Lehrstellenbörse "Volltreffer"

Eine Schatzgrube für Recruiter

Nicht alle Jugendlichen, die eine Lehre machen wollen, finden beim ersten Anlauf eine. Der 16-Jähreige Pascal S. aus Wien etwa. Er hat um die 200 Bewerbungen für eine Lehrstelle im Einzelhandel abgeschickt – jedoch ohne Erfolg.

ÖSTERREICH. Auf seine Bewerbung haben seinen Angaben zufolge nur etwa zwei Prozent reagiert. Aktuell befindet er sich im ersten Lehrjahr in einer Überbtrieblichen Ausbildung (ÜBA) zum Einzelhandelskaufmann. Das Ziel ist, Lehrlinge in einer ÜBA in eine reguläre Lehrstelle in der Privatwirtschaft zu bringen. Zu diesem Zweck hat das AMS Wien 2018 die Lehrstellenbörse "Volltreffer" ins Leben gerufen. Heute, Dienstag, findet "Volltreffer" zum 2. Mal statt – diesmal gemeinsam mit dem AMS Niederösterreich.

750 Lehrstellensuchende am Flughafen

Bei den Gates A und E herrscht großer Tumult. Um die 750 herausgeputzte Jugendliche aus Wien und Niederösterreich sind nämlich zum Flughafen Wien gepilgert, – nicht um wegzufliegen, sondern um sich bei 50 verschiedenen Betrieben um eine der 640 Lehrstellen persönlich zu bewerben.

Rückenwind dank Konjunktur

Österreichweit befinden sich etwa 8.000 Lehrlinge in ÜBA. Zwei Drittel davon entfallen auf die Hauptstadt Wien. Doch die Konjunktur macht sich positiv bemerkbar, denn im Vorjahr waren es noch 800 Lehrlinge mehr. Auch in Wien sank die Zahl der Lehrlinge in den Lehrwerkstätten, die etwa von Jugend am Werk und dem Bfi, betrieben werden. "Der Rückgang in Wien von 4.200 auf 3.900 Lehrlinge ist darauf zurückzuführen, dass wir mehr Lehrlinge im 2. und 3. Lehrjahr in reguläre Lehrstellen vermitteln konnten", sagt Sebastian Paulick, Sprecher des AMS Wien.

Junge müssen frühzeitig "ermuntert" werden

„Jugendliche ohne abgeschlossene berufliche Ausbildung sind im Schnitt zwölf Jahre ihres Erwerbslebens arbeitslos. Daher ist es wichtig, junge Menschen zu ermuntern eine gute Ausbildung zum Beispiel eine Lehre zu machen, sie dabei zu begleiten und zu unterstützen. Mit unserem Engagement für die Lehre sorgen wir auch für jene Fachkräfte, die die Wirtschaft jetzt und Zukunft braucht“, so der Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich, Sven Hergovich.

„Die Jugendlichen von heute sind die Profis von morgen. Das wollen wir mit der größten Lehrlingsoffensive fördern, die es jemals in Niederösterreich gegeben hat. Die Lehrlingsoffensive hat ein Gesamtvolumen von 46 Millionen Euro und hat ein klares Ziel: wir wollen den Jugendlichen eine Perspektive für die Zukunft geben. Denn mit einem Lehrberuf sind sie am Arbeitsmarkt gefragter denn je“, so Niederösterreichs für Arbeit zuständige Landesrat Martin Eichtinger. Die Jugendlichen sind derzeit im Zuge der Lehrlingsoffensive in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte und sollen durch dieses Speed-Dating direkt in einen Betrieb wechseln können. Vom Einzelhandel über Gleisbautechnik bis zur Systemgastronomie.

Von Mechatronik zu Gleisbautechnik

Jasmin W. macht ein Lehre als Mechatronikerin beim Bfi. Zu dem Lehrberuf ist sie über den Verein Sprungbrett, einer Mädchen-Beratungsstelle, die auch Berufsorientierungen anbietet, gekommen. "Mit meinem Vater, der Radio- und Fernsehtechniker ist, habe ich früher alle möglichen Geräte repariert, Computer zusammengebaut, Soft- und Hardware installiert", erzählt sie über ihren Hintergrund im Gespräch mit meinbezirk.at. Sie hat heute ein Bewerbungsgespräch bei der ÖBB. "Es lief gut. Ich habe ein Angebot für die Lehre zur Gleisbautechnikerin erhalten", sagt sie nach dem 15-minütigen Gespräch. "Das ist zwar nicht in dem Bereich, den ich mir vorgestellt habe, aber ich werde es mir auf jeden Fall überlegen," so die 18-Jährige, die froh ist, dass es diese Veranstaltung gibt. "Es ist cool, dass man so eine Chance bekommt," freut sie sich.

Hochbegeisterte Recruiter

Dass die Betriebe Vorurteile gegenüber Jugendlichen aus einer ÜBA haben, läßt sich bei hier nicht bestätigen. Sabine Rathmanner, Ausbildnerin bei Atos Wien, ist hochbegeistert von den Bewerbern und Bewerberinnen. Sie war vergangenes Jahr dabei, als das AMS Wien die Lehrstellenbörse zum ersten Mal  veranstaltete. Gesucht wurde ein Lehrling für Mechatronik. "Letztendlich haben wir dann noch zusätzlich drei Mädchen aufgenommen, weil die so toll waren", sagt Rathmanner zu meinbezirk.at. "Dieses Jahr wollten wir unbedingt wieder dabei sein, denn hier kann man aus dem vollen schöpfen", so Rathmanner weiter.  "Da diese Jugendlichen schon in die Lehre reingeschnuppert haben, wissen sie genau, was sie wollen und viel sind wirklich enthusiastisch", ergänzt Johannes Mahlberg, Ausbildner bei der Atos-Tochter TSG.

Schwer erreichbare Lehrstellen am Land

Auch bei den Recruiterinnen von Coca Cola ist man mit der Qualität der Kandidaten sehr zufrieden. Nach etwas über einer Stunde haben sie bereits zwei geeignete Kandidaten für die vier offenen Stellen gefunden. "Für unseren Standort in Edelstal im Burgenland haben wir wegen der fehlenden Anbindung jedoch Schwierigkeiten Lehrlinge zu finden", sagt Burcu Caras. Das Problem der Anbindung und Erreichbarkeit kennt man auch aus Niederösterreich. "Niederösterreich ist ein Flächen-Bundesland und das führt dazu, dass Nachfrage und Angebot räumlich nicht immer zusammenpassen. Im Osten ist das stärker zu spüren, als im Westen", schildert Martina Fischlmayr, Sprecherin des AMS Niederösterreich, die Situation.

"Jugendliche muss man begeistern"

Arbeitgeber beklagen dennoch die zunehmend mangelnden Grundkenntnisse der Jugendlichen bei Lesen, Schreiben, Rechnen. Das bestätigt auch Heinzjürgen Mair von Siemens Mobility. "Ich sehe es jedoch als unsere Aufgabe, die Jugendlichen dort abzuholen wo sie sind, sie zu begeistern und ihnen Wertschätzung zu zeigen. Da sind Schätze, die sonst im Verborgenen bleiben", so der Ausbildner, der großen Wert darauf legt, seine Lehrlinge eigenständig arbeiten zu lassen. Gemeinsam mit seinem Kollegen führt er heute 23 Bewerbungsgespräche. Im September nimmt der Simmeringer Betrieb, der Straßenbahnen und Züge baut, 28 neue Lehrlinge auf.