der Sozialdemokratie?
„Bei aller Zuneigung zu politischem Artenschutz und bunten Parlamenten: Es fällt selbst bei gutem Willen schwer, die pinken Spuren in dem knapp mehr als 200 Seiten starken Elaborat auszumachen. Da wurde vor der Wahl im Sinne einer wirtschaftsliberalen Partei ein Ende des Verbots des Aufsperrens im Handel an Sonntagen gefordert. Geworden ist daraus nach beherztem Abschleifen durch die roten Verhandler die Erlaubnis, dass die Gastronomie auf Märkten sonntags öffnet. Gut, aber weit vom Ursprungswunsch entfernt.“
Eine Abkehr von zehn Jahren rot-grüner Politik gibt es nicht, sie heißt nur jetzt rot-pink. Zu ähnlich sind die Themen und Ziele, besonders aber das Dogma Weltverbesserung statt Blick aufs Ganze. Es wird nur kosmetische Eingriffe statt Aufforstung geben und sich wieder einmal die Erfahrung bewahrheiten, dass liberale, egal ob wirtschaftsliberale, neoliberale oder linksliberale Politik, immanent den gleichen Feind hat, an dem sie scheitert: sie selbst!
Das "bewährte" veränderungsresistente Team der SPÖ bleibt weitgehend bestehen: die Oberfläche in Person „hilft-nix-schadt-nix“ Ulli Sima bekommt das „Innovationsressort“. Jürgen Czernohorszky das „Zukunftsressort“, er wird also der oberste Umwelt- und Klimaschützer, Homöopath der Mitbestimmung und Verwalter des frühpensionsgefährdeten Personals, Kathrin Gaal Verwalterin des Chaos bei Wiener Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung. Der Elefant im Porzellanladen von Gesundheit und Sozialem bleibt der erprobte Parteisoldat Peter Hacker, Peter Hanke, Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales, Wiener Stadtwerke – Deckel drauf, Transparenz ade. Man kann heute schon mit Bestimmtheit sagen, dass sich nichts maßgeblich ändern, sondern nur mit neuer Lackierung „more of the same“ zelebriert werden wird.
Die gefährliche Drohung „schnell im Bereich Verkehr Erfolge vorzeigen zu wollen“, klingt nach Hau-Ruck und einem zentralisierten Parkpickerl, bei dem die Bezirke nichts mehr mitzureden haben.
Die NEOS mögen irgendwo tief im Inneren liberal sein, in dieser Regierung sind sie nur mehr begeisterte Steigbügelhalter einer emotional nach wie vor erfolgreichen, inhaltlich aber vollkommen retrograden Sozialdemokratie, die im 131. Jahr ihres Bestehens nach wie vor dem guten Karl Marx nur den Bart stutzt, anstatt ihn endlich einmal zu rasieren. Also wie immer nur Symptome bekämpft, aber an den Ursachen verzweifelt. #christoph_wiederkehr #michael_ludwig
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