Radprofi Carina Schrempf im Interview
"Frauen riskieren sicher nicht weniger"

Im 7er-Team ist Carina Schrempf für Fenix-Deceuninck derzeit beim Giro D'Italia di Donne im Einsatz und kämpft um weitere Top-Platzierungen. | Foto: Facepeeters
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  • Im 7er-Team ist Carina Schrempf für Fenix-Deceuninck derzeit beim Giro D'Italia di Donne im Einsatz und kämpft um weitere Top-Platzierungen.
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Zehn Jahre lang erlief sich die Ennstalerin Carina Schrempf Medaillenränge und Podestplätze auf der Mittelstrecke. Seit gut einem Jahr feiert sie auf dem Rad sportliche Erfolge, zuletzt bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften im Mostviertel, bei denen sie als Siegerin hervorging. Aktuell kämpft Schrempf beim Giro d'Italia Donne 2023, der gerade in der Toskana und auf Sardinien gefahren wird, um weitere Top-Platzierungen. MeinBezirk.at bat sie vor dem Start zum Interview.

LIEZEN. Wer Carina Schrempf ein wenig kennt, weiß, dass die leidenschaftliche Sportlerin lange Zeit zwischen dem Laufsport – jener Disziplin, die sie zehn Jahre höchst erfolgreich und professionell betrieben hatte – und dem Radfahren hin- und hergerissen war.

Spätestens seit dem Vorjahr sind die Weichen aber definitiv in Richtung Rennrad gestellt: Beim Race Around Austria gab es im Viererteam von „Treppen Fritz Racing Team“ ÖM-Silber. Bei der Multisport-EM in München war die Ennstalerin erstmals im Nationalteam im Einsatz und fuhr auf Platz 26 im Straßenrennen. Nach einem krankheitsbedingtem Ausfall von Katrin Schweinberger ging Carina Schrempf überraschend im Mixed Relay des ÖRV Teams an den Start und belegte Rang 11. Seit heuer ist sie beim UCI Women’s WorldTeam Fenix-Deceuninck unter Vertrag, für das sie nun auch beim Giro d'Italia Donne an den Start geht.

Am vergangenen Wochenende erst kürte sich die 28-jährige Steirerin aus dem World-Tour-Team Fenix-Deceuninck zur Staatsmeisterin im Rad-Straßenrennen. | Foto: GEPA
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Erst am Sonntag erfuhr sich die aus Mitterberg/St. Martin stammende Steirerin das Staatsmeistertrikot beim Straßenrennen.

  • Wie geht es Ihnen nach dem Erfolg vom Wochenende und so kurz vor dem Start zum Giro d'Italia?

Carina Schrempf: Ich gehe hier mit einer Mischung aus Vorfreude und Respekt an den Start. Es ist eine gute Anspannung, schließlich versuche ich aus jedem Rennen das beste zu machen. Den Giro versuche ich irgendwie wie jedes andere Rennen auch zu sehen, denn wenn ich mir die ganze Zeit vor Augen halten würde, welche 'Granaten' hier am Start sind, würde ich wohl durchdrehen. Ich fahre hier mit den besten Radfahrerinnen der Welt, letztlich kann ich aber immer nur meine eigene Leistungen beeinflussen.

  • Stichwort Giro d'Italia – was bedeutet der für Sie?

Es ist für mich in erster Linie eine riesengroße Ehre, hier zu starten. Es ist phänomenal. Der Giro di Donne ist die längste World Tour-Etappenrennen bei den Frauen, also in der höchsten Kategorie des Frauenradsports das längste Etappen-Rennen.

Mit "Ehrfurcht und Demut" trägt Carina Schrempf das Österreich-Trikot (im Bild mit dem Staatsmeister Gregor Mühlberger) | Foto: GEPA
  • Mit "Ehrfurcht und Demut" trägt Carina Schrempf das Österreich-Trikot (im Bild mit dem Staatsmeister Gregor Mühlberger)
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  • In diesem Umfeld, gibt es da so etwas wie ein Vorbild?

Die sehe ich eigentlich in meinem Team selbst. Da haben wir Spezialistinnen, eigene Bergfahrerinnen, andere wiederum im Sprint. Ich selbst sehe mich noch nicht als Spezialistin, insofern variiert meine Rolle innerhalb des Teams. Aber lernen an sich kann ich von den Teamkolleginnen am meisten, da kriege ich auch am meisten mit. Wobei für mich auch das Menschliche eine große Rolle spielt, da gibt es ebenso viel für den Radsport lernen.

  • Wer ist noch in Ihrem Team?

Insgesamt gehen 168 Radfahrerinnen an den Start. Ich starte für Fenix-Deceuninck gemeinsam mit einer bunt gemischten Truppe aus einer Schweizerin, einer Italienerin, zwei Niederländerinnen, einer Britin, einer Portugiesin. Mit mir sind wir zu siebt. 

  • Neun Etappen führen zwischen 1. und 9. Juli von Bagno a Ripoli bis nach Olbia. Welche Etappe ringt am meisten Respekt ab?

Es ist die Summe an Etappen, die mir Respekt abverlangt. Es gibt keine Etappe, wo nur gerollt wird, es gibt nichts zum Ausrasten. Es ist das Feld, das bestimmt, wie hart eine Etappe wird .... und insofern ist nicht damit zu rechnen, dass eine Etappe entspannt wird.

  • Wie geht es einem bei so einem Bewerb nach dem Unfall von Radprofi Gino Mäder, der letztlich tödlich ausgegangen ist, kann und soll man so etwas ausblenden?

Zunächst: Für den Unfall von Gino Mäder kann man unmöglich die richtigen Worte finden. In Summe ist dieses Risiko jedoch ein Teil des Jobs, ich würde es als Berufsrisiko einstufen. Risiko habe ich aber auch im täglichen Straßenverkehr, in so vielen anderen Lebenssituationen auch.

In Bezug auf den tragischen Unfall ist es jetzt aber nicht so, dass ich mich beim Bergabfahren um das Dreifache mehr fürchte. Man kann sich nur auf seine eigenen Fähigkeiten verlassen.
Auch bei uns im Feld entstehen gefährliche Situationen – das ist ein Teil dieses Sports.

  • Sind Frauen generell weniger risikofreudig?

Nein, das sehe ich keinesfalls so, dass Frauen weniger Risiko eingehen würden. Mag sein, dass Männer eine Spur schneller sind, doch das ist maximal im einstelligen Prozentbereich.

"Ich denke nicht, dass Frauen weniger risikofreudig sind als Männer", meint die Spitzensportlerin. | Foto: Facepeeters
  • "Ich denke nicht, dass Frauen weniger risikofreudig sind als Männer", meint die Spitzensportlerin.
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  • Was muss Ihrer Ansicht nach passieren, damit Frauen im Sport sichtbarer werden?

Ich komme ja aus der Leichtathletik und der Wechsel in den Radsport war tatsächlich ein Aha-Erlebnis. In der Leichtathletik ist Gleichberechtigung kein Thema, da werden Frauen und Männer gleich gesehen und bewertet. Im Radsport wird das bei Weitem noch nicht so gelebt. Erfreulich ist, dass es international schon dahingehende Anstrengungen gibt. Bei uns im Team gibt es ebenfalls keine Unterschiede bei der Betreuung oder beim Material. Wir dürfen da mit derselben Ausstattung unterwegs sein wie unser Männerteam Alpecin-Deceuninck.

In Österreich gibt es aber sicher noch viel Aufholbedarf. Der Radsport hat verglichen mit anderen Sportarten keinen so hohen Stellenwert und der Frauenradsport wird oft noch weniger gesehen.

  • Was müsste sich hier ändern?

Für Kinder ist der Weg vielfach vorgegeben: Fußball oder Skifahren bzw. Wintersportarten weil bei diesen Sportarten die Rahmenbedingungen und das Angebot in den Vereinen viel öfter vorhanden sind. Aber die Bandbreite ist soviel größer: Je breiter das Bewegungsangebot, aber auch die Fördermöglichkeiten, sind, umso eher finden Kinder einen Weg in den Sport und haben dadurch Chancen, erfolgreich zu sein. Ich bin ein reines Zufallsprodukt und sowohl in den Lauf- als auch in den Radsport eher reingestolpert.

Lange feierte die Ennstalerin ihre sportlichen Erfolge auf der Laufbahn: Nun hat Carina Schrempf den Radsport für sich entdeckt, und die Branche hat umgekehrt ihr Potenzial entdeckt. | Foto: ÖLV/Alfred Nevsimal
  • Lange feierte die Ennstalerin ihre sportlichen Erfolge auf der Laufbahn: Nun hat Carina Schrempf den Radsport für sich entdeckt, und die Branche hat umgekehrt ihr Potenzial entdeckt.
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  • Zurück zu Ihren Wurzeln, wie oft denken Sie noch ans Laufen?

Aktuell wenig, weil der Radsport einfach soviel von mir einnimmt. Ich habe das Laufen zehn Jahre mit voller Leidenschaft gemacht. Außerdem beschäftigt mich noch immer die Achillessehne, insofern hätte ich beim Laufen Schmerzen und weniger Vergnügen. 
Das Radfahren gibt mir so viel und das tue ich so gern, dass ich keine Wehmut verspüre. 

Mehr Informationen: giroditaliadonne.it

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