Kitzbühel erinnert sich an Dr. Otto Wendling, geboren vor 100 Jahren, verstorben vor 10 Jahren
10. Todestag von Otto Wendling (1921 – 2011)

Otto Wendling im Jahre 2009 bei der Präsentation seines wohl bekanntestes Werkes. Vieles seiner Bücher musste er an diesem Abend natürlich selbst signieren. | Foto: Archiv
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  • Otto Wendling im Jahre 2009 bei der Präsentation seines wohl bekanntestes Werkes. Vieles seiner Bücher musste er an diesem Abend natürlich selbst signieren.
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KITZBÜHEL. Als Otto Wendling, geboren am 16. Oktober 1921, verstorben im Jahre 2011, Vater von vier Kindern (Horst, Inge, Jutta und Klaus), im jungen Alter von 23 Jahren am 13. August 1946 nach 2-jähriger Kriegsgefangenschaft aus England mit der Auszeichnung „Deutsches Kreuz in Gold“ heimkehrte, wusste er noch nicht, welchen neuen Beruf er ergreifen sollte, zumal er Berufssoldat war und es diesen Beruf nach dem verlorenen Krieg für ihn nun nicht mehr gab. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als wieder neu von vorne zu beginnen, wobei er sich jedoch zumindest auf seine Mittelschulreife stützen konnte, die er mittels eines sogenannten „Notabiturs“ noch kurz vor seinem Einrücken zum Militär im Jahre 1939 schaffte.
Otto Wendling wollte eigentlich auf die Technische Hochschule nach Wien oder Graz, aber dazu fehlte das Geld. Seine nächste Überlegung war ernsthaft das Ergreifen eines Handwerks, nämlich des eines Bäckers, um einmal als Meister den Betrieb seines Großonkels und Taufpaten in Bregenz zu übernehmen. Er ließ jedoch diesen Plan sofort wieder fallen, als er erfuhr, dass der Betrieb seines Großonkels schon vor seiner Heimkehr aus dem Krieg langfristig verpachtet wurde. Wenn dies nicht der Fall und er damit einverstanden gewesen wäre, hätte Otto Wendling bei den damals tristen Verhältnissen dem Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ folgend, wohl mit großer Wahrscheinlichkeit zugegriffen und Studium Studium sein lassen. In Innsbruck war es möglich Jus zu studieren, so entschied er sich für dieses Studium, obwohl es nicht sein Wunschthema war, inskribierte im Herbst 1946 an der Leopold-Franzens-Universität und begann sofort fest zu lernen, denn sein Ziel war es nicht acht, sondern weniger Semester, bis zum Abschluss zu brauchen.

Während seines Studiums heiratete er am 13. August 1947 Marianne, eine Kitzbühelerin, geborene Graswander, nur hier gönnte er sich eine kurze Auszeit und fuhr mit seiner Marianne über Einladung seiner Verwandten zu einen zweiwöchigen Hochzeitsurlaub nach Bregenz. Weitere Unterbrechungen auf Kosten der Zeit leistete er sich in Folge ganz selten. Dazu hätte ihm auch das Geld gefehlt, weshalb er auch noch lange nach seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft in Stiefeln und Stiefelhose herumlief. So musste er sich auch zum Heiraten erst einen Anzug ausleihen, den er auch erst am Tag der Hochzeit abholen durfte und am Nachmittag bereits wieder an den Besitzer wegen Eigenbedarfs zurückgeben musste. Denn, was er an Erspartem hatte, musste in erster Linie fürs Studium herhalten, während ihm das, was er zum nackten Leben brauchte, weniger Sorgen machte. Zum Essen gab es nämlich immer etwas, anfangs noch am Tisch seiner Eltern, dann bei Marianne, seiner nunmehrigen Gattin, in deren kleine Wohnung er gezogen war oder aber auch am Tisch seiner Schwiegereltern mit eigenem Garten und einigen Hühnern. Und gelegentlich konnte er auch als Träger bei Nachteinsätzen des Roten Kreuzes einige Schillinge mit nach Hause bringen. Ab und zu übernachtete er gemeinsam mit anderen Studierenden in einem billigen Quartier in Innsbruck, welches jedoch auch im Winter nicht oder ganz wenig beheizt wurde. So schleppte er, wenn er montags früh mit dem ungeheizten Personenzug nach Innsbruck fuhr, jedes Mal einen großen Rucksack voll Holzscheiter mit sich. Damit konnte er die Temperatur im Zimmer gerade so regeln, dass er sich beim Lernen im Bett zumindest aufsitzen konnte.

Otto Wendling war sein gesamtes Leben lang ein Kämpfer, so auch auf der Uni, auch wenn es ihm dort egal war, mit welchen Noten er die einzelnen Prüfungen abschloss, denn wichtig war für ihn in erster Linie in kürzester Zeit das Studium zu beenden. Er schloss was für viele als Unmöglich bezeichnet wurde, sein Studium schlussendlich nicht wie vorgesehen in acht, sondern in lediglich fünf Semestern ab, d. h. er brauchte für sein Studium anstatt der vorgesehenen vier Jahre, de facto nur zwei Jahre und drei Monate. Sein nächstes Ziel war es nun, so bald als möglich auch noch den Doktor zu machen, wieder so rasch als möglich Prüfungstermine zu erhalten und weiterzubüffeln, um so schnell als möglich als frisch gebackener Doktor die Universität verlassen zu können. Und es gelang. Bereits am 19. Mai 1949 promovierte er im Beisein seiner Marianne und unter den Augen seiner Eltern und Schwiegereltern, die alle auf ihn stolz waren und so konnte er die Universität in Innsbruck als Doktor der Rechte verlassen. Und das in sage und schreibe nur knapp 30 Monaten. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass er zu einem späteren Zeitpunkt noch zwei weitere Semester Staatswissenschaften belegt hatte, um neben dem Doktor der Rechte auch noch den Doktor der Staatswissenschaften, kurz „Dr. rer. pol.“, zu machen, wobei gemäß einer Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht sechs Semester des rechtshistorischen Studiums angerechnet wurden. Zur Erreichung dieses zweiten Doktorgrades hätte es allerdings noch einer Dissertation, einer schriftlich wissenschaftlichen Abhandlung bedurft. Das ihm vom Professor zugewiesene Thema lautete „Bergbau und Fremdenverkehr“. Zum Schreiben dieser Arbeit fehlte ihm aber dann aus beruflichen und anderen Gründen leider die Zeit, obwohl er sich mit Bezug auf Kitzbühel als Bergbau- und Fremdenverkehrsgebiet kein schöneres Thema hätte wünschen können.

Am 1.Juni 1949 begann Otto Wendling sein Gerichtsjahr am Bezirksgericht Kitzbühel, u. a. in der Strafabteilung, in der Zivilabteilung, beim Untersuchungsrichter und bei diversen Einzelrichtern und im Anschluss machte er sich sofort auf die Suche nach einer Stelle bei einem Anwalt. Zunächst einmal bei einem in Kitzbühel, um daheim bleiben zu können. Doch keiner wollte ihn, nicht einmal gegen Lohnverzicht, weil man sich keine Konkurrenz zügeln wollte und so kehrte er wieder in den Gerichtsdienst zurück, bevor er dann doch eine Stelle zuerst bei einem Rechtsanwalt in Kufstein und anschließend bei einem Kitzbüheler Rechtsanwalt bekam, bevor er im Jahre 1953 die Rechtsanwaltsprüfung ablegte und im Anschluss im 1. Stock des Hauses seiner Schwiegereltern in der Oberen Gänsbachgasse seine eigene Kanzlei gründete. Diese bestand vorerst nur aus einem Raum, der auch in seiner Pension noch sein Arbeitszimmer war, während als Warteraum der kleine Flur davor im Stiegenhaus diente. Sein Startkapital war ein Bankkredit von fünfzehntausend Schilling, mit dem er sich das allernotwendigste an Gesetzbüchern und Schreibmaterial kaufte, u. a. ein ersteigerter Schreibtisch, ein geschenkt erhaltener, bereits ausgedienter kleiner Rollschrank und drei Sessel. Das war der Anfang. Die Rechtsanwaltskanzlei übergab er bei seiner Pensionierung an seinen Sohn Horst.

Otto Wendling hatte auch viele politische Funktionen, so war er Gründungsmitglied der Freiheitlichen Partei Österreichs, u. a. Bezirksparteiobmann, 18 Jahre lang Gemeinderat, FPÖ Spitzenkandidat bei den Gemeinderatswahlen der Stadt Kitzbühel 1968 und 1974, sowie insgesamt drei Perioden, also 18 Jahre lang, Abgeordneter zum Tiroler Landtag.
Otto Wendling war Mitglied bei vielen Vereinen, u. a. bei der Schützenkompanie Kitzbühel, davon viele Jahre an der Spitze der Kompanie tätig, schlussendlich Ehrenhauptmann und organisierte in seiner sehr aktiven Zeit als begeisterter Schütze mehrere Bataillons-Schützenfeste in Kitzbühel. Er ist Texter vom Kitzbüheler Schützenmarsch, die Noten dazu schrieb niemand geringerer als Kitzbühels langjähriger Stadtkapellmeister Sepp Gasteiger.

Er war auch Initiator von vielen Projekten und hatte viele Ehrenämter, war u. a. Initiator vom Therapiezentrum Kitzbühel, im Jahre 1971 Gründungsmitglied des Hauskrankenpflegevereines in Kitzbühel, setzte sich also auch sehr intensiv für die Pflege kranker Menschen ein.
Für seine vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten und Einsätze für das Wohl seiner Mitmenschen bekam er unzählige Ehrungen und Auszeichnungen. Otto Wendling wurde vom Land Tirol mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet, war Ehrenringträger der Stadt Kitzbühel, erhielt die „Goldene Verdienstmedaille des Bundes der Tiroler Schützenkompanien für seine Verdienste um das Tiroler Schützenwesen“, wurde ausgezeichnet für „70 Jahre Mitgliedschaft beim Tiroler Landes-Schützenbund“, bekam u. a. das Goldenes Ehrenzeichen für „50 Jahre Mitgliedschaft beim Kitzbüheler Skiclub (KSC), die Ehrenurkunde für langjährige Verdienste und Leistungen um den Tiroler Seniorenring, die „Andreas-Hofer-Medaille“ für seine 50jährige Mitgliedschaft in der Schützenkompanie Kitzbühel und viele weitere Auszeichnungen.

Eines seiner vielen Hobbies war das Schreiben und Texten. Er war u. a. auch Mitglied im Verband der Österreichischen Textautoren. Er war sicher kein bekannter Texter, reichte aber über Jahre jedes Jahr eines seiner Gedichte für die Verbands-Wettbewerbe ein. Zu seiner großen Freude, wurde jedes seiner eingereichten Werke vom Verband auch veröffentlicht. Unter anderem seine Gedichte mit den Titeln „Im Haus neben der Katharinenkirche“, „In Vater`s Werkstatt“ und so weiter und so fort. Sein wohl bekanntestes Werk „Fahneneid, Flucht und Stacheldraht“ mit dem Untertitel „Vom Endkampf im Westen in britische Gefangenschaft - Die trotzige Odyssee eines Fallschirmjäger-Offiziers“ wurde im Jahre 2009 vom „Druffel & Vowinckel–Verlag“ veröffentlicht und im Kitzbüheler Schützenheim präsentiert. Verlegt wird das Buch unter „ISBN 978-3-80611-206-1“ und kann in jedem guten Buchhandel und über das Internet gekaut werden.

In seinem Buch verfolgt der Leser atemlos die Odyssee des ehemaligen Kitzbüheler Fallschirmjäger-Offiziers, ausgezeichnet mit dem Deutschen Kreuz in Gold, von seinen letzten Einsätzen im September 1944, in denen seine Einheit versprengt und aufgerieben wurde, über das verzweifelte Bemühen in gewagten Nachtmärschen die deutschen Linien wieder zu erreichen, bis zu seiner Gefangennahme. Hautnah erlebt er zunächst eine Auseinandersetzung mit britischen Offizieren, die ihn kurzerhand erschießen wollten. Seine Zivilcourage verschaffte ihm jedoch in letzter Minute Respekt und rettete ihm das Leben. Nach der Überstellung auf die britische Insel beginnen Jahre der Kriegsgefangenschaft in verschiedenen Lagern. In der Hoffnung Deutschland könne den Krieg doch noch gewinnen, unternimmt er mit gleichgesinnten Offizieren mehrere Aufsehen erregende aber vergebliche Ausbruchsversuche. Seine Schilderungen über Behandlung und Verhältnisse in britischen Kriegsgefangenenlagern, die Haltung der Offiziere und das Ende des 2. Weltkrieges und die Zeit danach sind von besonderer Ausdruckskraft. Sein Buch erinnert an eine Generation, die nicht nur Abenteuer, die kühnen und mitreißenden Augenblicke, aber auch die Schrecken und Bitternisse des Zweiten Weltkrieges in disziplinierter und doch selbstbewusster Männlichkeit überstanden hat.

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