Offener Brief von Wildon-Bürgermeister Helmut Walch
Nach der Aufregung um die Flüchtlinge in Wildon, meldet sich Bgm. Helmut Walch in einem offenen Brief zu Wort. Mittlerweile sind die Flüchtlinge aus Wildon wieder abgereist.
Liebe Bevölkerung!
Tief betroffen musste ich am Montag, 23.03.2020, zur Kenntnis nehmen wie 15 Menschen aus zwei Kleinbussen stiegen und in einer Unterkunft am Hauptplatz, mitten im Markt, einquartiert wurden.
Für mich ist unverständlich, dass man in Zeiten wie diesen Menschen quer durch Österreich nach Wildon karrt ohne den nötigen Abstand zu einzuhalten, der durch die COVID-19 Epidemie geboten ist.
Um die Verbreitung des Virus zu hemmen, wurde die Bevölkerung aufgerufen, die Wohnung nicht zu verlassen und jegliche soziale Kontakte – außer in der Familie - zu vermeiden.
Ein mehr oder weniger „zufällig“ aufgenommenes Video, das sich viral über die sozialen Medien verbreitete, führte dazu, dass ich mit dutzenden Telefonaten und Beschwerden konfrontiert war. Ich informierte die Medien über diesen Missstand und die berechtigten Bedenken aus der Bevölkerung.
Weiters habe ich mit dem zuständigen Amt der Steiermärkischen Landesregierung Kontakt aufgenommen, um die Beschwerden und Bedenken aus der Bevölkerung zu übermitteln und den nötigen Druck zu erzeugen, dass eine rasche Lösung gefunden wird.
Ich möchte mich bei den Printmedien Die WOCHE Lebnitz und Kleinen Zeitung bedanken, die mich im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt haben. Aber auch dem ORF Steiermark bin ich für die seriöse Berichterstattung Online und in Steiermark Heute vom Dienstag, 24.03.2020, dankbar.
Die Angelegenheit konnte noch am Dienstag, 24.03.2020, vormittags gelöst werden. Die Asylwerber wurden in Unterkünften anderswo in Österreich untergebracht. Ich finde es traurig, wie mit dem menschlichen Elend von Asylwerbern in dieser aufgeheizten Stimmung in Österreich umgegangen wird und politisches Kleingeld gewechselt wird.
Bedanken möchte ich mich ganz besonders bei Herrn Hofrat Mag. Josef Hirschmann, der in Absprache mit mir eine Anzeige seitens der Gemeinde bei der Polizei erstattet hat. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen für diese Aktion aufgrund der Anzeigen bei der Polizei zur Rechenschaft gezogen werden.
Sehr betroffen haben mich die Telefonate mit unzähligen aufgebrachten Menschen gemacht, die mir persönlich die Schuld an der Anlieferung von Asylwerbern nach Wildon gegeben haben.
Bei den Telefonaten musste ich übelste Beschimpfungen und sogar Drohungen über mich ergehen lassen. Die Grenzen des Anstandes wurden überschritten.
Ich verstehe, dass man in so einer aufgeheizten Stimmung seinen Ängsten Luft machen muss und ich bin als Bürgermeister leicht telefonisch erreichbar, weil ich mich mit größter Hingabe und gern um die Anliegen der Menschen kümmere.
Aber ich bin als Bürgermeister nicht nur gewählte Amtsperson sondern auch ein Mensch, der genauso wie jeder andere menschlich und mit dem gebotenen Anstand behandelt werden möchte.
Ich möchte betonen, dass ich über die Anlieferung von Asylwerbern vorab keine Kenntnis hatte. Das kann auch der Vermieter der Unterkunft bestätigen.
Es ist auch nicht üblich, dass die Gemeinde vorab verständigt wird, wenn ein neues Mietverhältnis entsteht. Erst wenn die Personen zum Meldeamt kommen, um den Wohnsitz anzumelden, erlangt die Gemeinde Kenntnis davon.
Ich verstehe die Aufregung, muss aber auch um Beherrschung in so einer Situation bitten. Ich verzeihe allen, die mich persönlich beschimpft haben.
Glück auf und bleibt gesund!
Euer Wildoner Bürgermeister,
Helmut Walch
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