Volkskultur: Tracht und Tragbarkeit
Kürzlich fand in Gleisdorf ein bemerkenswertes Gespräch über Fragen der Tracht, der Mode und der damit verbundenen Kulturgeschichte statt. Unternehmerin Kerstin Feirer (Schätzchen: Real Vintage Fashion) erhielt Besuch von Irmgard Hierzer, Meisterin des Schneiderhandwerks.
Der Anlaß des Gesprächs waren zwei Illustrationen im Buch von Franz Arnfelser: „Gleisdorf in alter und neuer Zeit“ (1928). Die Frauentracht in Gleisdorf um 1800 und die Männertracht jener Zeit, jeweils für Alltag und Festtag der Erwachsenen sowie jene für Kinder.
Feirer ist privat eine leidenschaftliche Sammlerin klassischer Mode aus dem vorigen Jahrhundert, hat etliche Sachkenntnis, was Zeitgeschichte, Stil, Material und Handwerk angeht. Doch um diese Bilder richtig zu deuten, suchte sie den Rat der Expertin.
Irmgard Hierzer hat sich als Meisterin der Zunft über Jahrzehnte mit den steirischen Trachten befaßt; nicht bloß in der Theorie, sondern eben auch in der handwerklichen Praxis. Hierzer: „Mein Meister hat gesagt, wenn es genäht ist, muß es aussehen wie gewachsen.“
Aus der Beachtung handwerklicher Anforderungen ergibt sich auch sehr wesentlich die Tragbarkeit, denn die Tracht war ursprünglich nicht für eine Saison gemacht, sondern etwas für Jahrzehnte.
Darin liegt schon ein Hinweis auf einige maßgebliche Fragen. Die Qualität die Stoffe und das Niveau der Verarbeitung. Dazu kommt, daß die Tracht nichts mit dem zu tun hat, was aktuell von der Freizeitindustrie zum „Trachteln“ verramscht wird.
Die Tracht ist ein komplexes Codesystem. Sie gab ursprünglich Auskunft, woher jemand stammt und welchem Milieu jemand zugehört. Früher war vom „Stand“ die Rede, was die soziale Kategorie meint. Die Tracht erzählte aber weit mehr über den sozialen Status einer Person; ob man etwa ledig, verheiratet oder verwitwet ist, ob es einem materiell gerade besser oder schlechter geht etc.
Hierzer merkte grundsätzlich an: „Die Festtagstracht in der Steiermark ist eher dunkel im Farbton und einfach in der Auszier", was Rüschen, Stickerei usw. meint , soweit der grobe Vergleich mit den Trachten der anderen Bundesländer.
Feirer verwies in diesem Zusammenhang drauf, daß die Steiermark bis ins 19. Jahrhundert als rückständige und daher arme Region galt, was man auch der alten Gleisdorfer Tracht ansehe, die nicht von reichen Leuten sei.
Sie ahnen schon, wer in Fragen der Tracht keinen Schund kaufen möchte, ganz zu schweigen von erbärmlichen Ersatzstoffen, sollte sich ein wenig kundig machen, sich beraten lassen. Ein „Dindl-Set, 2 Teile“ im „Aktionspreis“ für 39,- bis 69,- Euro könnte man eigentlich schon beim Verlassen des Geschäftes wegschmeißen.
Auch ein „Steireranzug“ in dieser Preiskategorie verheißt nichts Gutes. Die Tracht, wie sie von Kennerinnen wahrgenommen und ernstgenommen wird, war einst ein Wertgegenstand, dessen Qualität den Preis aufwog, kein Verschleißartikel.
Daraus folgt auch, daß Tracht, wo sie bezüglich Identitätsfragen in die Pflicht genommen wird, kein billiges Mäntelchen sein kann, das man sich leichtfertig umhängt, damit derlei Fragen abhakt seien.
Die Kleidung verlangt in solchen Zusammenhängen ein Mindestmaß an Kenntnis der eigenen Landes- und Kulturgeschichte; und sei es bloß eine skizzenhafte Ahnung des Brauchtums, der Traditionen, aus denen sich ein aktueller Standard schöpft.
Das heißt, wer von den sozialen und kulturellen Verhältnissen, in denen wir an bestimmten Orten leben, überhaupt keinen Tau hat, hat eigentlich auch wenig Grund, sich für die Tracht zu entscheiden.
Natürlich könnte Tragekomfort allein schon als Grund genügen, denn ein hohes Qualitätslevel in Stoffen, Formen und Verarbeitung fühlt sich ja angenehm an. Da wir jetzt aber von Voraussetzungen wie Wissen, Handfertigkeit und wertvollen Materialien reden, geht die Sache naturgemäß mehr ins Geld als das, was Diskonter anbieten.
Es drückt sich, wie schon angedeutet, in Farbe und Form aus, in der Wahl der Stoffe und im Geschick, sie sachgerecht zu verarbeiten. Das zeigt sich auch in Details, in den passenden Hüten und Tüchern, in Schleifen und Bändern, in Schuhen und Täschchen.
Bei diesem Treffen kam es übrigens zu einer kurzen Erörterung der neuerdings verfügbaren Lifestyle-Podukte, die als Trachtenstücke vermarktet werden. Prospekte und ganzseitige Inserate dienen uns derlei Kleidungsstücke an. Ich verzichte hier auf diesbezügliche Zitate, um niemanden in Depressionen zu stürzen.
Es scheint, als hätten Feirer und Hierzer einen gemeinsamen Bezugspunkt gefunden, auf daß dieses bedeutende kulturelle Thema unterstrichen, hervorgehoben werde. Dress Codes betreffen definitiv jeden Menschen, kommen aber im landesüblichen Kulturgeschehen kaum je als Thema vor. Das ändert sich in Gleisdorf anscheinend schon seit einer Weile.
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