Rudis eiserne Libelle

Arbeitsplatz über den Wolken und in den heimischen Bergen: Pilot Rudi Schider. | Foto: Foto: SHS
14Bilder
  • Arbeitsplatz über den Wolken und in den heimischen Bergen: Pilot Rudi Schider.
  • Foto: Foto: SHS
  • hochgeladen von Klaus Kogler

WAIDRING. Wenn Rudi Schiders Helikopter in die Luft steigt, beginnt sofort das Rennen gegen die Zeit und oft ein Pokerspiel mit dem Tod!

Bei den Rettungsaktionen verunglückter Menschen zählt jede Sekunde. In 35 Jahren und 1.800 Flugstunden hat er Hunderte Leben gerettet. Bei der SHS (Schider Helikopter Service) stehen Sicherheit und Einsatzbereitschaft an erster Stelle.

Wovon träumen junge Streber? Im schönen Dreiländereck Waidring-Unken-Bayern träumt jemand namens Rudi voller Herzblut davon, Kellner zu werden. „Ich war schon als Kind sehr 'eitel' und wollte 'schön bekleidet arbeiten'", erinnert sich der Chef der SHS, Rudi Schider.

Eines Tages, schon als Teenager, darf er mit seinem Vater, einem Berufspiloten, erstmals in den Hubschrauber steigen. Von diesem Erlebnis überwältigt schlägt sein Herz ab sofort nur noch für die Fliegerei.
Der Lebensweg ist gefunden, nur wie wird man Pilot? „Die Ausbildung zum Heli-Piloten ist schwierig und sehr teuer. Sie kostete schon damals umgerechnet um die dreißigtausend Euro. Für unsere mittelständische, kinderreiche Familie war das finanziell nicht tragbar. Mein Vater, Alleinverdiener, sagte mir, dass keines der Kinder bevorzugt werden kann. Erst gar nicht abgehoben, musste ich auf dem harten Boden der Realität landen. Glücklicherweise öffneten mir meine schulischen „Einser“ die Türen zu einer Bank in St. Johann in Tirol, wo ich nach meinem Hauptschulabschluss sofort ins Angestelltenverhältnis übernommen wurde und als Gastschüler die kaufmännische Berufsschule besuchte. Einen Ausbildungskredit bekam ich von meiner Hausbank in Waidring, der ich als Kunde immer noch treu bleibe“, so der Strebsame.
In der Schweizer Berufs-Piloten-Schule „Heli-Swiss “ in Bern lernt er das komplizierte Fliegerhandwerk, den trotzigen Charakter der eisernen „Libelle“ und zahlreiche Geheimnisse des sicheren Fliegens kennen. Er bekommt diese Kunst vorerst in der Theorie und später bei Flugübungen als „Erbe“ von Franz Schider-Senior erklärt. Mit knapp 19 Jahren ist Schider der jüngste Helikopter-Berufspilot Österreichs und verdient sich nach langjährigen, vielen Hürden einen guten Ruf in der Szene. „Das Wichtigste bei uns ist vorrangig eine unfallfreie Berufslaufbahn und außerdem ist man von der positiven Kundenbewertung abhängig“, so der Profiflieger. 1992 gründet er mit nur einer Maschine seine Flugrettungsfirma, und 9 Monate später, um konkurrenzfähig bleiben zu können, kommt das zweite „Heli-Baby“ ins Haus. So wächst er mit den Aufgaben dank seiner ´größten Schwächen´: Perfektionismus und die hohen Anforderungen an sein zusammengeschweißtes Team, aber vor allem an sich selbst.

Die gesamte Flotte der SHS ist heuer mit 9 top-ausgestatteten Helis im Wert von 2,5 bis 4,5 Mio. € pro Maschine über dem Alpengebiet präsent und unverzichtbar. Seit dieser Zeit verdanken Hunderte von ihm Gerettete ihm ihr Leben - und eine davon ganz besonders: „An einem kalten, grauen Wintermorgen wurde ich nach Saalbach-Hinterglemm gerufen. Eine verzweifelte junge Krankenschwester entschloss sich nach einer kräftig gefeierten Party auf einer Hütte, dem Leben ´Ade´ zu sagen und machte sich eine tiefe weiße Schneedecke zum Sarg. Sie wurde nach mehreren Stunden völlig nackt im Schnee versunken aufgefunden, ihr Puls war kaum noch spürbar. Die Überlebungschance der Frau war sehr klein, die Absturzgefahr bei unserer Landung mitten im Dorf war im Gegenteil verdammt groß. Während des Anfluges in die geeignete, nächstgelegene Spezial-Klinik mussten wir bei minus 25 Grad auf die Heizung komplett verzichten. Um der ´Erfrorenen´ eine Überlegungschance zu ermöglichen, sollte sie langsam auftauen und anschließend sofort an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden. So hat sie es letztendlich überlebt“, erzählt bewegend der Fliegerprofi. Eines Tages, 14 Jahre später, stehen plötzlich eine hübsche Dame und ihre zwei kleinen Kinder vor Rudi. Mit Augen voller Tränen und einer zitternden Stimme bedankt sich die junge Mutter für die inzwischen drei geretteten Leben!

Die Rettungsaktionen verlangen von hohe Konzentration und Verantwortung, nicht nur für die Unfallopfer, sondern auch für das Rettungsteam. Wie kommt man wieder mental ´runter´, wenn man nach extremen Einsätzen zum Stützpunkt zurückkehrt? „Nachdem unser Job erledigt ist, machen wir meistens so eine Art ´Aprés Fly Runde´, wo in einer gemütlichen Atmosphäre der komplette Einsatzverlauf detailliert und selbstkritisch besprochen wird. Das hat eine doppelte Wirkung: eine psychische Entlastung und das Vermeiden eventueller Fehler in der Zukunft“, erzählt Rudi und verrät bescheiden, dass er danach für sich als Ausgleich gerne Saxophon und Keyboard spielt. “Ich habe früher in einer Band gespielt und konnte sogar mit Spaß und Gaudi mein dürftiges Anfangsgehalt deutlich aufbessern." Was können Sie noch fliegen? „Das Tanzen auf zwei Hochzeiten ist nicht mein Ding - ich fliege nur Heli, das dafür sehr gut!“ Was wünschen Sie sich kurz vor Weihnachten? „Ich wünsche mir – wie schon so oft – mehr Zeit für mein Privatleben und meine allerliebste, großartige Familie, die ich als echter ´Workaholic´ auch schon mal vernachlässige. Außerdem wünsche ich mir, dass meine früh verstorbene Lebensgefährtin Anna, die mich damals bei der schwierigsten Entscheidung meines Lebens - meiner Firmengründung - in allen erdenklichen Belangen stark motivierte und unterstützte, vom Himmel herunterschauend stolz auf mich ist", sagt der Mann, der ohne Flügel fliegen kann.
Das Schweben in der Luft ist seine Leidenschaft, die Rettung von zwischen Leben und Tod schwebenden Menschen sieht er als seine Lebensaufgabe.

Fotos: Schilling, SHS

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.