Soziale Initiative Supertramps
Die Leopoldstadt aus der Sicht obdachloser Menschen (mit Video)
Zwei Leopoldstädter Schwestern erzählen von ihrem Weg aus der Obdachlosigkeit. Bei sozialen Spaziergängen der Initiative "Supertramps" führen Sie an Schauplätze ihres schicksalhaften Lebens.
LEOPOLDSTADT. "Wir sind Schwestern durch und durch, da geht nichts drüber", sind sich Sandra (51) und Renate (53) einig. Doch das war nicht immer so. Die Leopoldstädter Schwestern blicken auf ein bewegtes Leben zurück.
Pflegeheim, Misshandlungen, Krankheiten, Arbeits- und Obdachlosigkeit: Ihre Schicksalsschläge meisterten die beiden meist alleine. "Ich habe mich nicht getraut, zu sagen, dass ich wieder keine Wohnung habe", erzählt Sandra. Bergauf ging es, als sie sich ihrer Schwester und ihren Töchtern anvertraute.
Erst mit den Jahren lernten Sandra und Renate, dass sie über alles miteinander reden können und es keine Schwäche ist, nach Unterstützung zu fragen. "Mut bedeutet für mich, um Hilfe zu bitten und diese auch anzunehmen", sagt Renate.
Hilfe zulassen
2016 begann sich das Leben der Schwestern zu ändern. "Als ich in einer Übergangswohnung lebte, erzählte mir meine Betreuerin von ,Supertramps‘ und ich war begeistert", so Renate. Mittlerweile ist sie fixer Bestandteil der Sozialinitiative, welche Stadtführungen mit ehemals obdachlosen Menschen anbietet.
"Durch ,Supertramps‘ begann sich Renate zu verändern. Plötzlich hatte sie mehr Selbstwertgefühl, das machte mich skeptisch", erinnert sich Sandra. Aus Angst, ihre Schwester werde ausgenutzt und zur Schau gestellt, wollte sie sich das Ganze ansehen. "Ich war begeistert und begann auch mitzumachen."
Bei den Spaziergängen zeigen die Schwestern "ihre Leopoldstadt". Schauplatz ist etwa die Venediger Au, wo Sandra mit neun Jahren lebte, nachdem sie vor ihrem gewalttätigen Vater davonlief. "Ich glaubte, ich kann allein erwachsen werden." Einen Monat lang schlief sie heimlich auf Dachböden und stahl Essen. Renate hingegen führt die Teilnehmer durch den Prater, wo sie als junge Frau schlief und schwarz arbeitete, wovon niemand etwas wusste.
Hinschauen, nicht wegschauen
",Supertramps‘ hat uns viele Türen geöffnet", sind sich die beiden einig. 2019 machte Renate eine Ausbildung im Neunerhaus für ehemals obdachlose Menschen und ist nun Betreuerin im Winterquartier. "Ich bin sehr stolz darauf, was ich erreicht habe."
Mittlerweile haben beide Schwestern auch wieder eine eigene Wohnung. "2018 durfte ich bei einem Stück des Volkstheaters mitspielen. Nach der Aufführung kam eine Frau auf mich zu und bot mir eine Wohnung an," erzählt Sandra, die gar nicht glauben konnte, dass Menschen ohne Hintergedanken einfach etwas für andere tun. "Leider Urteilen viele Menschen vorschnell. Aber es gilt: hinschauen, nicht wegschauen!"
Sondertouren in der Leopoldstadt
Anlässlich des Frauentags bietet Supertramps zwei Sondertouren im 2. Bezirk an. Am Samstag, März, 15 Uhr, führt Sandra unter dem Motto "Wien – mein Zentrum für starke Frauen" durch die Leopoldstadt. Mit dabei ist auch die ehemalige Stadträtin, Sandra Frauenberger (Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen).
Die Tour "Von großen Töchtern & starken Frauen" mit Sandra und Renate ist am Sonntag, 8. März, ab 11 Uhr, mit beiden Schwestern. Teil nimmt Schirmherrin, Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne).
Die Teilnahme kostet 15 Euro pro Person. Zudem wird um eine freiwillige Spende gebeten. Mehr Spaziergänge sowie Anmeldung unter der Nummer 0660/773 43 22 oder hier auf der Homepage von Supertramps.
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