Sammellager Leopoldstadt
Ein dunkles Kapitel der Bezirksgeschichte
Neues Buch: "Letzte Orte" erinnert an die Sammellager in der Leopoldstadt, wo Juden vor der Deportation interniert waren.
LEOPOLDSTADT. Kleine Sperlgasse 2a, Castellezgasse 35, Malzgasse 7 und 16: Im kollektiven Gedächtnis sind diese Adressen kaum präsent. Doch haben sie für die Shoah eine zentrale Bedeutung. Während des Zweiten Weltkrieges befanden sich dort Sammellager, in denen jüdische Menschen interniert waren, ehe man sie in Konzentrationslager oder Ghettos deportierte.
Mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte befasst sich das neue Buch "Letzte Orte. Die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42". Dieter J. Hecht, Michaela Raggam-Blesch und Heidemarie Uhl beleuchten erstmals detailliert die als "Wiener System" berüchtigte Deportationsmaschinerie und die Rolle der Sammellager. Das Buch basiert auf historischen Quellen und Zeitzeugen-Interviews.
Es begann mitten in Wien
"Mit dem Buch möchten wir eine Lücke schließen", erzählt Hecht bei der Buchpräsentation im Bezirksmuseum. Was vielen Menschen nicht bewusst ist: Der Weg in die Vernichtung begann mitten in Wien. Der Großteil der mehr als 66.000 österreichischen Shoah-Opfer wurde von den Sammellagern im Bezirk in den Tod geschickt.
"Eine Flucht war unmöglich", so Hecht, "wer im Sammellager war, wurde auch deportiert." Nach ein paar Tagen brachte man die Internierten zum Aspangbahnhof. Von Februar 1941 bis Oktober 1942 fuhren dort insgesamt 45 Züge mit je rund 1.000 Menschen in Richtung Vernichtungslager und Ghettos ab. Die meisten Transporte gingen nach Maly Trostinez und Theresienstadt. "Es geschah unter den Augen der Wiener Bevölkerung“, erzählt Heidemarie Uhl.
Dabei betont Benjamin Nägele, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG): "Die Shoah ist keine Frage der Schuld, sondern eine Frage der Verantwortung." Nicht zuletzt deshalb sei es so wichtig, die Erinnerung zu bewahren. "Wissen bedeutet auch Verantwortung, nicht nur für das Gedächtnis, sondern auch für die Gegenwart", so Dieter J. Hecht.
Ausstellung im Amtshaus Leopoldstadt
Das Buch "Letzte Orte“ hat 264 Seiten und ist um 20 Euro im Buchhandel erhältlich. Wer mehr über das Thema wissen möchte, kann auch die gratis Ausstellung "Letzte Orte vor der Deportation" im Amtshaus (Karmelitergasse 9, 1. Stock), besuchen.
Die Ausstellung hat Montag, Dienstag, Mittwoch und Freitag, 7.30–15.30 Uhr, sowie Donnerstag, 7.30–17.30 Uhr, geöffnet. Am Donnerstag, 6. Februar, wird um 16.30 Uhr eine Führung mit den Buchautoren angeboten. Mehr Infos gibt es direkt hier nachzulesen.
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