Matura
Richter machen aus Mathe-"Fleck" ein "genügend"

 „Home Schooling“ bzw. „Distance Learning“, Hausaufgaben, Prüfung: eine Schülerin war mit der Benotung ihrer Mathe-Matura nicht einverstanden. | Foto: Pexels.com
  • „Home Schooling“ bzw. „Distance Learning“, Hausaufgaben, Prüfung: eine Schülerin war mit der Benotung ihrer Mathe-Matura nicht einverstanden.
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INNSBRUCK. Die Leistungen einer Gymnasiastin in Sachen Mathematik-Matura wurden von der Bildungsdirektion mit einem "Nicht genügend" beurteilt. Nach einem Einspruch der Schülerin, beurteilte das Verwaltungsgericht die schulischen Leistungen neu, aus dem "Nicht genügend" wurde ein "genügend". Für einige offenen Fragen fehlen höchstgerichtliche Rechtssprechungen.

Der Fall

Die Schülerin besuchte im Schuljahr 2019/20 die achte Klasse eines Realgymnasiums. Sie wurde sowohl im Zeugnis für das Wintersemester 2019 als auch im Zeugnis für das Sommersemester 2020 im Pflichtgegenstand Mathematik mit der Note „Genügend“ beurteilt. Am 28. Mai 2020 trat sie im Rahmen der Reifeprüfung im Haupttermin 2019/2020 zur schriftlichen Klausurarbeit im Prüfungsgebiet Mathematik an; die Arbeit wurde mit „Nicht genügend“ beurteilt. Am 23. Juni 2020 entschied die Prüfungskommission, dass die Schülerin die abschließende Prüfung (Reifeprüfung) nicht bestanden habe, weil sie im Prüfungsgebiet Mathematik (schriftlich) mit „Nicht genügend“ beurteilt worden sei. Ein gegen diese Entscheidung gemäß § 71 Abs. 2 lit. f Schulunterrichtsgesetz - SchUG erhobener Widerspruch wurde mit Bescheid vom 27. Juli 2020 abgewiesen, wobei die Beurteilung der Klausurprüfung im Prüfungsgebiet Mathematik mit „Nicht genügend“ festgesetzt und ausgesprochen wurde, dass die Mitbeteiligte die Reifeprüfung im Haupttermin 2019/20 an der gegenständlichen Schule nicht bestanden habe.

Statt "Nicht genügend" ein "genügend"
Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. November 2020 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Schülerin gegen den Bescheid statt und stellte fest, dass diese die Reifeprüfung im Haupttermin 2019/20 an der gegenständlichen Schule bestanden habe; die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde zugelassen. "Zwar seien die Leistungen der Schülerin im Sommersemester 2020 im Pflichtgegenstand Mathematik mit „Genügend“ und die bei der Klausurprüfung im Prüfungsgebiet Mathematik im Rahmen der Reifeprüfung erbrachte Leistung mit „Nicht genügend“ zu beurteilen gewesen. Allerdings seien die im Wintersemester 2019 im Pflichtgegenstand Mathematik erbrachten Mitarbeitsleistungen - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - mindestens mit „Genügend“ zu beurteilen gewesen; dazu tätigte das Verwaltungsgericht (u.a.) eingehende beweiswürdigende Überlegungen zu den von der Mitbeteiligten abgelieferten Hausübungen (vgl. § 4 Abs. 1 lit. b Leistungsbeurteilungsverordnung), von welchen nicht allgemein angenommen werden könne, dass sie nicht eigenständig erarbeitete Leistungen der Mitbeteiligten seien. Unter Einbeziehung der einzigen im Wintersemester 2019 (knapp vor Semesterende) geschriebenen, dreistündigen Schularbeit, welche mit „Befriedigend“ beurteilt worden sei, gelangte das Verwaltungsgericht für das Wintersemester 2019 zu einer Gesamtbeurteilung mit „Befriedigend“. Unter Anwendung insbesondere des § 10 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung über Vorbereitung und Durchführung abschließender Prüfungen für das Schuljahr 2019/20, BGBl. II Nr. 167/2020, gelangte das Verwaltungsgericht schließlich zu dem Ergebnis, dass die Mitbeteiligte die Reifeprüfung im Haupttermin 2019/20 bestanden habe", ist in der Begründung des Verwaltungsgerichtshofes zu lesen und stellt weiters fest: "Dabei maß das Verwaltungsgericht insbesondere der von ihm dargelegten Beurteilung der Mitbeteiligten mit „Befriedigend“ im Wintersemester 2019 ein größeres Gewicht zu als deren (im Verfahren unstrittigen) Beurteilung im Sommersemester 2020 mit „Genügend“; dies insbesondere mit Blick darauf, dass im Schuljahr 2019/20 - wegen des pandemiebedingten „Home Schooling“ bzw. „Distance Learning“ im Sommersemester 2020 - das Wintersemester 2019 der Zeitraum gewesen sei, in dem eine umfangreichere und gesichertere und damit bessere Leistungsfeststellung möglich gewesen sei."

Offene Fragen

Im Beschluss des Verrwaltungsgerichtshofes werden auch einige Fragen angeführt, wo höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlen:

  • Ist es zulässig, alleine aufgrund der Tatsache, dass ein Schüler die im Rahmen der Hausübungen erbrachten Leistungen in der Unterrichtarbeit nicht wiederholen kann und nicht beherrscht, davon auszugehen, dass es sich bei den Hausübungsleistungen um keine eigenständig erbrachten Leistungen des Schülers handeln kann?
  • Ist es korrekt, die Mitarbeitsleistungen eines Schülers mit ‚Nicht genügend‘ zu beurteilen, wenn dieser zwar sämtliche Hausübungen rechtzeitig, vollständig und korrekt erledigt, ansonsten aber keine positiven Mitarbeitsleistungen erzielt hat?
  • Ist es im Schuljahr 2019/20 aufgrund der besonderen, durch die COVID-19-Pandemie bedingten Umstände und unter Anwendung der einschlägigen COVID-19-Verordnungen zulässig, bei der Beurteilung der während des gesamten Schuljahres erbrachten Leistungen den Leistungen des Wintersemesters 2019 ein größeres Gewicht beizumessen als jenen des Sommersemesters 2020?“

Widerspruch

Schülerinnen und Schüler können nur bei einer negativen Maturanote Einspruch erheben. Der sogenannte "Widerspruch" muss binnen fünf Tagen nach der Beurteilung schriftlich bei der Schule eingebracht werden. Dann entscheidet die Bildungsdirektion mit einem Bescheid, der beim Bundesverwaltungsgericht bekämpft werden kann. In Ausnahmefällen wären dann auch noch eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof möglich.

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