Drei „neue“ Geschwister nach mehr als 70 Jahren
Auf der Suche nach seinem Vater fand der Leobener Hans Obermaier drei Halbgeschwister in Deutschland. Zwei Schwestern kamen nun, um den 72. Geburtstag ihres Bruders zu feiern.
LEOBEN, LEHRTE. Seit vielen Jahren schlummerte der Wunsch in Hans Obermaier, mehr über seinen Vater, einen deutschen Besatzungssoldaten im Zweiten Weltkrieg, zu erfahren. Die Gelegenheit, ihn kennenzulernen, hatte er nie. „Ich fühlte mich immer irgendwie wurzellos, ich wollte wenigstens ein Foto meines Vaters finden“, erzählt der 72-Jährige, der als jahrelanger Tennisplatzwart ein "Urgestein" des Eisenbahn-Sportvereines Leoben ist.
Bereits vor mehr als 40 Jahren begann er mit der Suche nach seinen familiären Wurzeln, brach sie aber wieder ab, weil er fürchtete, in einer möglichen neuen Familie des Vaters Unfrieden zu stiften. „Ich hatte in all den Jahren nur einen einzigen Zettel mit seinem Namen, und zwar den Gerichtszettel von Hildesheim, auf dem er seine Vaterschaft anerkennt. Vergangenes Jahr machte ich mich aber schließlich konkret auf die Suche nach einer Spur. Diese gestaltete sich anfangs sehr schwierig, weil mein Vater nicht auf meiner Geburtsurkunde aufschien und er deshalb nicht offiziell als mein Vater galt“, erzählt der ÖBB-Pensionist.
In englischer Gefangenschaft
Er sei von Mitarbeitern des Meldeamtes der Stadtgemeinde Leoben großartig unterstützt worden, wie auch von Freunden und Familie. „Wir haben in Archiven, unter anderem im Landesarchiv Graz, nach Daten meines Vaters gesucht und schließlich den Tipp bekommen, bei der WASt, der ehemaligen Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene, zu suchen. Hier bekommt man den militärischen Lebenslauf des Soldaten und weitere Informationen. So haben wir erfahren, dass mein Vater damals in Leoben-Judendorf in englischer Gefangenschaft war“, erzählt Obermaier. Mit diesen Informationen ausgestattet, konnte man Hans Obermaier schließlich eine neue Geburtsurkunde ausstellen. „Ich habe mit 71 Jahren eine neue Geburtsurkunde bekommen, erstmals mit dem Namen meines Vaters!“
Fünf Halbgeschwister
Da man nun wusste, dass sein Vater aus der Stadt Lehrte in der Nähe von Hannover kam, wurden bei der dortigen Gemeinde Anfragen zum Verbleib des Vaters gestellt. „Nach drei Wochen kam die Nachricht, dass mein Vater bereits im Jahr 1990 verstorben sei. Ich erfuhr aber auch, dass mein Vater noch weitere fünf Kinder hatte – meine Halbgeschwister“, sagt der Leobener gerührt. Drei davon sind noch am Leben. Nachdem er nach Erhalt der Adressen Briefkontakt mit seinen beiden Halbschwestern in Lehrte und dem Halbbruder in Hannover aufgenommen hatte, kam es am 15. April zu einem ersten kurzen Treffen der Familie in Deutschland. „Die Begrüßungsworte meines Bruders Manfred waren ‚Du bist ja ein Dürrling!‘ – das werde ich nie vergessen“, berichtet Obermaier, der mütterlicherseits mit drei Geschwistern in Leoben aufwuchs.
Schönstes Geschenk
Seitdem sind die „neuen“ Geschwister in stetem Telefonkontakt und als schönstes Geschenk kamen die beiden Schwestern Hannelore (71) und Helga (66) nun zum ersten Mal nach Leoben, um mit Hans seinen 72. Geburtstag zu feiern und eine Woche miteinander zu verbringen.
Für sie ist es wunderschön, einander gefunden zu haben. „Obwohl es zuerst ein Schock war, als der Brief von Hans gekommen ist. Wir haben ja überhaupt nicht damit gerechnet, einen Bruder in Österreich zu haben“, betonen Hannelore und Helga.
Für Hans Obermaier ist nun ein Kapitel geschlossen, das so lange Zeit offen war. Durch Erzählungen hat er nun einen Eindruck, wer und wie sein Vater war. „Ich habe mit dem Kennenlernen meiner Geschwister väterlicherseits meine Wurzeln gefunden. Das ist eine enorme Freude und Zufriedenheit und ich bin sehr stolz“, sagt Hans Obermaier.
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