Hospizbegleiter: "Wir schenken Zeit"

"Es gibt auch nach einer Diagnose eine schöne Zeit. Das ist nicht nur ein Warten auf den Tod", so die ehrenamtliche Hospizbegleiterin Susan Ekl.
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  • "Es gibt auch nach einer Diagnose eine schöne Zeit. Das ist nicht nur ein Warten auf den Tod", so die ehrenamtliche Hospizbegleiterin Susan Ekl.
  • hochgeladen von Melanie Haberl

KUFSTEIN (mel). Seit vier Jahren ist Susan Ekl ehrenamtliche Hospizbegleiterin. Im Interview spricht die Kufsteinerin darüber, was es bedeutet, Menschen und ihre Angehörigen auf ihrem Weg zum Tod zu begleiten und was man dabei für das eigene Leben mitnimmt.

Was hat dich dazu bewegt, ehrenamtliche Hospizbegleiterin zu werden?
Ich komme ursprünglich aus England, dort ist der Hospizgedanke schon viel weiter. Ich wollte auch hier in Kufstein diese Idee weitertragen und habe im Jahr 2012 die Ausbildung gemacht.

Wie läuft die Ausbildung im Tiroler Hospizverein ab?
Sie besteht aus je 95 Stunden Praxis und Theorie. Wir tauschen uns auch regelmäßig in unserer Gruppe aus.

Was ist das Ziel deiner Arbeit?
Ich will den Menschen zur Seite stehen und ihnen zeigen, dass Befunde nicht das Ende des Lebens bedeuten. Es gibt auch nach der Diagnose noch eine schöne Zeit, das ist nicht nur ein Warten auf den Tod, sondern man kann noch gut leben.

Wie reagiert dein Umfeld auf deine ehrenamtliche Tätigkeit?
Oft werde ich gefragt, ob mir die Arbeit als Hospizbegleiterin nicht zu traurig und belastend ist. Natürlich gibt es viele bewegende Momente, aber man nimmt sehr viel für‘s eigene Leben mit.

Was hat dich bei dieser Aufgabe am meisten geprägt?
Es ist schön zu sehen, wenn jemand in Frieden gehen kann und man bekommt mehr Akzeptanz, dass auch im eigenen Leben einmal dieser Tag kommen wird.

Tod ist immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft – inwiefern hat sich die Sterbekultur in den letzten Jahren geändert und wie gehen die Menschen in der Region damit um?

Die Leute tun leider immer noch so, als ob es nicht passiert. Es hat sich in den letzten Jahren aber viel getan. Zum Beispiel gibt es jetzt in den Krankenhäusern eigene Abschiedszimmer, früher ist man bestenfalls zum Sterben weggeschoben worden.

Von Angst über Wut bis hin zu Trauer und Verzweiflung erleben Hospizbegleiter die gesamte Bandbreite an Emotionen. Mit welchen Gefühlen ist es am schwierigsten umzugehen?

Die größte Herausforderung ist das „Nicht-wahrhaben-wollen“. In vielen Familien ist es so: Jeder weiß es und keiner sagt es. Den bevorstehenden Tod beim Namen nennen und es aussprechen bringt so viel. Natürlich braucht man Zeit, um eine solche Nachricht zu verdauen und sich damit auseinanderzusetzen. Aber Ehrlichkeit und Klarheit ist die Basis, mit der wir arbeiten können.
Wo betreut ihr die Menschen?
Sowohl zu Hause als auch im Krankenhaus oder im Altersheim. Manchmal unternimmt man auch gemeinsame Ausflüge. Am liebsten begleite ich sie zu Hause in ihrem vertrauten Umfeld.

Wie schwer fällt dir selber das Abschied nehmen von den Menschen, die du begleitest?
Ein gesunder Abstand ist wichtig, um professionell zu bleiben. Man muss einen kühlen Kopf bewahren, damit man den Angehörigen in dieser Ausnahmesituation gut zu Seite stehen kann. Ich könnte aber niemals meine eigenen Angehörigen begleiten. Wenn man persönlich betroffen ist, bekommt das Ganze eine andere Dynamik.

Wer oder was hilft euch, wenn ihr selber traurig seid?

Wir bekommen Supervision und Unterstützung vom Hospizteam.

Woraus schöpfst du die Kraft für dieses Ehrenamt?
In der Natur, speziell in den Bergen, und auch bei meiner Familie kann ich Energie tanken.

Welche Wünsche haben sterbende Menschen?
Das ist ganz indiviuell. Eine Frau hatte zum Beispiel einfach nur den Wunsch, eine Krankengymnastik zu besuchen. Andere wünschen sich Ausflüge oder Aussöhnungen mit der Familie. Oder einfach nur jemanden zum Reden. Was auch immer den Menschen am Herzen liegt, wir machen alles, was möglich ist.

Kann man den Sterbenden ihre Angst nehmen?
Der Mensch muss sich selbst die Angst nehmen, wir stehen ihm zur Seite und unterstützen ihn dabei.

Habt ihr auch schon Kinder bis zum Tod begleitet?
Kinder nicht, aber junge Erwachsene. Klar ist es eine Herausforderung, aber das Alter ändert nichts an der Tatsache, dass diese Menschen sterben werden.
Wie würdest du dir deinen eigenen Abschied wünschen?
Ich möchte friedlich im Kreise meiner Liebsten sterben.

Deine Meinung zum Thema Sterbehilfe?
Wir sind dazu da, um den Lebensweg zu Ende zu gehen, nicht, um ihn abzubrechen.

Wann werdet ihr im Schnitt kontaktiert? Gibt es dafür einen richtigen Zeitpunkt?
Meistens melden sich die Menschen zu spät, nämlich dann, wenn sie selbst völlig überfordert sind. Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht, aber je früher, desto besser. Ideal wäre ab dem Zeitpunkt der Diagnose „unheilbar krank“. Je besser man den Menschen kennt, und je mehr Zeit man hat, umso enger kann man die Vertrauensbasis ausbauen.

Was würdest du dir für die Hospizgemeinschaft und Sterbebegleitung wünschen?
Die Verstärkung des mobilen Palliativteams in den Regionen. Auch wünsche ich mir, dass die Gesellschaft das Wort „Hospiz“ nicht immer nur mit dem unmittelbaren Sterben verbindet. Die Tiroler Hospizgemeinschaft bietet auch Hilfe nur für Angehörige, Trauergruppen oder drei kostenlose Stunden bei einem Psychologen an. Mich wundert es, dass diese Angebote nicht besser angenommen werden. Die Hemmschwelle ist wahrscheinlich oft zu groß.

Was muss man mitbringen, um Hospizbegleiter zu werden?
Empathie, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Wenn du bei einem Menschen bist, musst du dich komplett darauf einlassen und mit ganzem Herzen dabei sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Tiroler Hospizgemeinschaft

Weitere Informationen rund um die Tiroler Hospizgemeinschaft und die Ausbildung zum ehrenamtlichen Hospizbegleiter gibt es unter www.hospiz-tirol.at sowie bei Lisa Schmauser, Regionalbeauftragte für den Bezirk Kufstein, unter 0676-8818890 oder elisabeth.schmauser@hospiz-tirol.at

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