Tiroler Bündnis gegen Armut
"Armut ist längst kein Randthema mehr"

Immer mehr Menschen haben immer weniger Geld. Die sozialen Institutionen wollen die Möglichkeit nach den Wahlen in Tirol am Schopf packen und die Politik zu einer "Taskforce Soziales" einladen.
7Bilder
  • Immer mehr Menschen haben immer weniger Geld. Die sozialen Institutionen wollen die Möglichkeit nach den Wahlen in Tirol am Schopf packen und die Politik zu einer "Taskforce Soziales" einladen.
  • hochgeladen von Agnes Czingulszki (acz)

Das Bündnis gegen Armut und Wohnungsnot will der Politik nichts ausrichten, sondern gemeinsam Lösungen finden. Die Lage spitzt sich in den 300 Tiroler Einrichtungen, die im Dachverband inbegriffen sind, von Tag zu Tag weiter zu. 

INNSBRUCK. Man wollte keine Brandrede halten und zum Schluss ist sie – aufgrund des Dringlichkeit – doch noch eine geworden: Das Tiroler Bündnis gegen Armut und Wohnungsnot machte am Donnerstag in einer Pressekonferenz auf die immer prekäreren Lebensumstände der Bevölkerung aufmerksam. Besonders das Thema "Wohnen" zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Armut betroffenen Menschen.

Die Pressekonferenz fand im Pippilotta, im Gebäude des Landhaus´ 2, statt. Das Pippilotta ist ein Restaurant, das sozial benachteiligte Menschen für den Arbeitsmarkt ausbildet.
  • Die Pressekonferenz fand im Pippilotta, im Gebäude des Landhaus´ 2, statt. Das Pippilotta ist ein Restaurant, das sozial benachteiligte Menschen für den Arbeitsmarkt ausbildet.
  • hochgeladen von Agnes Czingulszki (acz)

Wie Ludwig Plangger von der argeSODIT (Dachverband der Organisationen für Menschen mit Behinderung) erklärte:

"Armut ist unsichtbar, aber schon lange kein Randthema mehr. Sie ist bereits in der Mittelschicht angekommen."

Seiner Meinung nach ist der Umgang mit Armut die Reifeprüfung der Demokratie. Man wolle der Politik nichts ausrichten, sondern in Kooperation mit ihr die aktuellen Probleme lösen. Vier Brennpunkte wurden vom Dachverband erkannt: 1. leistbares Wohnen, 2. Existenzsicherung und Teuerung, 3. Kinderbetreuung, 4. Gesundheitsförderung und -versorgung.

Die Hälfte der TirolerInnen sind auf Miete angewiesen

Marion Kapferer vom DOWAS Innsbruck

Marion Kapferer ist Leiterin von DOWAS, einer Sozialberatungsstelle, die sich auf Menschen in Wohnungsnot spezialisiert hat. Sie machte darauf aufmerksam, dass tirolweit fast die Hälfte der Menschen in Miete leben. In Innsbruck sind es 60 %. Die aktuelle Wohnungspolitik des Landes würde aber nur auf Eigentum abzielen.

"Es braucht neue Akzente in der Wohnbauförderung. Es kann nicht sein, dass die Hälfte der Menschen nicht berücksichtigt werden in Tirol. Man muss Wohnen endlich als Menschenrecht sehen und nicht als Ware, mit der man spekuliert."

Sie meinte die Mietrechtsnovelle sei zwar ein Bundesgesetz, trotzdem könnte man auch auf Landesebene an vielen Schrauben drehen, um eine Verbesserung herbeizuführen. Z.B. bei der Aussetzung der aktuellen Mietzinserhöhungen bei gemeinnützigen Bauträgern oder bei der Wohnkostenverordnung im Rahmen der Mindestsicherung. 

Der soziale Abrutsch droht

Simone Rabl von der Diakonie Flüchtlingsdienst

Simone Rabl ist Leiterin der Diakonie Flüchtlingdienstes und skizzierte dramatische Umstände in ihrer Beratungsstelle:

"Das Thema Existenzsicherung ist bei uns eklatant gestiegen. Menschen, die schon bisher kaum über die Runden kommen, fürchten sich buchstäblich vor dem Winter. Sie haben einfach keinen Spielraum mehr."

Betroffen sind nicht nur arbeitslose Menschen, sondern auch Menschen, die trotz Berufstätigkeit von Armut betroffen sind. Flüchtlinge, die ohne soziales oder familiäres Netz dastehen und einfach keine Reserven haben. Sie erzählte von einer Familie mit drei Kindern, in der beide Eltern tätig sind, eine Tochter in der Lehre und zwei Kinder in der Schule. Die Erhöhung der Miete machte es unmöglich die Kinder zum Schulausflug einzuzahlen. Der soziale Abrutsch droht.

Eine Taskforce für Soziales

Julia Schratz vom DOWAS für Frauen

Auch Julia Schratz vom DOWAS für Frauen machte auf die prekäre Lage ihres Klientels aufmerksam. In Tirol sind 314 Frauen und 79 Kinder – alle in Innsbruck – von Wohnungslosigkeit betroffen. Das bedeutet nicht, dass sie auf der Straße leben, aber, dass sie kein richtiges Zuhause haben.

"Also keine Möglichkeit für Spielenachmittage für die Kinder, keine sozialen Beziehungen, kein Schreibtisch an dem man Hausaufgaben machen kann."

Ein Ausbau der kostenlosen Kinderbetreuung wäre eine großer Schritt in die richtige Richtung. Sie forderte im Namen des Bündnisses eine Taskforce für Soziales, um "die Megaherausforderungen unserer Zeit zu stemmen." 
Alle waren sich einige, dass es neben Schnellunterstützungen auch langfristige Lösungen braucht. Außerdem sollte man aufhören, in der Politik von Ressorts zu denken

: "Armut ist ein Querschnittsthema. Sie einer einzigen Landesrätin als Kappe aufzusetzen ist keine Lösung", meinte Schratz zum Schluss.

Weitere Nachrichten aus Innsbruck finden Sie hier.

Dieses Thema könnte Sie auch interessieren:

Innsbruck rechnet künftig mit mehr Hilfsbedürftigen
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.