Auslandsleobener Herbert Klinger
"Leoben? Da bin ich ja geboren!"

Ruth und Klaus Kallauch, die 19 Jahre lang in Leoben gelebt haben, mit dem gebürtigen Leobener Herbert Klinger, 99, (Mitte) in Tel Aviv. Klinger musste mit 19 Jahren aus Österreich flüchten.  | Foto: Kallauch
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  • Ruth und Klaus Kallauch, die 19 Jahre lang in Leoben gelebt haben, mit dem gebürtigen Leobener Herbert Klinger, 99, (Mitte) in Tel Aviv. Klinger musste mit 19 Jahren aus Österreich flüchten.
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Ruth und Klaus Kallauch, ehemalige Wahl-Leobener, trafen den gebürtigen Leobener Herbert Klinger, 99, in Tel Aviv, wohin er mit 19 Jahren flüchten musste.
„Wir pflegen seit 58 Jahren eine Freundschaft mit einer israelischen Familie. Gideon Arasi studierte gemeinsam mit mir Gartenarchitektur in Deutschland. Seit 1970 sind wir deshalb immer wieder in Israel auf Urlaub, immer verbunden mit Besuchen bei Gideon und seiner Familie“, erklärt Klaus Kallauch, der mit seiner Frau Ruth und den vier Kindern von 1975 bis 1994 in Leoben arbeitete und lebte, die Hintergründe seiner Israelreisen.
Seit seiner Pensionierung wohnen er und seine Frau wieder in Deutschland, im Rheinland, dem Geburtsort seiner Frau.

Loeben oder Leoben?

In der Zeitschrift "Israelnetz" lasen sie einen Artikel über den gebürtigen Leobener Herbert Klinger, der nach dem „Anschluss“ als Jude mit 19 Jahren  innerhalb von sieben Tagen Österreich verlassen musste. „Ich nahm Kontakt mit der Israelkorrespondentin Mirjam Holmer in Jerusalem auf. Ich wollte wissen, ob es sich im Bericht um Herbert Klinger um einen Schreibfehler handelte, denn hier stand Loeben. Die Sache klärte sich, es war ein Buchstabendreher, und wir wussten, dass Herbert Klinger aus Leoben stammte“, erzählt der 84-Jährige weiter. Die Korrespondentin bot an, beim nächsten Israelbesuch ein Treffen mit Herbert Klinger zu arrangieren. Worauf die Kallauchs nur allzugerne zurückkamen.

"Da bin ich ja geboren!"

Im Café Landwer, am Rabin Platz in Tel Aviv, trafen Ruth und Klaus Kallauch kürzlich auf den 99-jährigen Herbert Klinger. „Als er hörte, dass wir 19 Jahre lang in Leoben als Familie gelebt und gearbeitet haben, rief er überrascht in österreichischem Dialekt: ‚Was, in Leoben? Da bin ich ja geboren!‘“ , berichtet Kallauch, der 2017 zum 40-jährigen Bestehen der Freikirche „Christus im Zentrum“, die er und seine Frau in Leoben aufgebaut hatten, zum letzten Mal in der Montanstadt war. Von diesem Besuch zeigten sie Klinger Fotos von markanten Gebäuden und Plätzen in Leoben. „Er betrachtete eines nach dem anderen sehr aufmerksam. Plötzlich erkannte er erfreut seine Schule in der Erzherzog Johann-Straße wieder, erzählte uns, dass er in der Peter Tunner-Straße gewohnt habe. Und er erzählte, dass Leopold Posch sein Freund war. Ich sagte ihm, dass Posch zu unserer Zeit Bürgermeister von Leoben war“, so Kallauch.

Letzte Karte der Eltern

„Aus dem Zeitzeugenbericht wussten wir, dass Herr Klinger mit 19 Jahren Österreich verlassen musste. Von Wien aus wurden illegale Überführungen nach Palästina organisiert. Seine Hoffnung war, dass auch seine Eltern auf diese Weise nachkommen würden. Einige Male bekam er noch Post von ihnen. Zuletzt eine Karte aus Polen vom Roten Kreuz, abgestempelt in der Nähe von Auschwitz. Er hörte nie wieder etwas von ihnen“, berichtet Klaus Kallauch. Herbert Klinger arbeitete ganz zu Beginn als Kellner in einem Café in Tel Aviv. Mit seiner Frau, die schon verstorben sei, habe er zwei verheiratete Söhne. Noch immer lebe er in seiner eigenen Wohnung, mit Betreuerin.

Umarmung zum Abschied

„Die Begegnung mit Herbert Klinger war ein ganz besonderes Erlebnis, ein Höhepunkt unserer Israelreise. Wir waren anfangs neugierig, wen wir da treffen würden – einen gebürtigen Leobener, dessen ehemalige Heimatstadt und die Art der Menschen wir doch von 1975 bis 1994 erlebt und geteilt hatten. Was uns auffiel, war seine Freundlichkeit und Zufriedenheit. Da schien es keine Verbitterung oder Anklage im Hinblick auf die schlimmen Erfahrungen in seiner Jugend, Verlust der Heimat usw. zu geben. Das hat uns erstaunt und zugleich froh gemacht. Bei der Verabschiedung konnten wir nicht anders, als ihn zu umarmen“, sagen Ruth und Klaus Kallauch.

Verein "Wien - Tel Aviv"

In stetem Kontakt zu Herbert Klinger steht Judith Weinmann-Stern, Obfrau des Vereines "Wien - Tel Aviv". Sie kennt seine Lebensgeschichte und weiß, dass er beruflich in Tel Aviv als Caterer für die amerikanische, englische und französische Botschaft tätig war.
"Herbert Klinger musste nach Wien, weil er in Leoben verhaftet worden wäre, er arbeitete in Wien beim Anwalt Dr. Perl, der für die Einteilung der Schiffe verantwortlich war. Als es auch in Wien für Herbert zu gefährlich wurde, setzte er ihn im Dezember 1939 auf ein Schiff, seine Eltern waren für das nächste Schiff eingeteilt. Da war es aber schon zu spät.
Herbert sagt einen Satz stereotyp immer wieder: 'Ich hätte meine Eltern nie verlassen.' Mit dem schlechten Gewissen lebt er seit damals, so wie alle anderen, die damals geflüchtet sind und ihre Eltern und jüngeren Geschwister nie wiedergesehen haben", erzählt Weinmann-Stern.

Gentleman der ersten Klasse

Ein einziges Mal war Herbert Klinger zu Besuch in Leoben, und zwar mit seiner Frau, seinem Cousin und dessen Frau. Das war im Sommer 1982, empfangen durch Bürgermeister Leopold Posch. Verwandte habe er in Leoben keine mehr.
"Jedesmal wenn ich Herbert besuche, singt er mir beim Abschied 'Sag zum Abschied leise Servus', er küsst mir die Hand und ist ein Gentleman der ersten Klasse, obwohl er bereits 80 Jahre in Israel lebt. Sein österreichisch/wienerischer Dialekt haut mich jedesmal um", sagt Judith Weinmann-Stern.

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