Tag des Waldes
So geht es dem Tiroler Wald

Ein Blick auf den Tiroler Wald anläßlich des internationalen Tag des Waldes. | Foto: Land Tirol
2Bilder
  • Ein Blick auf den Tiroler Wald anläßlich des internationalen Tag des Waldes.
  • Foto: Land Tirol
  • hochgeladen von Georg Herrmann

INNSBRUCK. Am 21. März ist der Internationale Tag des Waldes. Ins Leben gerufen wurde der Thementag von der UNO Ende der 1970er-Jahre. Der der Wald nimmt mit 48 Prozent die Hälfte der Fläche Österreichs ein. In Tirol gibt es über 40 Prozent Waldanteil. Die BezirksBlätter Tirol haben mit Landesforstdirektor Josef Fuchs einen aktuellen Blick auf den Tiroler Wald geworfen.

Interview

BezirksBlätter Tirol: Der 21. März ist der Tag des Waldes. Gibt es für den Wald in Tirol etwas zu feiern?
Josef Fuchs:
In den letzten Jahren hatte der Tiroler Wald verstärkt mit Unwetterereignissen zu kämpfen, die regional teilweise erhebliche Schäden verursachten. Die mehr als 30.000 Tiroler Waldbesitzer*innen und Nutzungsberechtigte sind hier stark gefordert, um das Schadholz rechtzeitig aus dem Wald zu bringen, damit sich die Borkenkäfer als gefährliche Forstschädlinge nicht zu stark entwickeln. Weitestgehend sehr erfreulich für die Forstwirtschaft sind die Rohholzpreise, die sich seit dem Winter 2020/21 gut erholt haben und aktuell auf einem zufriedenstellenden Niveau liegen. So besteht ein verstärkter Anreiz für forstliche Nutzungen. Dieser Anreiz zur Nutzung unterstützt auch die mit der Mobilisierung des nachhaltigen Rohstoffes Holz einhergehende Waldpflege. Diese wiederum ist sehr wichtig für die Entwicklung und Erhaltung von vitalen und stabilen Waldbeständen. Die Coronakrise hat außerdem die Ansprüche an den Naturraum verstärkt – mehr und mehr Personen suchen den Wald als Erholungsraum auf, das Interesse an der Natur und Umwelt steigt. Das ist prinzipiell zu begrüßen, wobei es auch zu Interessenskonflikten unter den Landnutzer*innen kommen kann. Das Thema Wald und Gesellschaft ist so auch in der Tiroler Waldstrategie 2030 für den Landesforstdienst als wesentlicher Arbeitsschwerpunkt für die nächsten Jahre prominent verankert.

In den vergangenen 10 Jahren wurde rund 2.100 ha Wald für die weitere Entwicklung des Landes gerodet. Steht der Wald unter einem Widmungsdruck?
Die Rodung von Wald und die Verwendung der Flächen für andere als forstliche Zwecke unterliegt klarer forstgesetzlicher Regelungen. Wenn ein hohes öffentliches Interesse an der Erhaltung des Waldes besteht, wie dies zum Beispiel beim Schutzwald der Fall ist, so ist eine Rodung dort nur zulässig, wenn der Rodezweck in sehr hohem öffentlichen Interesse liegt. In den Tallagen hat der Wald häufig eine hohe Bedeutung für die Naherholung und die Luftreinhaltung und sind dort Waldflächenverluste auch für die Bevölkerung mitunter schmerzlich. Die Forstbehörden wägen bei allen Rodungsanträgen sorgfältig ab und spielt die Flächenwidmung dabei natürlich eine bedeutende Rolle. Die Siedlungs- und Gewerbegebietsentwicklung in den Gemeinden machen aber nur einen relativ kleinen Teil der Rodeflächen aus. Flächenmäßig umfangreicher sind die Rodungen für die Agrarstrukturverbesserung und Infrastrukturmaßnahmen oder für Sport und Tourismus. Die Waldflächenbilanz ist in vielen Gemeinden trotz der jährlichen Rodungen positiv, weil Weideflächen in höheren Lagen zuwachsen und sich der Wald an der Waldgrenze nach oben ausbreitet. Bei jeder Rodung im talnahen Bereich muss uns angesichts der häufigeren Starkregenereignisse bewusst sein, dass dadurch wertvolle Retentionsflächen verloren gehen.

Der Tiroler Waldbericht 2021 zum downladen

Eine Maßnahmen des Landes ist das Schwerpunktprogramm „Klimafitter Bergwald Tirol“, wie fällt die Zwischenbilanz dazu aus?
Wir können eine sehr positive Zwischenbilanz ziehen. Das Schwerpunktprogramm ist 2020 mit der forcierten Einbringung von Mischbaumarten und intensiver Öffentlichkeitsarbeit erfolgreich gestartet. Von 2020 auf 2021 konnte der Umsatz und die Aufforstungszahlen um gut 20% gesteigert werden. Die intensiven Fortbildungsmaßnahmen für die fachgerechte Aufforstung und Pflege von Laubbäumen und die Bewusstseinsbildung wurden erfolgreich fortgeführt. Die Homepage https://klimafitter.bergwald.eu/ gibt Auskunft über das Programm und viel Wissenswertes rund um den Klimawandel im Tiroler Bergwald. Gemeinsam mit dem Maschinenring Tirol wurden in Partnerschaft mit interessierten Personen und Unternehmen insgesamt sieben Beispielsflächen aufgeforstet.
2022 stehen wieder ausreichend Fördermittel für die Mischwaldaufforstung und –pflege zur Verfügung. Wir hoffen, dass zahlreiche WaldbesitzerInnen davon Gebrauch machen und ihre Wälder damit klimafit machen.

Landesforstdirektor Josef Fuchs im Interview mit den BezirksBlättern Tirol. | Foto: Land Tirol
  • Landesforstdirektor Josef Fuchs im Interview mit den BezirksBlättern Tirol.
  • Foto: Land Tirol
  • hochgeladen von Georg Herrmann

Themenbereich Waldschäden. Wie hoch ist das Ausmaß von abgestorbenen Bäumen durch Schadereignisse?
Die Menge an Schadholz hat in den letzten Jahren zugenommen. Die Häufigkeit von Extremereignissen hat sich ebenso erhöht. Im Jahr 2021 lag der Schadholzanteil an der gesamten Holznutzung bei 58%. Das letzte Jahr mit „normalen“ Schadholzanfall - das Jahr 2017 - liegt bereits 5 Jahre zurück. Das meiste Schadholz entsteht durch Sturm und Nassschnee.

Wie sehr hat das Wetter oder der Insektenbefall Einfluss auf den Waldzustand?
Ein an den Standort angepasster Wald ist in hohem Ausmaß widerstandsfähig gegenüber der Witterung. Nur bei den selten vorkommenden Extremereignissen wie orkanartigen Stürmen, langanhaltenden Schneefällen mit Nassschnee oder nach langer Trockenheit gibt es direkte flächige Beeinträchtigungen des Waldbestandes. Die mit dem Klimawandel einhergehenden höheren Temperaturen begünstigen aber etliche Insekten. Diese weisen heute oft kürzere Entwicklungszeiten auf und ist die Abwehrkraft der Bäume gegen Forstschädlinge bei Trockenheit geschmälert.
Von den zunehmenden Extremereignissen profitieren die Borkenkäfer in besonderer Weise. Sie finden immer häufiger sehr gute Entwicklungsbedingungen durch Schadholz nach Sturm und Nassschnee vor und können damit leichter in Massen vermehren. Die längeren Vegetationsperioden und höheren Temperaturen sorgen zudem dafür, dass mehrere Generationen von Käfern in einem Jahr ausgebildet werden. Das alles zusammen sorgt für tendenziell mehr Befall von gesunden Bäumen und im Extremfall, wie derzeit in Osttirol zu flächigem Stehendbefall durch Borkenkäfer an der Fichte.

Und wie sieht es mit dem Wild aus?
Wald und Wild sind ein traditionell emotionales Thema. Jagdwirtschaft und Forstwirtschaft müssen immer gemeinsam betrachtet werden, ein einseitiges Gewinnstreben ist nicht möglich. Jägerinnen und Jäger sowie Waldbesitzerinnen und -besitzer haben als hauptbetroffene Akteureinnen und Akteure aber auch die größte Einflussmöglichkeit. Der Forstdienst verfolgt bereits seit vielen Jahren das Ziel, dass die Waldfunktionen, allen voran die Schutzfunktion, nicht zu stark unter Wildeinfluss leiden, letztlich soll die Waldverjüngung weitestgehend ohne große Schutzmaßnahmen gegen Wildschäden funktionieren. Damit wäre der Grundstein für einen zukunftsfitten Wald gelegt. Die Jagdbehörden fixieren den jährlichen Abschussplan auf Basis des Wildstandes und berücksichtigen dabei auch die Entwicklung der Waldverjüngung. Zur Beurteilung dieser Entwicklung und als Grundlage für die Beurteilung des Waldzustandes dient die sogenannte Verjüngungsdynamik, welche zugleich ein Informations- und ein Kommunikationswerkzeug ist. Bei den Erhebungen zur Verjüngungsdynamik nehmen die Jäger*innen und Grundbesitzer*innen teil, zu starke Wildeinflüsse werden von Forst- und Jagdseite wahrgenommen und es kann darauf reagiert werden. Letztes Jahr hat der Tiroler Landtag mit der Entschließung "Lebensraum Bergwald - Wildökologisches Gesamtkonzept" den Rahmen für einen weiteren Entwicklungsschritt gesetzt.
Das wildökologische Gesamtkonzept für klimafitte Berglebensräume soll jene Grundlage sein, mit der die übergeordneten Ziele der nachhaltigen Sicherung der Biotoptragfähigkeit der Tiroler Wälder und der Schutz der Rückzugsräume des heimischen Wildbestandes erreicht werden können. Der erste Schritt besteht dabei in der Habitatmodellierung der wichtigsten Schalenwildarten sowie in der Ausweisung von Wildkorridoren. In einem zweiten Schritt werden dann konkrete Maßnahmen aus waldbaulicher, jagdwirtschaftlicher, touristischer und besucherlenkender Sicht wissenschaftlich geprüft und entsprechende Empfehlungen abgeleitet. Den beteiligten Akteurinnen und Akteure soll damit das Rüstzeug zur Verfügung gestellt werden, sachliche Lösungen vor Ort in diesem traditionell emotionalen Thema entwickeln zu können. Aus Wald und Wild wird damit der Lebensraum Bergwald mit all seinen beteiligten Nutzer- und Interessensgruppen.

Aber auch das menschliche Verhalten hat Auswirkungen, Stichwort im Winter z. Bsp. Das Thema Skitouren?
Direkte Schäden an der Waldverjüngung: Solange die kleinen Bäume unter der Schneedecke verborgen sind, können Skifahrer und Snowboarder schwere Schäden an den jungen Bäumen verursachen. Meistens wird die dünne Rinde durch die scharfen Kanten regelrecht abgeschält, die offenen Wunden sind dann Eintrittsstellen für holzzerstörende Pilze (Rotfäule). Das kann bedeuten, dass der Baum scheinbar ganz normal wächst und erst nach einigen Jahrzehnten durch die Zerstörung des Holzkörpers zusammenbricht. Wiederholte Skikantenschäden können zum Absterben der jungen Pflanzen führen. Wenn Rotwild durch Störungen von der Fütterung vertrieben wird, braucht es eine gewisse Zeit, um sich auf den plötzlichen Nahrungsengpass einzustellen. Kurzfristige Ausfälle bei der Winterfütterung bzw. wenn Tiere auf Grund einer Störung nicht mehr zur Fütterung kommen, können deshalb Probleme verursachen und zwar umso mehr, je üppiger gefüttert wird. Kommt es zu einer Störung bei der Fütterung und gehen die Tiere nicht mehr zur Fütterung, müssen sie übermäßig viel Nahrung im umliegenden Wald aufnehmen. Sie schälen dann auch vermehrt die Rinde von Bäumen ab, wodurch die Bäume frühzeitig absterben oder von holzerstörenden Pilzen (Rotfäule) befallen werden. Rotwild reagiert stark auf überraschende Störungen abseits von Wegen, hingegen gewöhnen sich Tiere an viel begangene Wege bzw. Aufstiege und zeigen bei einem geringen Abstand von ca. 50 m schon kein Fluchtverhalten mehr. Ruhe im Fütterungs- und Einstandsbereich ist daher ein wesentlicher Faktor zur schadensfreien Überwinterung. Fütterung und Einstandsbereich der Hirsche und Rehe sollen unbedingt gemieden werden. Im Rahmen des Programms Bergwelt Tirol Miteinander Erleben initiiert das Land Tirol mit seinen Partnern (Tourismus, Jagd, Landwirtschaftskammer, Alpenverein, Bergrettung) lokale Lenkungsprojekte zur Konfliktvermeidung im Naturraum. Dabei werden die Maßnahmen in lokalen Arbeitskreisen ausgearbeitet. Die wohldurchdachten Schutzzonen, Lenkungsmaßnahmen, Schitourenschneisen sollen unbedingt beachtet werden! Siehe https://www.bergwelt-miteinander.at

Wie viel wird jährlich von der öffentlichen Hand in den Tiroler Wald investiert?
Im Bereich Forstwirtschaft konnten im vergangenen Jahr geförderte Investitionsmaßnahmen im Ausmaß von € 18,7 Mio. umgesetzt werden. Die € 12,5 Mio. an dafür eingesetzten Förderungsgeldern kommen von Bund, Land und Europäischer Union, die Eigenmittel werden von den Tiroler Waldbesitzer*innen und Interessenten getragen. Der überwiegende Anteil fließt in den Erhalt und die Verbesserung des Schutzwaldwaldes sowie in die Klimawandelanpassung der Bestände. Für die Wirkung des Waldes als Erholungsraum wurden letztes Jahr zudem mehr als € 2,7 Mio. an Landesförderungen im Bereich des Landschaftsdienstes ausbezahlt. Schwerpunkte sind hier vor allem in den Bereichen Wander- und Bergwege sowie Mountainbike gegeben. Hervorzuheben ist vor allem das Tiroler Mountainbike Modell, das vom Tiroler Forstdienst mit den Naturraumpartnern entwickelt wurde, um die steigende Anzahl an Bikern verantwortungsvoll durch den Wald zu lenken und wichtige Versicherungs- und Haftungsfragen zu klären.

Weitere Nachrichten aus Tirol finden Sie hier

Ein Blick auf den Tiroler Wald anläßlich des internationalen Tag des Waldes. | Foto: Land Tirol
Landesforstdirektor Josef Fuchs im Interview mit den BezirksBlättern Tirol. | Foto: Land Tirol
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.