Herr Ehrlich und seine "Dirndln"

Wilhelm Ehrlich in seinem Büro in Kitzbühel
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KITZBÜHEL. Wilhelm Ehrlich, Sohn einen Textil-Großindustriellen, wird 1943 in Reichenberg im Sudetenland (Altösterreich) geboren und kann heute auf eine bewegte Kindheit zurückblicken. Während der Vertreibung der Sudetendeutschen im Jahr 1945 landet seine Familie im Rahmen der „Ostzüge“ in der damaligen DDR. Acht Jahre als Staatenlose geführt entscheiden sich die Ehrlichs 1952 für die österreichische Staatsbürgerschaft und kehren in ihre neue „alte“ Heimat zurück.

Steil bergauf

Die Jugendwünsche bleiben oft unerfüllt. So wird Wilhelm weder Pfarrer noch Pilot. Im Sinne der Familientradition absolviert er die Wiener HTL der Textilindustrie und mit Leichtigkeit - wie auf eine Bestimmung - geht seine berufliche Karriere von Unternehmen zu Unternehmen bald in Führungspositionen steil aufwärts. Sein Wissen und Können wird geschätzt, bis er sich eines Tages eine kritische Äußerung gegenüber seinem Arbeitgeber erlaubt, in deren Folge seine berufliche Laufbahn unerwartet unterbrochen ist. Von Hamburg bis Hongkong führt er Vorstellungsgespräche, und schließlich packt er das Wertvollste was er hat: seine drei Dirndln Herta, Ulli und Christina, und geht nach Kitzbühel zur Sportalm. Warum haben Sie sich für Tirol entschieden? „Ich war vom damaligen Firmenchef Franz Kneissl fasziniert, meinem bis heute einzigen Vorbild,“ sagt Herr Ehrlich und zeigt auf das alte schwarz-weiß Foto von Franz Kneissl, das an seinem Arbeitstisch platziert ist. „Ich kann mich noch heute an diesen bewegenden Montagvormittag im Juli 1980 erinnern auf dem alten Center Court in Kitzbühel. Da spielte Ivan Lendl sein Qualifikationsspiel. Ich saß mit Herrn Kneissl auf der Ehrentribüne, und plötzlich teilte er mir mit: „Du kannst die Firma haben!“ Gott sei Dank, dass die finanzierenden Banken mit meinem „Null-Startkapital“ an mich geglaubt haben und mir eine Chance gaben.“ Man bezeichnet Sie oft als Marketing-Guru. Hatten Sie auch „trübe Tage“ in Ihrem sonnigen, glanzvollen Unternehmen? „Unser ehemaliger Produktionsbetrieb im Burgendland, bzw. seine viel zu späte Schließung, hat uns beinahe unsere Existenz gekostet. Ich ahnte die Notwendigkeit dieser Trennung, versuchte aber, für meine Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze zu sichern. Unser ganzes Privatvermögen musste für die Rettung der Sportalm aufs Spiel gesetzt werden. Das war eine harte Lehre für unsere Familie, die uns noch mehr zusammengeschweißt hat“, öffnet sich Herr Ehrlich. Wie oft sieht sich die komplette Familie Ehrlich? Worüber spricht man am meisten in der Familienrunde? „Wir sitzen traditionell zum Mittagessen an einem großen Tisch zusammen und unsere Lieblings-Gesprächsthemen sind Mode, neue Trends und natürlich das Geschäft. Als meine Schwester noch lebte, hat sie uns gerne in Tirol besucht. Oft reiste sie aber bereits nach drei Tagen wieder ab, mit der Begründung: Ihr sprecht ja nur übers Geschäft, das kann ich nicht lange aushalten!“, schmunzelt Herr Ehrlich.

Audienz beim Papst

Woran erinnern Sie sich gerne? „Eines der faszinierendsten Erlebnisse meines Lebens war die persönliche Audienz 1979 bei Papst Johannes Paul II. Ich war aufgeregt wie ein Einschulungskind, und als der Papst reinkam, war ich von seiner charismatischen Ausstrahlung total überwältigt.

Verantwortungsbereiche

Sie sind jeden Tag im Geschäft, obwohl Ihre Töchter engagiert und erfolgreich für das Unternehmen arbeiten. Treffen Sie immer die letzten Entscheidungen? „Meine Töchter und meine Frau führen ihre zuständigen Firmenbereiche ganz autonom. Da rede ich nicht dazwischen. Auch privat geht bei uns jeder seinen frei gewählten Weg, ohne einen gewissen Familiendruck, den es oft bei großen Familienunternehmen gibt. Ich bin gerne in der Firma, das ist meine Lebensquelle, vor allem jetzt, nachdem das neue Firmengebäude ganz nach Feng Shui-Regeln von einem der besten österreichischen, darauf spezialisierten Architekten-Ateliers, dem Büro Ender, entworfen und erbaut wurde. Begleitet wurde der Bau von Claudius Albrecht, Dipl. Feng-Shui-Berater. Nachdem die Hauptbauphase fast abgeschlossen war, teilte mir der Architekt plötzlich mit, dass einige Baufehler im Sinne von Feng Shui zustande kamen. Die Rechnung des Umbaus belief sich auf
1 Mio. Euro, die eigentlich gespart sein könnten – aber ich mache keine halben Sachen. Qualität war und hat bei uns die höchste Priorität. Somit kostete dieses Juwel 6 Mio. Euro“, so der stolze Sportalm-Chef über das Headquarter in Kitzbühel.
Das weiße Haus an der Straße, das Gesteinsschichten oder Schneewehen ähnelt, fällt auf mit seiner „Reinheit“ und der durch dessen Form erzielte, unbewusst spürbare Dynamik. Das Haus von innen erweist sich als eine Oase der Ruhe und Harmonie – eine faszinierend pure Ästhetik für Auge und Seele.

Anerkennung für Tirol

Was ist für Sie wichtiger als Arbeit? „Die Zufriedenheit, die ich durch die Anerkennung meiner Umgebung bekomme. Dass ich im Jahr 2010 zum „Unternehmer des Jahres“ in der Bekleidungsindustrie gewählt wurde, hat mich berührt“, sagt der Sportalm-Chef.
Sie haben alles erreicht, was Sie erreichen wollten. Sind Sie ein Glückspilz?
„Jeder kann ein Glückspilz sein, jeder bekommt seine Chancen im Leben, nur nicht jeder erkennt und nutzt diese. Ich hatte das Glück und schaffte beides.“

Text: Nadja Schilling
Fotos: N: Schilling, Sportalm (1)

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