Pflegenotstand in Innsbruck
Bettensperre, Heimplätze nur bei höchster Pflegestufe

ISD wirbt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Maßnahmen gegen den Pflegenotstand werden politisch eingefordert. (Archivbild) | Foto: ISD
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Es gibt erhebliche Schwierigkeiten, einen Heimplatz zu bekommen. So können beispielsweise bei den ISD momentan nur Personen mit den höchsten Pflegestufen aufgenommen werden. Durch Bettensperren versucht die ISD, negative Auswirkungen auf die Bewohnerinnen und Bewohner ihrer Heime zu minimieren, zwischen 30 und 50 dringende Fälle sind auf der Warteliste vorgemerkt. Die Beantwortung einer GR-Anfrage von GR Helmut Buchacher zeichnet ein drastisches Bild der Pflegesituation in Innsbruck.

INNSBRUCK. "Nix genaues weiss man und Eile ist keine geboten", mit viel Sarkasmus bilanziert GR Helmut Buchacher die Anfragebeantwortung zum Pflegenotstand in Innsbruck. Mit zehn Fragen wollte Buchacher Aufklärung über die aktuelle Situation, die Antworten zeichnen ein drastisches Bild. Der langjährige Arbeitnehmervertreter fordert neuerlich ein Maßnahmenpaket, um den Pflegenotstand aktiv zu bekämpfen. "Wir können dieses Problem nicht einfach aussitzen und auf die lange Bank schieben, wir müssen endlich und vor allem jetzt aktiv werden", sieht Buchacher enormen Handlungsbedarf der politisch Verantwortlichen.

"Das Thema eignet sich nicht für parteipolitische Grabenkämpfe und taktische Spielereien", appelliert Buchacher an Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, bei Anträgen zur Bekämpfung des Pflegenotstands die parteipolitische Brille abzusetzen. "Die Antworten auf die Gemeinderatsanfrage zeigen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht und unsere Arbeit längst über die Abhaltung von Runden Tischen oder Workshops hinausgehen sollte", meint Buchacher abschließend.

Die Anfrage

Welche Zukunftsstrategien und Maßnahmen wurden von der Stadt Innsbruck beschlossen, um kurz- und langfristig den Pflegenotstand zu beheben?
Antwort:
Es muss zwischen von der Stadt Innsbruck beschlossenen Maßnahmen und sonstigen Kooperationen und Aktivitäten unterschieden werden. Bereits beschlossene/umgesetzte Maßnahmen sind:
a) Community Nurse
b) Schaffung einer Pflegekoordinationsstelle
c) Vertrag über die prioritäre Bettenvergabe an BürgerInnen der Landeshauptstadt Innsbruck im Heim St. Vinzenz.
d) weitere Dienstwohnungen für Pflegepersonal der Innsbrucker Soziale Dienste GmbH (ISD)
e) Verankerung der Pflegestrategie 2033 im städtischen Budget samt Einbringung der dazugehörigen Stadtsenatsvorlage.

Frage 2: Welche Erkenntnisse haben die Verantwortlichen bei der Veranstaltung (Runder Tisch) zum Pflegenotstand gewonnen und was soll bis wann umgesetzt werden?
Antwort:

a) Fortführung der Vernetzung mit allen relevanten SystempartnerInnen, insbesondere den DienstleisterInnen in der mobilen und stationären Pflege, wie bei den Runden Tischen am 30.09 und 06.10.2021.
b) Fortsetzung der intensiven magistratsinternen Vorarbeiten, Workshops und Sitzungen zur Erstellung der Pflegestrategie gemeinsam mit der ISD, Sozialplanung, Mag.-Abt. II, Soziales, Gesundheitsmanagement, Mag.-Abt. I, Statistik und Berichtswesen, wie z. B. am 13.05., 10.06., 01.09., 07.09., 27.10., 08.11, 15.11. und 29.11.2022.
c) Durch die Vorträge und fachlich-inhaltlichen Expertisen, wie z. B. von Urs Sieber, Geschäftsführer des Schweizer Dachverbandes Gesundheit OdASante, bestätigt, unterstützen der ressortführende Bgm.-Stellv. Ing. Mag. Anzengruber BSc und die ISD die Einführung einer in der Schweiz bereits seit 2004 möglichen dualen Ausbildung, d. h. einer Lehre für Assistenzberufe in der Pflege. In Österreich ist diese ab Anfang 2023 möglich.
d) Verbesserungen/Optimierungen bei Nostrifikationen sind besonders wichtig. Eine Erleichterung ist z. B. die Möglichkeit für ausländische Pflegekräfte, als PflegeassistentInnen oder PflegefachassistentInnen tätig zu werden, bis die Nostrifikation abgeschlossen ist. (Anmerk. der Redaktion: Nostrifikation (von lateinisch noster bzw. nostra „unser[e]“) bezeichnet die Anerkennung von ausländischen Schul- und Studienabschlüssen sowie akademischen Graden.)
e) Stärkung der internationalen Kooperation, um ausländische Kräfte für eine Pflegetätigkeit in Innsbrucker Heimen zu gewinnen.

Frage 3: Welche Auswirkungen hat der Pflegenotstand auf die derzeitigen Heimbewoh-nerInnen?
Antwort:
Durch Bettensperren versucht die ISD, negative Auswirkungen auf die Be-wohnerInnen ihrer Heime zu minimieren.

Frage 4: Welche Folgen hat der Pflegenotstand für die ältere Generation und für deren Angehörige, die einen Heim- und Pflegeplatz angesucht haben?
Antwort:
Es gibt erhebliche Schwierigkeiten, einen Heimplatz zu bekommen. So können beispielsweise bei den ISD momentan nur Personen mit den höchsten Pflegestufen aufgenommen werden.

Frage 5: Welche Pläne gibt es dazu?
Antwort: Hoffnung auf Wirkung der unter Antwort 1 a) bis e) skizzierten Maßnahmen
. Gleiches gilt für den Ausbau der rechtlichen Maßnahmen des Bundes und des Landes Tirol (siehe hierzu auch Antwort zu Frage 9).

GR Buchacher sieht nach Anfragebeantwortung dringenden Handlungsbedarf. | Foto: Stadt Innsbruck
  • GR Buchacher sieht nach Anfragebeantwortung dringenden Handlungsbedarf.
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Frage 6: Wie viele Personen befinden sich auf den Wartelisten für einen öffentlichen oder privaten Platz in Alters-und Pflegeheimen?
Antwort:

a) Über die Wartelisten der privaten Heime kann keine Auskunft gegeben werden bzw. sind diese nicht bekannt.
b) ISD Sozialservice: in Zeiten erhöhter Nachfrage sind zwischen 30 und 50 dringende Fälle auf der Warteliste vorgemerkt. Die Dringlichkeit akuter Pflegeplätze ergibt sich zudem aufgrund von Entlassungen von PatientInnen aus den Tirol Kliniken, wobei hier trotz großer Anstrengungen des ISD Sozialservices die tatsächlichen Bedarfe extrem schwierig vorhergesagt bzw. geplant werden können.

Frage 7: In welchen öffentlichen und privaten Altersheimen gibt es wie viele leere Betten und wann gedenkt man diese wieder zu belegen?
Antwort:
Ein Rundruf Ende November 2022 hat ergeben, dass in allen Heimen (ohne die private Seniorenresidenz) in der Stadt Innsbruck knapp über 100 Plätze nicht belegt sind.

Frage 8: Welche Unterstützungsmaßnahmen der Stadt sind bei den 24-Stunden-Pflegerlnnen geplant?
Antwort:
Es gibt keine 24-Stunde-Pflege, sondern "nur" eine 24-Stunden-Betreuung. Dieses Dienstleistungsangebot wird in der Pflegestrategie 2033 mitberücksichtigt.

BezirksBlätter Innsbruck Beiträge zur ISD finden Sie hier

Frage 9: Welche Unterstützungsmaßnahmen sind nun bei der Aus-und Fortbildung der PflegerInnen geplant und wann ist mit einer Umsetzung zu rechnen?
Antwort:
Verweis auf die Maßnahmen des Bundes/Landes Tirol:
a) Novelle des Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetzes: Pflegestipendium in Höhe von € 1.400,-- monatlich ab 01.01.2023 für arbeitssuchende und karenzierte Personen mittels Antrag beim Arbeits-marktservice (AMS).
b) Novelle des Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetzes: bereits seit 01.09.2022 gab/gibt es eine monatliche Förderung von € 600,-- für Pflege- und Sozialbetreuungsberufsausbildungen in Österreich/Tirol - auch für jene Personen, welche die Ansprüche gemäß Antwort 9 a) nicht erfüllen; sie bekommen die monatliche Förderung von € 600,-- weiterhin.
c) Ausbildungsbeihilfe des Landes Tirol: Zuschuss zu den Lebenserhaltungskosten bei Ausbildung zur Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz bei gleichzeitiger Reduktion des Beschäftigungsausmaßes.
d) AMS-Fachkräftestipendium: Ersatz der Lebenserhaltungskosten während einer Pflegeberufsausbildung.
Zusätzliche Maßnahme: einmalige AK-Bildungsförderung (Zukunftsaktie) für AbsolventInnen je nach Abschluss in Höhe von € 300,-- bis zu € 1.000,--
Außerdem bietet die ISD für Personen, die nicht unter die Antworten 9 a) und b) fallen, eigene Umschulungs- und Anreizmodelle an.
Eine weitere wichtige Maßnahme - ermöglicht über eine Regelung in einem Zusatz-Kollektivvertrag des Verbandes der österreichischen Sozial- und Gesundheitsunternehmen (SWÖ) - ist: alle Berufsgruppen der Pflege- und Sozialberufe im SWÖ in Tirol erhalten einen Bonus von € 1.900,-- (brutto pro Vollzeitäquivalent). Voraussetzungen für den Erhalt der Gesamtsumme sind demgemäß eben eine Vollzeitanstellung und eine Beschäftigung über das ganze Jahr hinweg. MitarbeiterInnen, die nicht in Vollzeit beschäftigt bzw. erst während des Jahres 2022 bei einem SWÖ-Betrieb eingestiegen sind, erhalten ihren Bonus aliquot. Die SWÖ-Betriebe bekommen den vorgestreckten Gesamtbetrag vom Land Tirol rückerstattet.

Frage 10: Welche Maßnahmen wurden bisher zur Anwerbung von Pflegepersonal umge-setzt?
Antwort:

a) große Dankeskampagne auf Straßenbahnen der Innsbrucker Verkehrsbetriebe und Stubaitalbahn GmbH (IVB), Plakatständern, Firmen- KFZ und Social Media.
b) weitere Aktivitäten zum Employer Branding z. B.: neue ISD-Kampagne 2023, diverse PR-Aktivitäten.
c) Übernahme für Patenschaft von TeilnehmerInnen der AMG-Stiftung (derzeit 18 Personen).
d) Personalgewinnung Kolumbien: 11 Personen sind bereits hier, 8-10 kommen in der ersten Jahreshälfte 2023.
e) Personalgewinnung Ägypten: 10-20 Personen könnten kommen.
f) Pflegeassistentenausbildung am Ausbildungszentrum West für Gesundheitsberufe (AZW) mit betrieblicher finanzieller Unterstützung der ISD: erfolgter Start im Oktober 2022.
g) Projekt zur Anwerbung in der ersten Jahreshälfte über Social Media.
h) jahrelanger Einsatz für die Einführung der Pflegelehre.
i) Vorbereitung auf möglichen Start z. B. MentorInnenausbildung, Präsentation an Pflichtschulen, sobald der Start fix ist.
j) Geselliges (tolle ISD-Feiern und -Betriebsausflüge)

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