Barrierefreiheit
Oft ist "Barrierefrei" nur ein Lippenbekenntnis

Wie zugänglich sind "barrierefreie" Einrichtungen? | Foto: Cincelli
  • Wie zugänglich sind "barrierefreie" Einrichtungen?
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„Es ist schon eine Herausforderung, ein gesundes Kind zu haben“, sagt Anita Rieder, „aber wenn ein Kind beeinträchtigt ist, dann weiß man erst zu schätzen, was Gesundheit und Herausforderung wirklich bedeuten.“

Frau Rieder ist die Mutter von Julian. Der 12-jährige Julian kam gesund zur Welt, erlitt aber mit vier Jahren einen Herzstillstand. „Er ist einfach umgefallen beim Spielen“, erzählt Frau Rieder. Bis zur Wiederbelebung war Julian so lange ohne Sauerstoff, dass es zu einer Beeinträchtigung seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten kam. „Zusätzlich wird es einem erschwert, am sozialen Leben teilzunehmen.“ Frau Rieder nimmt hier Bezug auf ein Erlebnis, das sie in einem Innsbrucker Kino (Anm.: der Redaktion bekannt) hatte, wobei dieses Erlebnis auf sehr viele andere Freizeiteinrichtungen anwendbar ist: „Es geht mir nicht um eine Anklage, sondern darum, aufzuzeigen, dass in unserer Gesellschaft wenig Platz für Menschen vorhanden ist, die sich außerhalb der Norm befinden. Mein Sohn kann leider nicht für sich sprechen, weshalb ich ihm eine Stimme gebe.“

Ein ernüchterndes Erlebnis

„Julian liebt Kino“, erzählt Frau Rieder, „deshalb wollte ich ihm einen Kinobesuch zum Zeugnis schenken.“ Die Vorstellung für die sie Karten hatten, fand in Saal 1 statt, den man von oben mit dem Rolli befahren kann. Doch diese Vorstellung konnten sie nicht besuchen, da der Film in 3D ausgestrahlt wurde, was für Julian nicht tragbar ist. Die Karten konnten ohne Weiteres in eine 2D-Vorstellung umgetauscht werden, aber in einem anderen Saal. „Die Dame an der Kassa sagte, dass wir ganz vorne sitzen müssten, weil der Saal nicht von hinten zugänglich ist. Ich fragte, ob mir jemand helfen könnte, meinen Sohn in die 6. Reihe zu tragen, da in der ersten Reihe zu sitzen, bei Julian Anfälle auslösen kann. Kurze Zeit später kam ein junger Mann, der uns mitteilte, dass es in oberen Reihen keinen Platz für den Rolli gebe. Ich erklärte ihm, dass der Rolli unten bleiben würde und nur mein Sohn hochgetragen, wobei ich ihn am Rumpf halten und somit die Hauptlast tragen würde.“ Der Mitarbeiter erklärte, dass er das nicht machen werde. „Ich war dann sehr grantig und sagte, dass ich den Chef sprechen möchte. Der Chef erklärte jedoch, dass er seine Mitarbeiter nicht zwingen könnte, Sanitäter-Arbeiten zu verrichten, drehte sich wortlos um und verließ den Saal.“ Der Inhaber des Kinos verwies darauf, dass er oder das Kino keine Verantwortung dafür übernehmen wollen, sollte Julian etwas passieren im Zuge des Rauftragens. „Wir sind dann sehr enttäuscht nach Hause gegangen und ich habe geweint, weil es vermutlich eh nicht mehr lange möglich sein wird, mit ihm ins Kino zu gehen. Er wird größer und nimmt zu, bald werde ich es nicht einmal mit Hilfe schaffen, ihn zu tragen.“

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