Saal Dogana
Ballspielhaus, Komödienhaus, Reitstall und die Frage der Meinungsfreiheit

Beim Luftangriff am 16.12.1944 zerstörten Bomben große Teile des Gebäudes. Die Überreste blieben bis zur Errichtung des Kongresshauses 1970–1973 stehen. | Foto: (Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sammlung Jörg Thien 04.05.01-776, 1960er Jahre)
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  • Beim Luftangriff am 16.12.1944 zerstörten Bomben große Teile des Gebäudes. Die Überreste blieben bis zur Errichtung des Kongresshauses 1970–1973 stehen.
  • Foto: (Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sammlung Jörg Thien 04.05.01-776, 1960er Jahre)
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Er zählt zu den bekanntesten Veranstaltungsorten in Tirol. Der Saal Dogana im Congress Innsbruck hat eine lange und vielseitige Geschichte. Mit der Entscheidung, die Dogana nicht für einen Vortrag zur Verfügung zu stellen, ist der Saal wieder verstärkt im Fokus. Die Entscheidung des Bürgermeisters beruht auf einem Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2014, der Anlassfall dazu fand vor zehn Jahren statt.

INNSBRUCK. Der Saal hat Ausstrahlung und Charakter und für viele Veranstaltungen war und ist die Dogana im Congress Innsbruck ein mehr als würdiger Rahmen. Die Dogana ist ein praktisches Beispiel der neueren architektonischen Zeitgeschichte der Stadt Innsbruck. Am 16. Dezember 1944 wurde der Bau durch Bombentreffer weitgehend zerstört. Lediglich die Mauern mit den Rundbögen, die auf das Komödienhaus zurückgehen, blieben als Überreste erhalten. In der Nachkriegszeit war die Dogana eine Ruine, die Arkaden blieben 25 Jahre lang stehen, während der ehemalige Zuschauerraum des Komödienhauses als Parkplatz genutzt wurde. Die Stadt Innsbruck erhielt die Gebäudereste 1954 und begann anschließend mit der Planung eines Kongresshauses. Das Kongresshaus wurde von der Architektengemeinschaft Heinz Marschalek, Norbert Gantar, Hubert Prachensky, Georg Ladstätter, Ernst Heiss und Peter Thurner entworfen und geplant. Die Bauarbeiten dauerten von 1970 bis zur Eröffnung des Veranstaltungszentrums 1973. Die zahlreichen Kunstwerke im Gebäude stammen unter anderem von Markus Prachensky, Rudi Wach und Fritz Wotruba. Im Jahr 1995 wurde das Haus deutlich vergrößert und umgebaut. Die Erweiterung um die Orangerie, die Neugestaltung des Haupteingangs sowie die Modernisierung diverser Säle und Foyerflächen folgten in den frühen 2000er-Jahren. 

„Eine Stadt sagt Danke”-Fest für Innsbrucks Seniorinnen und Senioren in der Dogana. | Foto: IKM
  • „Eine Stadt sagt Danke”-Fest für Innsbrucks Seniorinnen und Senioren in der Dogana.
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Vielseitige Nutzung

Das Kongresszentrum, verwaltet von der Congress Messe Innsbruck GmbH (CMI), ist bauhistorisch ein Bestandteil der Hofburg. Erzherzog Ferdinand II. ließ zwei Ballspielhäuser bei der Hofburg, wovon sich eines am Platz der Dogana befand, errichten. In den Ballspielhäusern wurden verschiedene Ballsportarten gespielt, vor allem das Ballonespiel, aber auch eine Art von Tennis. Nach Ferdinand II. wurde das große Ballspielhaus bald für verschiedene Veranstaltungen genutzt. Unter Erzherzog Leopold V. (1586–1632) und seine Frau Claudia de’ Medici (1604–1648) wurde das große Ballspielhaus mit 100 Metern Länge und 30 Metern Breite zu einem Komödienhaus vergrößert und umgebaut. Der Südteil des Komödienhauses wurde bald auch als Reithalle des Hofes genutzt. Baulich diente diese Hofreitschule in Innsbruck als Vorbild für die berühmte Spanische Hofreitschule in Wien. Die ehemalige Hofreitschule diente ab 1745 als öffentliche Bibliothek der Universität. Als 1776–1777 die Universität mitsamt ihrer Bibliothek in das aufgelassene Jesuitenkolleg verlegt wurde, ergab sich für das ehemalige Unigebäude in der Herrengasse sowie für die Bibliotheksräume im Komödienhaus eine Nachnutzung durch die Regierungskanzlei oder Statthalterei. Ein umfassenderer Umbau folgte in den Jahren 1808–1810 unter bayerischer Besatzung. Das Gebäude erhielt nun die Funktion einer Mauthalle und den Namen „Dogana.“ Mit der Generalversammlung der katholischen Vereine Österreichs im September 1867 in der Dogana wurde Innsbrucks Zeit als Kongressstadt eingeläutet. Am 16. Dezember 1944 wurde der Bau durch Bombentreffer weitgehend zerstört. Lediglich die Mauern mit den Rundbögen, die auf das Komödienhaus zurückgehen, blieben als Überreste erhalten.

Das Veranstaltungszentrum

Seit der Neuerrichtung bietet das Congress mit seinen Räumlichkeiten viel Raum für verschiedenste Veranstaltungen. Der Saal Dogana wird als würdiger Rahmen und passenden Ambiente entsprechend der Homepage für Galaabende, Festveranstaltungen, Bälle, musikalische Veranstaltungen, Theater, Konzerte, Ausstellungen und Messen genutzt. Das Angebot für den Saal Tirol lautet beispielsweise: der "klassische" Plenarsaal, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Events aller Art, Theateraufführungen, Filmvorführungen, klassische Konzertveranstaltungen. Für den 26. Jänner war jedoch im Saal Dogana ein Vortrag geplant. Bgm. Georg Willi hat jedoch die Vermietung des Saals untersagt.

Ehrung der beliebtesten Tiroler Sportler des Jahres in der Dogana.  | Foto: Gepa Pictures
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Keine Vermietung

"Wir haben als Stadt hier eine klare Linie. Ganser verbreitet Verschwörungstheorien, relativiert die russische Aggression und scheut auch vor geschmacklosen Vergleichen rund um den Holocaust nicht zurück. So jemandem geben wir keine Bühne." So argumentierte Kulturstadträtin Katrin Auer im Dezember 2022 die Stornierung der Reservierung für Danielle Gansers geplanten Auftritt im Stadttheater von Steyr. "Der Terroranschlag vom 11. September 2001 könnte von der US-Regierung verübt oder zumindest zugelassen worden sein. Die Bundesrepublik Deutschland: "natürlich ein besetztes Land", dass "immer noch mit dem Stichwort Hitler/Nationalsozialismus niedergedrückt" werde. Die Spaltung der Gesellschaft rund um die Impfpflicht erinnere ihn auch an "Nazis und Juden im Dritten Reich." Die Ausführungen des Schweizers Rhetorikers überschreiten oft die Grenze der allgemeinen öffentlichen Diskussionskultur. Bei einem Eintritt von 40 Euro wäre im Saal Dogana ein rund 90-minütiger Vortrag von Danielle Ganser geplant gewesen. Bürgermeister Georg Willi wies den Geschäftsführer der Congress und Messe Innsbruck (CMI) GmbH, Christian Mayerhofer, an, die Veranstaltung nicht stattfinden zu lassen. Er habe dabei "in Rücksprache mit den Eigentümervertretern des Landes und der Wirtschaftskammer" gehandelt, betonte der Stadtchef im Gespräch mit dem STANDARD. Er könne nicht zulassen, dass Ganser in einem "mit öffentlichen Geldern finanzierten" Veranstaltungszentrum seine Thesen verbreite, argumentierte Willi. Zumal sowohl besagtes Kongresszentrum als auch die Messe während der Corona-Pandemie "wichtige Drehscheiben" gewesen seien. "Hier hätten Impfungen und Testungen stattgefunden."   

GR-Beschluss

In der öffentlichen Diskussion über diese Entscheidung spielt auch der Beschluss des Gemeinderates vom 12.6.2014 eine Rolle.
Resolution des Innsbrucker Gemeinderates zu Veranstaltungen in öffentlichen Räumen, Nichtvermietung an rechtsextreme oder rassistische Vereine, Organisationen und Bewegungen sowie linksextreme und/oder terroristische Vereine, Organisationen und Bewegungen:

"Die Mitglieder des Gemeinderates distanzieren sich von rechtsextremen, linksextremen, rassistischem, terroristischem sowie sexistischem Gedankengut. Gebäude oder Teile von Gebäuden im Eigentum oder Besitz der Stadt Innsbruck oder eines Unternehmens, an dem die Stadt Innsbruck beteiligt ist, sollen weder entgeltlich noch unentgeltlich für  Organisationen, Vereine oder Bewegungen zur Verfügung gestellt werden, die solches  Gedankengut vertreten/verbreiten oder sich nicht in geeigneter Art und Weise distanzieren. Frau Bürgermeisterin wird ermächtigt, die jeweilige Geschäftsführung der städtischen Unternehmen auf diesen Beschluss des Gemeinderates hinzuweisen."

Der Antrag wurde von GR Angie Eberl und GR Markus Abwerzger eingebracht und mit zwei Gegenstimmen beschlossen. GR Markus Abwerzger meinte damals in der Diskussion im Gemeinderat: "Man bekennt sich, dass man keine rechts- und keine linksextremen Organisationen in der Stadt Innsbruck haben will. Besser gesagt, sie können hier schon sein, aber die Stadt Innsbruck gibt keine öffentlichen Gebäude für deren Veranstaltungen her. Das ist ein klares Zeichen des Gemeinderates und dem können wir alle zustimmen."

Nach der Zerstörung durch den Bombenangriff war das Congress und der Saal Dogana eine Ruine. | Foto: Dogana-Ruine, 1950 (Scan (Foto: R. Sickert))
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Der Auslöser

Auslöser für den Gemeinderatsbeschluss war ein geplantes Treffen deutschen Burschenschafter in der Messe in Innsbruck im Jahr 2013. Politische Diskussionen und Demonstrationen prägten damals die Situation. "Für die Polizei in Tirol war rund um das Treffen des Dachverbandes „Deutsche Burschenschaft“ am 30.11.2013 in Innsbruck ein Großkampftag. Mehr als 300 Beamte standen im Einsatz. Unterstützung kam von Exekutivkräften aus Wien, Vorarlberg und Kärnten. „Wir sind gerüstet“, hieß es im Vorfeld." Rund 120 Personen setzten sich vor dem Haus der deutschnationalen Verbindung „Brixia“ über die Innstraße in Richtung Congress in Bewegung. Mit Transparenten wie „Achtung! Ich kann rechtsgültige Verträge auflösen!“ oder „Heute bei der Messe, morgen in der Verfassung. Ich bin die linke Gewalt“ protestierten sie gegen ihre kurzfristige Ausquartierung aus der Messehalle. Gegen Mittag versammelten sich rund 1300 Personen des „Aktionsbündnisses Innsbruck gegen Faschismus“. Die Teilnehmer marschierten vom Landhaus bis zur Messe. „Marokkanerliebe statt Burschenhiebe“ oder „Wir sind wach und wir sind viele“ stand auf Transparenten. Organisatorin Claudia Schütz forderte, dass in Zukunft keine rechtsextremen Gruppen mehr in öffentlichen Räumen in Innsbruck tagen dürfen.

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Redaktion: Georg Herrmann, Quellen: der Standard, Christian Kreil; innsbruck.info, Verena Abenthung;

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