Kein Wohnungsnotstand in Innsbruck
Land und Stadt mit unterschiedlicher Auffassung

- Das Land Tirol sieht keinen Wohnungsnotstand in der Stadt Innsbruck.
- Foto: MeinBezirk
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Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hat der Landeshauptstadt Innsbruck bei der beantragten Verordnung eines Wohnungsnotstandes eine Absage erteilt. Nach Prüfung eines entsprechenden Antrages der Stadt aus dem Jahr 2022 habe man den konkreten Wohnbedarf quantitativ erhoben und kein Überschreiten der erforderlichen Quote von zwei Prozent erkannt.
INNSBRUCK. Die Landeshauptstadt hatte sich vor zwei Jahren mit dem Antrag an das Land gewendet, einen "quantitativen Wohnungsfehlbestand" festzustellen. Nun teilte das Land der Stadt mit, dass diese Prüfung negativ ausgefallen sei.
Demnach seien derzeit 2.232 Anträge von insgesamt 4.630 Wohnungssuchenden registriert. Ihnen stünden 2.052 bereits geplante geförderte Wohnungen bzw. Wohneinheiten gegenüber. Ziehe man diese von der Zahl der Anträge ab, benötige es weitere 180 Wohnungen. 2.315 Personen hätten somit einen konkreten Wohnungsbedarf. Im Verhältnis zu 132.594 mit Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt gemeldeten Personen seien das 1,74 Prozent und damit weniger als die erforderlichen zwei Prozent.
Auch verwies man auf widersprüchliche Stellungnahmen aus dem Stadtmagistrat. Das Land sah demnach ein Auslangen mit gelinderen Mitteln, etwa der Ausweisung von Vorbehaltsflächen und Vertragsraumordnung. 3,5 Hektar könnten entsprechend gewidmet werden. Damit wird nach aktuellem Stand das seit 1974 bestehende und seitdem noch nie angewandte Bodenbeschaffungsgesetz weiter in der Schublade bleiben. Innsbruck hatte sich davon Fortschritte im Bereich leistbares Wohnen versprochen. Das Gesetz ermöglicht es Städten unter anderem, in Kaufverträge für Baugrundstücke einzutreten und in letzter Konsequenz sogar zu Enteignungen zu greifen. Dies wäre dann möglich, wenn Eigentümer Verkauf oder Einräumung eines Baurechts ablehnen oder einen nicht angemessenen Preis verlangen. Um das Gesetz anzuwenden, muss zuerst ein Notstand von der Landesregierung erkannt bzw. verordnet werden.
Aus dem Gemeinderat vom Juli 2022
GR Benjam Plach informiert über den weiten Ablauf nach dem Antrag an das Land Tirol hinsichtlich Bodenbeschaffungsgesetz. Plach sieht eine Klärung als wichtige Maßnahmen gegen den Wohnungsnotstand. LA GR Gebi Mair freut sich über ein gemeinsames Vorgehen von Stadt und Land in dieser Frage. StR Christine Oppitz-Plörer erhofft sich vor allem eine Überarbeitung des aus dem Jahre 1975 bestehenden Gesetzes, da die Thematik Wohnleerstand nicht berücksichtigt ist. Auch Nachbargemeinden können im Rahmen dieses Gesetzes einbezogen werden. GR Christop Appler sieht im Gesetz ("der Ladenhüter der Gesetze") die Problematik der Eineignung und der marktüblichen Preise beim Ankauf. GR Gerald Depoli lehnt den Antrag aufgrund der Enteignungsmaßnahmen ab. StR Elisabeth Mayr sieht die Feststellung des Wohnungsfehlbestandes als wichtige Säule im Kampf gegen die Wohnungsproblematik. GR Mesut Onay fordert ein Umdenken im Gemeinderat bei der Lösung der Wohnproblematik, da es um eine Daseinsvorsorge für die Stadt geht. Vizebgm. Markus Lassenberger hält fest, dass eine FP-Zustimmung wegen der Enteignung nicht möglich ist. GR Dagmar Klingler-Newesely fordert dringend Maßnahmen. GR Gerhard Fritz erinnert an die Beschlussfassung des ÖROKO 2.0 und die grundlegende Ausrichtung der künftigen Bebauungspolitik. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.
Kritik
Die Grünen, in Innsbruck zusammen mit der Liste "JA - Jetzt Innsbruck" sowie der SPÖ Teil der Stadtregierung, übten Kritik an der Haltung des Landes. Dieses "drückt sich vor einer Verordnung und rechnet sich die Zahlen schön", wird Vizebgm. Georg Willi in einer Aussendung zitiert. Die Zahl an registrierten Wohnungssuchenden sei zuletzt stetig nach oben gegangen und die "Wohnungsnot" ende nicht bei den entsprechend Vorgemerkten. Die aktuell zur Verfügung stehenden Instrumente würden nicht ausreichen, betonte Willi. SPÖ-Vizebürgermeisterin Elisabeth Mayr warf der Landesregierung, der auch ihre Partei angehört, Sabotage vor. "Beim Wolf ist man kreativ und scheut keine juristischen Mühen, damit die Intention erreicht werden kann, beim leistbaren Wohnen hingegen blockiert man Lösungen aus Feigheit", kritisierte Mayr. Man verwechsle Zahlen von Menschen und Wohnungen und verhalte sich so, als gäbe es kein Problem.
"Es ist völlig inakzeptabel, wie das Land Tirol die tatsächliche Zahl der Wohnungssuchenden in Innsbruck verzerrt und somit verfälschend nach unten korrigiert", sagte dazu der rote Klubobmann und Stadtparteichef Benjamin Plach: "Niemand kann in einer Wohnung leben, die bisher nur am Papier existiert."
Bürgermeister Johannes Anzengruber teilte offenbar die Haltung seiner Stellvertreter. Er könne auf deren Aussendungen verweisen, hieß es aus dem Büro des Stadtchefs auf APA-Anfrage. Die oppositionelle KPÖ ortete "Taschenspielertricks". Die Landesregierung habe mit der Verordnung einfach so lange gewartet, bis die Zahl der als Wohnungssuchenden kurz unter der für das Gesetz notwendigen zwei Prozent der Einwohner lag, mutmaßte Klubobfrau Pia Tomedi. Noch im Februar habe die Zahl der für städtische Wohnungen vorgemerkten Personen noch 5.558 betragen, somit wäre die Quote erreicht gewesen. Der kurzfristige Rückgang sei unter anderem mit der Vergabe von mehreren Wohnungen auf einen Schlag durch Fertigstellung eines Wohnprojekts begründet und ändere nichts an der langfristigen Problemlage. Verwundert darüber, wie das Land den Wohnungsnotstand in Innsbruck „weggerechnet“ habe, zeigt sich die Alternative Liste Innsbruck (ALi). „Wenn mehr als zwei Prozent der Bevölkerung auf den Vormerklisten der Stadt registriert sind, dann ist der Sachverhalt des quantitativen Wohnungsfehlbestands laut Bodenbeschaffungsgesetz erfüllt. Und das ist in Innsbruck mit 4 630 Wohnungssuchenden eindeutig der Fall. Davon, dass die geplanten und im Bau befindlichen geförderten Wohnungen vom Wohnbedarf abzuziehen seien, steht im Bodenbeschaffungsgesetz selbst jedenfalls nichts,“ wundert sich ALi-Wohnbaureferent Roland Steixner.
Hausgemacht
Für Liste Fritz-Parteiobfrau Andrea Haselwanter-Schneider sind die Probleme auf dem Wohnungssektor in Innsbruck auch hausgemacht. "In Innsbruck basiert die Wohnungspolitik auf Grundlage eines ÖROKO 2.0, das in keiner Weise den aktuellen Gegebenheiten und Anforderungen entspricht und sogar von einem Bevölkerungswachstum in Innsbruck ausgeht“, ist Haselwanter-Schneider über die Fehlentwicklung in Innsbruck keineswegs verwundert. Deshalb hat die Liste Fritz im letzten Gemeinderat einen Antrag auf Überarbeitung des ÖROKO eingebracht, weil nachgewiesenermaßen das Planungsinstrumentarium auf einer völlig falschen Grundlage aufgebaut ist. So geht das ÖROKO in der aktuell gültigen Fassung nach wie vor davon aus, dass Innsbruck bis 2030 um 13.500 Menschen wächst und deshalb bis zu 9.000 neue Wohnungen gebaut werden müssen. Die Realität spiegelt aber eine andere Entwicklung und Realität wider. Was die Bevölkerungsentwicklung seit 2016 betrifft, ist die Einwohnerzahl sogar zurückgegangen.
Bauchfleck
„Den meisten Mandatarinnen und Mandataren war bereits bei der Beschlussfassung klar, dass dieser gesetzlich definierte „Wohnungsnotstand“ nie kommen wird. Wahrscheinlich wusste das sogar die SPÖ selbst als Antragsstellerin.Mit dem Beschluss der schwarz-roten Landesregierung wurde nun das SPÖ-Wahlkampfmärchen „Leistbares Wohnen durch Ausrufung des Wohnungsnotstandes“ im Sommerloch still und heimlich offiziell beendet“, so Wohnungsausschussmitglied GR Christine Oppitz-Plörer. "Klar ist, dass die Wohnungspreise in Innsbruck österreichweit an der Spitze liegen und es hier lenkende Maßnahmen braucht. Der größte Ansatzpunkt ist sicher die Mobilisierung des Leerstandes. Projekte wie „Sicheres Vermieten“ und die Anpassung des Mietrechts würden sehr helfen, leerstehende Wohnungen wieder leichter auf den Markt zu bringen."
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Teures Pflaster
Innsbruck ist das teuerste Pflaster für Eigentumswohnungen unter den Landeshauptstädten Österreichs. Derzeit zahle man hier für eine neue Eigentumswohnung durchschnittlich 9.700 Euro pro Quadratmeter (m2), für eine gebrauchte sind es 5.600 Euro pro m2, wie Raiffeisen Immobilien erhoben hatte. (APA)

- Benjamin Plach und Elisabeth Mayr haben den Antrag im Gemeinderat eingebracht.
- Foto: SPÖ Ibk
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