Psychosoziale Krisen
"Hilfe anzunehmen, ist ein Zeichen der Stärke"
Hilfsangebot für Psychologische Krisen wird im Tiroler Unterland noch nicht richtig angenommen. Neben fehlender Bekanntheit kann auch eine gewisse Angst vor Stigmatisierung zu einer erhöhten Hemmschwelle beitragen.
BEZIRKE KUFSTEIN, KITZBÜHEL, SCHWAZ. Die Suchthilfe Tirol (SHT) bietet gemeinsam mit dem Psychosozialen Pflegedienst (PSP) im Auftrag des Landes und der Österreichischen Gesundheitskasse seit Oktober 2020 eine telefonische Anlaufstelle für Menschen an, die unter psychologischen Belastungen leiden bzw. sich in einer akuten Krise befinden. Der sogenannte Psychosoziale Krisendienst (PKT) zielt darauf ab, eine Beruhigung der Situation herbeizuführen. Durch ein offenes Gespräch mit Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten kann rasch, unkompliziert und kostenlos geholfen werden. Auch Weitervermittlungen sind möglich. Am Wochenende kann der PKT auch häusliche Besuche abstatten, um für Entlastung zu sorgen.
Unterland nützt Angebot zu wenig
Leider wird das Angebot im Tiroler Unterland noch zu wenig angenommen. Sind es beispielsweise im Ballungsraum von Innsbruck noch 73 Kontakte pro 10.000 Einwohner, so sind es im Bezirk Schwaz und Kitzbühel nur rund 25 Anrufe und im Bezirk Kufstein nur noch 19 Anrufe pro 10.000 Einwohner. Daher müsse man das Angebot noch bekannter machen - so der gemeinsame Apell von PKT-Leiter Josef Sparber, Soziallandesrätin Gabriele Fischer, Leo Alber (stellvertretender Geschäftsführer PSP) und Psychotherapeutin Petra Praxmarer.
"Keine Krise ist zu groß oder zu klein – jeder kann in solch einer Situation anrufen. Wir wollen den Menschen frühzeitig helfen",
so LR Fischer.
Männer lassen weniger Hilfe zu
Die Pandemie habe zu einem Anstieg von psychischen Krisen geführt, erklärt Sparber. Im Jahresverlauf sei die Zahl der tirolweiten Anrufe kontinuierlich gestiegen. Insgesamt haben im Jahr 2021 rund 3.400 Menschen die Nummer des PKT gewählt. Bei rund 230 Anrufen ging es um Suizidalität, sprich Selbstmordgedanken. Zudem sind die Betroffenen meist zwischen 31 und 40 Jahren alt.
"Männer tun sich schwerer, Hilfe anzunehmen",
ergänzt Alber. Auch die Zahlen belegen dies, denn rund zwei Drittel der Anrufer waren weiblich. Generell scheuen sich aber viele Menschen vor einem Anruf, da sie Angst vor einer Stigmatisierung haben. Da habe die Gesellschaft durchaus noch Aufholbedarf, allerdings sind es oftmals auch die Betroffenen selbst, die sich selbst stark herabsetzen. Man sei allerdings mit einem neutralen Fahrzeug und Straßenkleidung unterwegs, um auch diesen Sorgen entgegenzuwirken. "Hilfe anzunehmen, sei ein Zeichen der Stärke", betont auch LR Fischer.
Keine homogene Gruppe
Als Hauptauslöser gelten laut Psychotherapeutin Praxmarer oft psychische Probleme,Konflikte im sozialen Nahbereich oder die soziale Isolation. In all diesen Fällen könne ein offenes Gespräch helfen – dieses ist vielen Betroffenen allerdings innerhalb der Familie nicht möglich. Bei den Anrufern handle es sich zudem keinesfalls um eine homogene Gruppe. Trennungen, Einsamkeit, Überlastung, familiäre Streitigkeiten – all diese Punkte können psychisch sehr belastend sein.
Hilfe vor Ort
Am Wochenende bietet der PKT auch Gespräche und Hilfe direkt vor Ort an. Dadurch können akute Notsituationen entschärft und weitere Schritte besprochen werden. "Wir koordinieren uns dabei je nach Anlass und Situation mit den Rettungsdiensten, mit den Ärzten oder mit den Sicherheitsorganen", so Alber zum Ablauf.
Die wichtigsten Infos auf einen Blick
Einfach unter 0800 400 120 anrufen. Der Psychosoziale Krisendienst ist Montag bis Donnerstag von 8 bis 20 Uhr und am Wochenende von Freitag, 8 Uhr , bis Montag, 8 Uhr, zu jeder Zeit erreichbar.
Mehr Infos zum Psychosozialen Pflegedienst Tirol findest du hier.
Aktuelle Nachrichten aus dem Bezirk Kufstein gibt‘s hier.
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