45-Millionen-Projekt: Verfahren zog sich über acht Jahre hin
Kappl/St. Anton: BVwG kippt Genehmigung für Skiverbindung

Große Enttäuschung: Bei den Bergbahnen Kappl sieht man den Zusammenschluss mit dem Rendl als wirtschaftliche Notwendigkeit.
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ST. ANTON/KAPPL/WIEN (otko). Seit Dienstag wurde in Wien vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Wien vier Tage zur geplanten Skigebietsverbindung Kappl-St.Anton verhandelt.

Schwerwiegende naturschutzrechtliche Eingriffe

Am letzten Verhandlungstag wurde nun die mündliche Entscheidung im Genehmigungsverfahren verkündet. Überraschend wurde der positive Bescheid Umweltverträglichkeitsprüfung der Tiroler Behörden vom Gericht gekippt. Die vorsitzende Verwaltungsrichterin begründete die Ablehnung des Vorhabens wegen schwerwiegender naturschutzrechtlicher Eingriffe. Die Interessen des Naturschutzes würden die touristischen Interessen überwiegen.

Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen

Für die Arlberger Bergbahnen AG ist gefällte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur geplanten Skigebietsverbindung Kappl-St.Anton ist –  wenn auch betrüblich – zur Kenntnis zu nehmen, heißt es in einer ersten Stellungnahme. „Wir sind nach wie vor davon überzeugt ein verträgliches und nachhaltig das sinnvollste Projekt eingereicht zu haben. Sonst hätten wir in erster Instanz des UVP-Verfahrens nicht recht bekommen. Dass nun die zweite Instanz diese Entscheidung kippt, ist für uns und besonders für unsere Partner in Kappl betrüblich, aber zur Kenntnis zu nehmen“, stellen die Vorstände der Arlberger Bergbahnen Mario Stedile-Foradori und Walther Thöny fest.
Besonders im Lichte der Ursprungsidee des Tiroler Seilbahnprogramms, das die Verbindung von Kappl mit St. Anton als begrüßenswertes Idealprojekt bezeichnet hatte, ist die nunmehrige Entscheidung bedauerlich. Dabei halten die Vorstände der ABBAG fest: „Dass wir unserem Unternehmen, unseren Mitarbeitern und unseren Destinatiosnpartner gegenüber verantwortlich sind und für uns der Blick nach vorne zählt.“ Offen ist noch, ob man in eine außerordentliche Revision geht.

"Schwarzer Tag für Kappl"

Enttäuscht zeigte man sich auch bei der Bergbahnen Kappl AG. "Die schützenswerte Natur wurde höher bewertet als das öffentliche Interesse. Für die Bergbahnen Kappl, die Wirtschaft und den Tourismus in unserem Ort ist damit eine Jahrhundertchance verloren gegangen", so Geschäftsführer Andreas Kleinheinz. Vorerst müsse man den Schock verdauen. "Ob wir in eine außerordentliche Revision gehen, müssen wir erst mit den Arlberger Bergbahnen und unserem Rechtsvertreter abklären", so Kleinheinz.
Zerknirscht zeigen sich auch die Bürgermeister von Kappl und St. Anton am Arlberg. "Mit solch einer schnellen Entscheidung und diesem Ergebnis haben wir nicht gerechnet. Für Kappl und die Tourismuswirtschaft ist es ein schwarzer Tag. Wir müssen die Entscheidung erst verdauen", so der Kappler Dorfchef Helmut Ladner. Nach dem schriftlichen Ergang des Urteils werde man beraten, was man noch weiter machen könne.
Für seinen St. Antoner Amtskollegen Helmut Mall ist es "traurig, dass der Bescheid des Landes gekippt wurde. "Schade für St. Anton am Arlberg – es tut mir für Kappl leid. Eine Skischaukel vom Arlberg ins Paznaun wäre toll gewesen. Durch diese weitere Positionierung hätte man mehr bieten können." Die Entscheidung des Höchstgerichts sei nun mal so aufgefallen. Wenig erfreulich ist für den Dorfchef auch die lange Verfahrensdauer von über acht Jahren.

Hörl: "Tauriger Tiefpunkt"

„Das heute ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, wie Gutachter ein sinnvolles, schonendes und nachhaltiges Projekt mittels löchrigen und fehlerhaften Gutachten zu Fall bringen können“, kommentiert Nationalrat Franz Hörl die heute mündlich verkündete Entscheidung des Berufungsgerichts in Wien. Für Hörl ist die Entscheidung selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen aber für die Zukunft regt der Landesobmann des Tiroler Wirtschaftsbundes deutlich höhere Qualitätskriterien für Gutachter in so sensiblen Projekten an.
„Hier wurde die Zukunft vieler tausend Menschen im vorderen Paznauntal über die Klippe geworfen, weil eine Landschaftsgärtnerin sich angemaßt hat über touristische Perspektiven ein Urteil abzugeben“, kritisiert Hörl das Gutachten einer Wiener Professorin massiv. Für Hörl muss sich auch die finanzielle Belastung derart umfangreicher UVP-Verfahren betreffend etwas ändern: „Die Arlberger Bergbahnen haben über 2 Millionen Euro in dieses Verfahren investiert. Das ist kein Sieg für die NGOs und für einen verantwortungslos agierenden Landesumweltanwalt, sondern ein trauriger Tag für die Menschen in Kappl.“ Für die Zukunft fordert Hörl eine Zertifizierung von Sachverständigen. „Es sollten nur fachkundige Experten Gutachten erstellen dürfen! Was akademische Hobby-Gutachten anrichten können, müssen jetzt die Kappler ausbaden“, so Hörl.

45-Millionen-Projekt

Eingereicht wurde das umstrittene Projekt zur Umweltverträglichkeitsprüfung bereits am 19. Juli 2010. Geplant ist, dass die beiden Skigebiete "Rendl" (St. Anton am Arlberg) und "Dias Alpe" (Kappl) mit zwei neuen Bahnanlagen und drei neuen Pistenanlagen zusammengeschlossen werden. Daneben sind auch Maßnahmen zur Sicherung von Lawinen, die Erweiterung der Beschneiungsanlage "Rendl", der Neubau eines Gerinnes und der Bau von zwei Zufahrten nötig. Unter anderem müssen Ausgleichsmaßnahmen an der Rosanna und Trisanna durchgeführt werden. Insgesamt sollen 45 Mio. Euro investiert werden. Am 19. November 2015 hatte das Land Tirol per Bescheid nach nach eingehender Prüfung im Umweltverträglichkeitsverfahren grünes Licht gegeben. 

Umstrittene Skiverbindung

Die Tiroler Umweltanwaltschaft und der Österreichische Alpenverein (ÖAV) machten von Anfang an gegen den geplanten skitechnischen Zusammenschluss mobil. Allen voran wird die Inanspruchnahme des bisher "fast unberührten und schützenswerten hinteren Malfontal" (Gemeinde Pettneu am Arlbrg) massiv kritisiert. Vor dem Bundesverwaltungsgericht legten sie Beschwerde gegen den positiven Bescheid der Tiroler Landesregierung ein.
"Wir sind natürlich sehr glücklich darüber, dass das Malfontal und der Rossfall so natürlich schön bleiben dürfen, wie sie es sind. Es war auch eine mutige Entscheidung des Gerichts, das öffentliche Interesse am besonderen Schutzbedürfnis von unberührten Naturlandschaften so klar zu betonen. Für uns ist das ein Zeichen, nachdem wir uns in Zeiten, in denen Natur- und Umweltschutz als lästiges Hindernis auf dem Weg zur Standortentwicklungsmeisterschaft überrollt wird, besonders gesehnt haben. Damit ist klar, dass es auch in Tirol noch Täler der Seele geben darf", so Liliana Dagostin, Leiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz beim ÖAV.

Deutliches Signal

Walter Tschon, stv. Umweltanwalt, sieht ein deutliches Signal: "Es wurde bereits im Rahmen von Besprechungen im Jahr 2008 und 2010 den Verantwortlichen mitgeteilt, dass es sich beim Malfontal um einen ökologisch sensiblen und schützenswerten Raum handelt und der Landesumweltanwalt diese Projektidee in dieser Form ablehnt. Auch wurde auf 'weniger natur- und umwelteingreifende Projektalternativen' hingewiesen. Es ist und war selbstverständlich legitim, dass die Bergbahnen sich dennoch für die Weiterverfolgung und Einleitung dieses Verfahrens entschieden haben. Aber gerade dieses Service der Landesumweltanwaltschaft sollte 'ernster' genommen werden. Wir haben pro Jahr ca. 1.200 natur- bzw. umweltschutzrelevante Verfahren als Partei zu begleiten und bei max. fünf Projektideen geben wir klar die Devise aus, dass wir sämtliche uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen werden."

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